Debatte in US-Medien: Ist Kritik an Globalismus und George Soros antisemitisch?
Das Massaker an elf Gottesdienstbesuchern während der Feierlichkeiten zum Sabbat am letzten Samstag im Oktober war der schlimmste antisemitisch motivierte Anschlag in der Geschichte der USA. Obwohl der mutmaßliche Täter Robert Bowers neben seinem fanatischen Judenhass auch massive Kritik an US-Präsident Donald Trump auf seinen Social-Media-Accounts zum Ausdruck brachte, versuchen linksgerichtete Medien, Trump eine Mitverantwortung an dem Anschlag und den antisemitischen Ressentiments zuzuschreiben, die hinter diesem stehen.
Dabei bedienen sich die Betreffenden einer beliebten Strategie des sogenannten Gaslightings, die darin besteht, Worten, die Trump benutzt, eine Bedeutung zuzuschreiben, die dieser möglicherweise gar nicht im Sinne hatte. Dies betrifft zum einen die Kritik am bekannten US-amerikanischen Milliardär und sogenannten Philanthropen George Soros, der zwar fanatischer Atheist ist, aber aus einer jüdischen Familie stammt. Zum anderen, so behaupten beispielsweise Dana Milbank von der „Washington Post“ und andere Journalisten oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, seien Ausdrücke wie „Globalismus“ bzw. „Globalisten“ Codewörter, die als Tarnbegriffe eine angebliche jüdische Weltverschwörung umschreiben und von extremen Rechten auch so verstanden würden.
Augenscheinlich versuchen die Betreffenden auf diese Weise, Trump in eine Reihe mit den Urhebern der „Protokolle der Weisen von Zion“ zu stellen, die wahrscheinlich der russische Geheimdienst 1903 in Auftrag gegeben hatte – oder mit den letzten Jahren der Stalin-Ära in der Sowjetunion, in der es eine Kampagne gegen „wurzellose Kosmopoliten“ gab, die sich vor allem gegen Juden richtete.
Kritik an progressiven Ideen soll diskreditiert werden
In jedem dieser Fälle wurde ein Narrativ propagiert, wonach es eine jüdische Weltverschwörung gäbe, deren Ziel es wäre, gewachsene und souveräne Nationen zu unterminieren und auf diese Weise die Welt zu beherrschen. Dieser Narrativ wurde wiederum von autoritären Herrschaftsformen wie dem zaristischen Russland oder späteren totalitären Regimen zur Grundlage für eine systematische Entrechtung und Verfolgung von Juden erhoben – mit ihrer schlimmsten Ausformung in der Vernichtung von sechs Millionen europäischer Juden durch die Nationalsozialisten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Das gezielte Bemühen dieser historischen Bezugnahmen durch die politische Linke in der heutigen Auseinandersetzung verfolgt offenbar den Zweck, den Eindruck zu vermitteln, Kritik an supranationalen Organisationen wie UNO und EU oder an politischen Anliegen, die der Milliardär George Soros unterstützt, hätte seine Wurzeln in der diskreditierten Ideologie eines rassisch begründeten Nationalismus. Tatsächlich bemühen auch wirkliche Anhänger einer solchen Weltanschauung wie Robert Bowers den Begriff des „Globalismus“ – und fantasieren von einer jüdischen Verschwörung, die hinter diesem stehe.
Der freie Redakteur und Mitarbeiter des Manhattan-Instituts, Seth Barron, weist nun in einem Artikel für das „City Journal“ die augenscheinlichen Versuche zurück, Donald Trumps gegen postnationale Entwürfe gerichtete Agenda mit den Wahnvorstellungen moderner Antisemiten in Verbindung zu bringen. Abgesehen davon, dass beide das Wort „globalistisch“ verwenden, hätten beide Phänomene nichts miteinander gemein.
Yoram Hazony: „Globalismus hat nichts mit Juden zu tun“
Globalismus im heutigen Sinne habe in der Zeit um 1900, als der moderne Antisemitismus formuliert wurde, gar nicht existiert. Es gab Weltreiche, die von ihren Hauptstädten aus ferne Länder regierten, aber abseits des Welt-Esperanto-Kongresses, der Erzählungen von John Buchan und den Träumen der zweiten Kommunistischen Internationalen habe es kein anerkanntes internationales Governance-System gegeben, das sich über die Nationalstaaten erhoben hätte, wie wir es heute hätten – mit zahlreichen einander überlappenden Hierarchien von gesetzgebenden Organen, multilateralen Handelsvereinbarungen und Pakten zur wechselseitigen Verteidigung.
Es sei extrem unterkomplex, so Barron, antisemitische Machwerke des zaristischen Russlands oder Henry Fords bizarre Überlegungen mit heutigen Analysen der Nachkriegsordnung zu vergleichen.
Im Rahmen der jüngsten Konferenz Jüdischer Führungskräfte in New York, die wenige Tage nach dem Massaker von Pittsburgh stattfand, hat der israelische Philosoph und Präsident des Herzl-Instituts in Jerusalem, Yoram Hazony, vehement den traditionellen Nationalstaat verteidigt. Der Autor des Buches „Die Tugend des Nationalismus“ hat zudem in einem Interview deutlich gemacht, dass Kritik am Globalismus keinerlei antisemitische Konnotation habe. Er erklärt auch, warum das so ist:
Das Wort ‚Globalismus‘ hat sich im Laufe der letzten Generation eingebürgert, sowohl um im akademischen Kontext ein technisches Weltbild zu beschreiben, das nichts mit Juden zu tun hat, und auch um im öffentlichen Raum eine breite politische und intellektuelle Vision zu beschreiben, die ebenfalls nichts mit Juden zu tun hat.“
Dass sich Extremisten des Begriffes zu bemächtigen versuchen, so Hazony, lasse sich nicht verhindern:
„Es wird immer Fanatiker und Spinner geben, die Worte verdrehen und diese in was auch immer für einer zweifelhaften Art und Weise benutzen… So viele Begriffe haben klare und normale Bedeutungen – ‚Nationalismus‘ und ‚Globalismus‘ sind nur zwei davon – und werden in einer Weise interpretiert, als ginge es bei ihnen in erster Linie um Rasse und Bigotterie, mit der Folge, dass es nicht mehr möglich ist, eine intelligente Konversation über deren zentrale Ideen zu führen.“
Politische Ausbeutung von Hassverbrechen
Es sei kein Wunder, schreibt Seth Barron, dass die Linke versuche, einen Bogen zu spannen vom mörderischen Hass des Robert Bowers – der ja selbst Donald Trump für ein Werkzeug der „jüdischen Weltverschwörung“ gehalten habe – hin zur Agenda des Präsidenten, amerikanische Interessen über eine nebulöse Vision eines „globalen Fortschritts“ zu stellen. Immerhin habe sich die Linke dieser Vision um jeden Preis verschrieben:
Ihr Hass auf Trump und die Millionen von einfachen Menschen, die ihn unterstützen, ist so intensiv und dabei so weit jenseits jeder Vernunft, dass sie selbst einen blindwütigen Akt des Hasses noch als willkommene Gelegenheit betrachtet, um politisches Kleingeld zu wechseln.“
Während sich Seth Barron des Versuchs angenommen hat, die Kritik am Globalismus zu diskreditieren, befasste sich Eric Cortellessa in der „Times of Israel“ mit der Person des Milliardärs George Soros und den Reaktionen, die dessen politisches Mäzenatentum regelmäßig auslöst. Soros sei sowohl zur Hassfigur von Antisemiten als auch der jüdischen Rechten geworden. Dies sei zum einen eine Folge des Siegeszugs der Identitätspolitik und des damit verbundenen Wiederaufstiegs von Tribalismus – zum anderen sei Soros auch schlicht ein „leichtes Ziel“, ähnlich der Rothschild-Familie, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Visier antisemitischer Agitation geraten war.
Rabbi Jack Moline von der Interfaith Alliance erklärte, Soros habe zum einen einfach alles, was nötig sei, um zum dankbaren Protagonisten einer Verschwörungstheorie zu werden – „Er ist ein Mann mit liberalen, teilweise sogar sozialistischen Ansichten; er ist außerordentlich reich; er ist verschlossen; er ist von europäischer Herkunft, was ihn als Spross einer jüdischen Familie sowohl in der ungarischen Kultur als auch unter den ‚wahren Amerikaner‘ in unserem Land zum Außenseiter macht.“
Andererseits unterstütze er gerade die politischen Anliegen, die seine Gegner am meisten in Rage bringen. „Ich denke nicht, es steckt eine magische Formel dahinter“, meint Moline. „Er ist einfach ein leichtes Ziel.“
Politisches Engagement von Soros begann mit Bush-Wiederwahl
Das politische Engagement des zuvor nur als erfolgreicher Investor bekannten George Soros hatte 2004 begonnen, nachdem George W. Bush als Präsident der USA wiedergewählt worden war. Dieser Erfolg, den der Ex-Präsident gegen alle Erwartungen und gegen den medialen Mainstream erzielen konnte, elektrisierte die Rechte ebenso wie die Linke, für die er einer narzisstischen Kränkung gleichkam.
Dass Soros als Großspender für liberale Anliegen in Erscheinung trat, und das oft im Zusammenhang mit besonders stark emotionalisierenden Themen wie Einwanderung, Abtreibung oder supranationalen Interessen, hat ihn für viele zu einem signifikanten Feindbild gemacht. Dies hat zur Folge, dass zu gesicherten Darstellungen über Unterstützungshandlungen durch Soros auch eine Vielzahl an Spekulationen kommen, die nicht selten auch antisemitische Stereotypen bedienen.
Andererseits warnt Jonathan Tobin vom „National Review“ auch davor, Kritik an Soros per se in diese Ecke zu stellen:
Ihn nicht explizit als Juden herauszustellen, sondern ihn nur zu kritisieren, weil man den Eindruck hat, er habe etwas mit den Protesten gegen die Bestätigung Kavanaughs zu tun oder weil er demokratische Kandidaten unterstützt, ist in Ordnung. Dort verläuft auch die Grenze [zu antisemitisch motivierter Soros-Kritik; d. Red.].“
Soros fördert selbst Gruppen mit antisemitischen Affinitäten
Immerhin ist gerade mit Blick auf Soros zu berücksichtigen, dass er selbst in Teilen der jüdischen Community im Verdacht steht, als Atheist und möglicher Akteur im Sinne eines jüdisches Selbsthasses antisemitische Anliegen zu befördern. So gilt er als Unterstützer weit links angesiedelter Gruppierungen wie J Street oder B’Tselem, deren Nähe zu „antizionistischem“ Antisemitismus sich nach Meinung von Kritikern nicht zuletzt daraus ergibt, dass diese sich bei Bedarf auch schon mal 1:1 propagandistische Darstellungen palästinensischer Terrororganisationen zu eigen machen, deren Ziel es ist, den Staat Israel zu delegitimieren und zu dämonisieren.
Kritik an der Politik des Staates Israel hat ihrerseits aber jedenfalls dann eine antisemitische Grundlage, wenn sie durch falsche oder einseitige Darstellungen, delegitimierende und dämonisierende Sprache dessen Existenzrecht als solches infrage stellt oder wenn sie an Israel andere Maßstäbe anlegt, etwa im Kampf gegen den Terrorismus, als dies mit Blick auf andere Staaten der Fall wäre. Dies trifft nach Meinung zahlreicher Beobachter auf mehrere linke israelische NGOs zu, die Soros unterstützt.
Abgesehen davon spiele, erklärt Tobin gegenüber der Times of Israel, auch eine simple politische Gleichung eine Rolle: So wenig wie Republikaner Großspender für die Demokraten mögen – unabhängig davon, ob diese einen jüdischen Hintergrund haben oder nicht –, so wenig schätzen Demokraten solche der Gegenseite wie Sheldon Adelson oder die Koch-Brüder.
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