Allianz-Chefvolkswirt: Deutschland wird „in Europa gerade nach ganz unten durchgereicht“

Deutschlands Wirtschaft könnte immer weiter zurückfallen, warnte Michael Heise, Chef-Volkswirt der Allianz. Kein Wunder, dass niemand in Deutschland investieren will. Wenn man immer vom "Worst Szenario" ausgehe, könne man nur verlieren. Entgegen aller Theorie hätten Märkte auch "Selbstheilungskräfte".
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Es sei zwar noch keine Krise da, aber derzeit stehe nur noch Italien schlechter da, warnte Michael Heise, Chef-Volkswirt der Allianz. Momentan sprudeln Deutschlands Kassen noch mit Steuereinnahmen und Sozialabgaben.Foto: iStock
Epoch Times5. Oktober 2019

Michael Heise, Chef-Volkswirt der Allianz, sieht das deutsche Geschäftsmodell in Gefahr, sagte er kürzlich in einem Interview mit der Welt. Zwar sei noch keine wirkliche Krise angekommen, aber man müsse jetzt „aufhorchen“. Deutschland könnte ganz nach unten fallen.

Eine wahrscheinlich schwache Rezession verbunden mit realem Protektionismus und aussichtsloser EZB-Politik seien nicht von der Hand zu weisen.

Absolutheitsgedanke beim Schuldenmachen gefährlich

Es habe sich ein Absolutheitsgedanke beim Schuldenmachen entwickelt. Wer dem Mainstream nicht folge, sei Außenseiter und komme noch schwerer durch. Und hier warnt der Volkswirt:

Ich halte es gefährlich, so zu tun, als sei Inflation für immer tot. (…) Wenn die Ölpreise infolge politischer Spannungen plötzlich durch die Decke gehen, könnte das sehr wohl Zins- und Inflationsängste entfachen. Die Anpassungen an den Finanzmärkten könnten dann heftig ausfallen.“

Die Europäische Zentralbank (EZB) jedenfalls habe ihr Mandat der Inflationsstabilität verfehlt. Er wies auf die unterschätzte Wirkungsmacht der EZB auf langfristige Zinsen im Kapitalmarkt hin.

Die Konjunktur- und Preisentwicklung hingegen folge nicht dem Willen der EZB und damit der expansiven Preispolitik. So weiterzumachen – mit ständigen Zinssenkungen und Anleihenkäufen – hält er auf jeden Fall für falsch.

Wenn nichts passiert, ist das deutsche Geschäftsmodell in Gefahr

Es sei zwar noch keine Krise da. Aber derzeit stehe nur noch Italien schlechter da. Momentan sprudeln Deutschlands Kassen noch mit Steuereinnahmen und Sozialabgaben.

Aber wenn es jetzt auch noch mit dem Arbeitsmarkt bergab gehe, sei das vorbei. Deutschland werde „in Europa gerade nach ganz unten durchgereicht.“

Und leider hätten Deutschlands Ökonomen auch an Einfluss in Politik verloren. Aber angesichts absurder Theorien wie – Zinsen weit unter Null bringen die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht –  sei das auch verständlich.

Rezept: Weniger Starrsinn, mehr Weitsichtigkeit

Vor allem maßregelt Heise die Fährte der Bundesregierung. Entgegen dem Motto „erst Denken, dann Handeln“ würden ohne Nachzudenken, ob diese realisierbar seien, vorschnell populäre Maßnahmen getroffen. Aber auch eine Art „Stückwerk“-Politik kennzeichne die Bundesregierung – das zeige das Klimapaket: Kein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien, aber Entscheidung zum Atom- und Kohle Ausstieg.

Auf die Frage von Welt, ob er der Bundesregierung denn „weniger Starrsinn und mehr Weitsicht“ empfehlen würde, antwortet er eindeutig mit „ja“. Trotz geopolitischer Unsicherheiten wie zunehmender Protektionismus findet er es „rätselhaft, warum die Politik darauf nicht reagiert“. Statt die Nachfrage weiter auszuweiten, sollte die Regierung besser die Abhängigkeit vom Außenhandel reduzieren.

Dabei kritisiert er das Festhalten an der sogenannten „schwarzen Null“.

Wir können in Deutschland angesichts sinkender Kapazitätsauslastung ruhig ein Defizit hinnehmen, wenn dadurch die Privathaushalte entlastet und die Investitionsbedingungen verbessert werden. (…) Die Schuldenbremse lässt das zu.“

Kein Wunder, dass niemand in Deutschland investieren will

Aber von einer Entlastung sei momentan nichts zu sehen. Seine selbst gestellte Frage „Warum sollte ein Konzern sich unter diesen Bedingungen entscheiden, in Deutschland zu investieren“, beantwortet er jedenfalls nicht. Vielmehr häufen sich seine Beanstandungen. Wenn Deutschland nicht noch weiter nach unten wandern wolle, müsse Deutschland attraktivere Bedingungen schaffen.

  • Allem voran bemängelt er eine „rekordhohe Steuerquote“. Und trotz dieser hohen Steuern werde der Soli nicht komplett abgeschafft.
  • Auch zu hohe Energiekosten angesichts einer „überstürzten Energiewende“ kritisiert er weiter.
  • Und die Lohnnebenkosten seien ebenfalls viel zu hoch.

Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung – und Optimismus

Es brauche eine „Investitionsagenda“, so der Chef-Ökonom weiter. Dabei kritisiert er, dass notwendige Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung horrende vernachlässigt wurden und es hier ganz besonders dringlich sei, aber mit weniger bürokratischen Anforderungen, betont der Experte.

Vielfach seien Investition trotz vorhandenem Geld nicht getätigt worden, weil die Verfahren einfach lange dauern.

Nicht zuletzt appelliert er aber auch an positive Gedanken. Wenn man immer vom „Worst Szenario“ ausgehe, könne man nur verlieren. Und im Übrigen: Entgegen aller Theorie hätten Märkte auch „Selbstheilungskräfte“. (bm)



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