„Den Deutschen zeigen, wer Herr im Haus ist“: TGD-Chef kritisiert Polizeieinsatz gegen Gladbach-Fans
Der Vorsitzende der „Türkischen Gemeinde Deutschlands“ (TGD), Gökay Sofuoğlu, hat scharfe Kritik am Gebaren der türkischen Polizei am Rande des Europa-League-Spiels zwischen Başakşehir Istanbul und Borussia Mönchengladbach vom Donnerstag (3.10.) geübt.
Die Beamten hatten Gladbacher Fans vor dem Eingang zum Fatih-Terim-Stadion Fahnen abgenommen, auf denen das Wappen der Stadt zu sehen war. Dieses enthält neben einem Bischofsstab auch ein Kreuz. Offenbar fasste man das aufseiten der Polizeibeamten als religiös motivierte Provokation auf.
Stadion nicht einmal zur Hälfte gefüllt
Das Spiel, das 1:1 endete, und dessen Vorfeld waren allerdings nicht von überbordender Emotionalität gekennzeichnet. Es war erst das zweite Gruppenspiel in der Gruppe J der UEFA Europa League. Beide Teams hatten ihre ersten Spiele gegen die Gruppengegner AS Roma und Wolfsberger AC jeweils mit 0:4 verloren. Im 14 000 Zuschauer fassenden Stadion des derzeitigen Tabellensechsten der türkischen Süper Lig fanden sich lediglich 6000 Zuschauer ein. Davon kamen 1400 aus Deutschland.
Gladbachs Sportdirektor Max Eberl sprach im Zusammenhang mit dem Vorgehen von einer „Polizei-Diktatur“. Die Fans wären von Anfang an drangsaliert worden, hätten mit Bussen anreisen müssen und es wäre ihnen nicht erlaubt gewesen, sich frei im Stadion zu bewegen. Zwei Borussia-Fans sollen kurzfristig unter dem Vorwand, Gewalt gegen Polizisten geübt zu haben, in Gewahrsam genommen worden sein. Der Verdacht ließ sich jedoch nicht erhärten.
Sofuoğlu, dessen TGD hauptsächlich türkische Einwanderer in Deutschland repräsentiert, die der oppositionellen „Republikanischen Volkspartei“ (CHP) nahestehen, vermutet hinter dem Verhalten der Sicherheitskräfte ein politisches Motiv. In einem Interview mit der „Welt“ spricht er von einem „inakzeptablen Verhalten“ und dass er „verheerend“ finde, was dort passiert sei. In regierungsnahen Zeitungen werde das Thema totgeschwiegen.
„Ein Kreuz in der Türkei zu tragen, ist nicht verboten“
Den Begriff der „Polizei-Diktatur“ finde er zwar überzogen, die Einsatzkräfte wären ihrer Aufgabe jedoch nicht gerecht geworden:
„Die Polizei muss dafür sorgen, dass das Spiel sicher durchgeführt werden kann, dass die Zuschauer sich wohlfühlen. Wenn die Polizei zum Verursacher von Konflikten wird, dann muss man sich schon die Frage stellen, was dahintersteckt.“
Seine Erklärung: In der Türkei werde Deutschland für die politische Umbruchsituation mitverantwortlich gemacht, in der sich das Land derzeit befinde.
Ich könnte mir vorstellen, dass da im Hintergrund mitschwingt, dass man den Deutschen einmal zeigen wollte, wer Herr im Haus ist.“
Başakşehir gelte als regierungsnaher Verein, der auch die Rückendeckung durch Präsident Recep Tayyip Erdoğan genieße. Das Verhalten der Polizei könnte daher „eine Solidaritätsgeste an die Fans und den Verein gewesen sein“. Eine gesetzliche Grundlage für das Vorgehen aufgrund einer Fahne habe es jedenfalls nicht gegeben:
„Ein Kreuz in der Türkei zu tragen, ist nicht verboten. Leider haben wir in den letzten Jahren immer wieder gesehen, dass Menschen nur aufgrund von Vermutungen verhaftet wurden. Das zeigt, dass die Willkür bei der Polizei immer mehr zunimmt.“
Fußball wird in der Türkei politisch instrumentalisiert – von Regierung und Opposition
Sofuoğlu beklagt einen Verfall der Fußballkultur in der Türkei, der schon seit vielen Jahrzehnten stattfinde und in dem sich die Gesamtsituation in der Türkei widerspiegle.
„Es darf nicht sein, dass der Staat sich in den Fußball einmischt und Mannschaften unterstützt, die für politische Zwecke genutzt werden. Fußball soll unabhängig bleiben.
Die Politik sollte in jeder Hinsicht die Finger vom Fußball lassen.“
Gerade das ist in der Türkei nicht der Fall. Die Regierung hatte in der Vergangenheit versucht, auch international bedeutende Vereine wie Beşiktaş Istanbul unter ihre Kontrolle zu bekommen. Auf der anderen Seite hatten auch Fangruppen wie „Çarşı“ den Fußball für politische Botschaften instrumentalisiert, die sich gegen die AKP und Präsident Recep Tayyip Erdoğan richteten. Nach diesem ist wiederum in Kasımpaşa, jenem Istanbuler Stadtteil, in dem er geboren wurde, sogar das Stadion des dortigen Erstligisten benannt.
Im Stadion des mittlerweile wieder in die zweithöchste Spielklasse abgestiegenen Vereins Osmanlıspor FK aus Ankara hatte eine Gruppe von Fans sogar die 16 historischen türkischen Krieger mit Fahnen auf der Tribüne nachgebildet, die seit Ende 2014 immer wieder bei Staatsempfängen in Erdoğans Regierungspalast Ak Saray begleiten.
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