Was wusste Manuela Schwesig?
Wegen verbrannter Steuerunterlagen der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV gerät Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) immer mehr unter Druck. Ende Februar war öffentlich geworden, dass eine Finanzbeamtin in Mecklenburg-Vorpommern die Steuerakte der umstrittenen Klimastiftung verbrannt hat. Die Staatsanwaltschaft in Stralsund sprach damals von einer „Kurzschlussreaktion“. Die Steuerbeamtin habe sich unter Druck gefühlt, nachdem im vergangenen Jahr im Finanzamt Ribnitz-Damgarten die Steuerakte der Stiftung gesucht wurde.
Hintergrund war die Frage, ob die Klimastiftung damals eine Steuererklärung eingereicht hatte oder nicht. Der Fall war vor allem deshalb heikel geworden, da die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG der Stiftung zuvor 20 Millionen Euro gespendet hatte. Diese hätte in der Steuererklärung angegeben werden müssen und wäre mit entsprechender Schenkungssteuer zu versteuern gewesen. Die Akte galt damals als unauffindbar.
Als die Beamtin dann die Papiere bei sich entdeckte und realisierte, dass die Unterlagen schon länger bei ihr zur Bearbeitung lagen, habe sie diese einfach verbrannt. Das dazu eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft inzwischen aber wieder eingestellt.
Nie politischen Druck auf Finanzamt gegeben
Das Magazin „Cicero“, das im Februar erstmals über diesen Vorgang berichtete, schrieb, es habe wahrscheinlich politischen Druck auf die Finanzbehörde gegeben. Das wurde sofort von der rot-roten Landesregierung entschieden bestritten. „Es hat keine politische Einflussnahme auf die Bearbeiter im Finanzamt gegeben“, erklärte umgehend Finanzminister Heiko Geue (SPD). Geue zufolge gab es jedoch „im Rahmen der Fachaufsicht“ Abstimmungen zur Klärung von Rechtsfragen zur Besteuerung der Stiftung Klima und Umweltschutz MV. „Hier hat sich das Finanzamt mit der zuständigen Steuerabteilung im Finanzministerium abgestimmt.“
Die Unterlagen für die Spende der Nord Stream 2 AG wurden nachgefordert und schließlich ein Steuerbescheid über 9,8 Millionen Euro Schenkungssteuer erlassen. Dagegen ist die Klimastiftung im Herbst 2022 vor das Finanzgericht Greifswald gezogen. Das Verfahren läuft noch.
Erst aus den Medien vom Vorgang erfahren
Immer wieder stand in diesem Zusammenhang die Frage im Raum, was Manuela Schwesig von den Vorgängen im Finanzamt wusste? Am vergangenen Sonntag äußerte sie sich dazu erstmals im „Bericht aus Berlin“ in der ARD. Lange Zeit habe sie nichts von den verbrannten Steuerunterlagen gewusst, sagt die Ministerpräsidentin. Erst mit dem Artikel im „Cicero“ habe sie von diesem Vorgang erfahren. Daraufhin habe sie Finanzminister Geue um Aufklärung gebeten. Es sei vollkommen korrekt, dass Geue sie nicht früher informiert habe. Gerade als ehemalige Finanzbeamtin wisse sie um die Bedeutung des Steuergeheimnisses.
In eine steuerliche und staatsanwaltschaftliche Angelegenheit habe sich eine Ministerpräsidentin nicht einzumischen. „Und das geht sie auch nichts an.“ Über eine Schenkungssteuer sei zudem „zu keinem Zeitpunkt“ gesprochen worden, sagte Schwesig erneut. Insofern sei es auch nie um eine Absprache über eine Steuerbefreiung für die Klimastiftung gegangen. Die Darstellung der Ministerpräsidentin beim „Bericht aus Berlin“ wird aber inzwischen erheblich in Zweifel gezogen.
„Wir erleben dort weiterhin ein Versteckspiel“
CDU-Generalsekretär Mario Czaja sprach am Montag in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv, dass Finanzminister Geue der engste Vertraute der Ministerpräsidentin sei. Er nehme ihr daher nicht ab, dass sie erst nach dem Artikel im „Cicero“ von dem Vorgang erfahren haben will. Geue sei zudem auch ein Vertrauter von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD).
„Das ist doch eine ganz deutliche Russland-Connection, die dort jetzt so schrittweise aufgedeckt wird“, sagte Czaja. Zugleich sei „weiterhin aus Mecklenburg-Vorpommern nur Vertuschen, Tricksen, Täuschen angesagt“. „Wir erleben dort weiterhin ein Versteckspiel“, sagte Czaja.
Vorwürfe ein Stück in Luft aufgelöst
SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil kritisierte in einem Interview mit der „Bild“ vom Dienstag die CDU. Diese versuche gerade das Ganze auf die Bundesebene zu ziehen. „Aber dort haben sich ja die Vorwürfe auch ein Stück weit in Luft aufgelöst“, so Klingbeil.
Wenig beunruhigt zeigte sich der SPD-Chef über angeblich verschwundene oder verbrannte Unterlagen zur Nord Stream 2 AG: „Alle Dokumente scheinen ja trotzdem auch noch da zu sein, scheinen im Untersuchungsausschuss vorzuliegen, werden dort im Untersuchungsausschuss geprüft.“
Schon vor einem halben Jahr eine Anfrage gestellt
In Mecklenburg-Vorpommern möchte man die Darstellung von Ministerpräsidentin Schwesig auch nicht glauben. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Hannes Damm kritisierte gegenüber dem NDR Schwesigs Auftritt. Er bezweifelt, dass Schwesig nicht schon im vergangenen Jahr von den verschwundenen Akten gewusst habe. Die Opposition, so Damm, habe schon vor einem halben Jahr eine Anfrage dazu gestellt, die von der Staatskanzlei beantwortet worden sei. Schwesig gerate offensichtlich stark unter Druck und in Erklärungsnot, so Damm im NDR.
Die Staatskanzlei hat am Montag sofort reagiert und warf dem Grünen-Politiker Falschaussagen vor. „Die Aussagen von Herrn Damm stimmen schlichtweg nicht und enthalten gleich mehrere Falschdarstellungen“, heißt es in einer Pressemitteilung. So sei unter anderem die fragliche Anfrage seinerzeit nicht von der Staatskanzlei, sondern vom Finanzministerium beantwortet worden.
Schwesigs Darstellung äußerst unwahrscheinlich
Für unwahrscheinlich, dass Manuela Schwesig erst aus den Medien von den verbrannten Akten erfahren habe, hält es auch der Landtagsabgeordnete Harry Glawe (CDU). Glawe kennt Schwesig viele Jahre aus der Zusammenarbeit. Bis 2021 war er Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident. Im Gespräch mit dem NDR Mecklenburg-Vorpommern schildert er die Ministerpräsidentin als jemanden, der stets genau über Vorgänge informiert werden wollte und immer intensiv nachgefragt habe. „Sie wollte über jedes Detail unterrichtet sein. So war es zumindest in der Zeit, als ich stellvertretender Ministerpräsident war“, sagte Glawe. „Das ist aus meiner Sicht äußerst unwahrscheinlich, dass darüber nicht informiert wurde. Also ich hätte es gemacht. Aber ich kann nicht für Herrn Geue reden.“
Der CDU-Landtagsabgeordnete hält es weiter für unglaubwürdig, dass nicht zumindest auf dem „kleinen Dienstweg“ Informationen an die Ministerpräsidentin weitergegeben worden seien. Das sei zu seiner Zeit als Mitglied der Landesregierung so üblich gewesen. „Über alle wichtigen Dinge ist informiert worden. Es gab dann eben informelle Gespräche oder den kurzen Kontakt.“ So müsse man in einer Regierung ja eigentlich auch zusammenarbeiten. Die Spatzen hätten schon lange in den Finanzämtern von den Dächern gepfiffen, dass dort Dinge gelaufen sind, die man nicht verstehe – auch Aktenverbrennungen. „Das ist schon länger auf dem Markt.“ Er selbst habe davon als Abgeordneter gehört.
Antrag monatelang in Rostock liegen geblieben
Die Klimastiftung hatte schon 2021 Anträge auf Befreiung von der Schenkungssteuer gestellt. Die Steuer hätte die Hälfte des Kapitals aufgezehrt. Die Anträge der Stiftung landeten aber zuerst in Rostock und nicht beim zuständigen Finanzamt in Ribnitz-Damgarten. Erst nach Monaten schickte die Rostocker Behörde die Unterlagen nach Ribnitz-Damgarten. Dort aber gingen sie „verschüttet“. Die Beamtin in Ribnitz-Damgarten „verfächerte“ sie und die Papiere rutschten per angehefteter Büroklammer in einen anderen Vorgang, erklärte Finanzminister Geue im Februar. Erst als der Steuerberater der Stiftung sich am 28. Februar 2022 nach dem Bearbeitungsstand erkundigte, begann im Finanzamt die Suche.
Muss Schwesig als Zeugin aussagen?
Zweifel an Schwesigs Darstellung, dass damals nicht über die Schenkungssteuer geredet wurde, nährt nun auch Schwesigs Parteifreund und Vorgänger im Amt, Erwin Sellering. Sellering ist Vorsitzender der Klimastiftung. In Schwerin ist es inzwischen ein offenes Geheimnis, dass er und die Ministerpräsidentin sich im Zusammenhang mit der Stiftung längst überworfen haben. Schwesig wollte nach dem Angriff auf die Ukraine eine schnellstmögliche Auflösung der Stiftung. Das sah Sellering völlig anders und widersprach auch öffentlich. Die Landesregierung wolle die Stiftung liquidieren, um vom eigenen Fehlverhalten abzulenken, lautete damals Sellerings Vorwurf.
Im Steuerverfahren vor dem Finanzgericht in Greifswald hat er schon einmal angeregt, Manuela Schwesig als Zeugin aussagen zu lassen. Schwesig könne doch bezeugen, so Sellering, dass der Chef von Nord Steam 2, Matthias Warnig, ihr in einem Vier-Augen-Gespräch Details der 20-Millionen-Euro-Zahlung erläutert habe. Was Sellering meint: Warnig habe klar gesagt, die Summe sei für den Klimaschutz zu verwenden. Eine Gemeinwohlorientierung, so die Lesart der Stiftung, schließe eine Schenkungssteuer aus. Schwesig erklärte, über eine Schenkungssteuer sei nie geredet worden.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion