Was wiegt mehr: Tierschutz oder Religionsfreiheit?

Die AfD will das Schächten von Tieren verbieten lassen – und erntet dafür den Vorwurf des Antisemitismus. Nicht so die Tierschutzpartei, obwohl sie das gleiche Ziel verfolgt.
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Hühner und viele andere Tiere werden in der muslimischen und jüdischen Tradition durch Schächung getötet.Foto: iStock/ Kira Kutscher
Von 1. Februar 2023

Konkret geht es um einen Antrag der AfD, mit dem die Partei sich für mehr Tierschutz und Solidarität mit Tieren einsetzen will – indem sie die Schlachtpraxis des Schächtens verbieten lassen will.

Beim Schächten handelt es sich um eine alte traditionelle Schlachtmethode, die vor allem im Judentum und im Islam verbreitet ist. Dabei wird die Halsunterseite der Tiere, wo die großen Blutgefäße, die Luft- und Speiseröhre liegen, mit einem Messer durchtrennt. So soll garantiert werden, dass das Tier möglichst rückstandslos ausbluten kann. Denn sowohl im Judentum als auch im Islam ist das Verzehren von Blut verboten. Nach traditionellem Ritus darf das Schlachtvieh vor der Schächtung auch nicht betäubt werden, denn damit würde das Tier verletzt und das Fleisch zum Verzehr unbrauchbar.

Schächten bei religiösen Gründen ausnahmsweise erlaubt

Grundsätzlich ist solch ein betäubungsloses Schlachten in Deutschland nach dem Tierschutzgesetz verboten: Das Schmerzempfinden muss durch eine Betäubung ausgeschaltet werden. Seit einigen Jahren gibt es aber Ausnahmen: Jüdische Mitbürger können nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2022 eine Ausnahmegenehmigung aus religiösen Gründen erhalten, mit der ihnen das Schächten erlaubt wird. Seit 2006 dürfen auch muslimische Metzger das Recht auf eine solche Genehmigung in Anspruch nehmen.

Tierschutz vor Religionsfreiheit

Die Tierschutzpartei findet das laut ihrem Programm nicht richtig: „Betäubungsloses Schächten ist ganz klar mit außerordentlichen Schmerzen für das Tier verbunden, wie von etlichen Fachgutachten festgestellt wurde. Ein Verstoß gegen den Tierschutz, der im Grundgesetz verankert und im Tierschutzgesetz ausgeführt wird, liegt also vor.“ Daher fordert die Tierschutzpartei „selbstverständlich […] ein Verbot des betäubungslosen Schächtens“.

Der Tierschutz müsse insgesamt einen höheren Stellenwert genießen als die Religions- und Glaubensfreiheit, meint die Tierschutzpartei. Das begründet sie unter anderem damit, dass der Islam gar nicht eindeutig vorschreibe, ob das Schächten mit oder ohne Betäubung vorzunehmen sei.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. drückt sich noch klarer aus: „Die Freiheit der Religionsausübung sollte da enden, wo Tiere unnötig leiden.“ Der Verein fordert, dass Schächtung – wenn überhaupt – nur unter strengen Vorgaben und unter amtsärztlicher Beobachtung geschehen dürfe.

Antrag der AfD

Die AfD sieht in ihrem Antrag vom 24. Januar eine der grausamsten Tötungsarten, wenn betäubungslos geschlachtet werde. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass das unbetäubte Tier während des gesamten Vorgangs Schmerzen und Leid erlebe. Die Schlachtmethode sei zu verbieten, „um den Tieren durch eine betäubungslose Schlachtung keine größeren Schmerzen oder Leiden zuzufügen“.

Die AfD beruft sich auch auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der hatte festgestellt, dass EU-Mitgliedstaaten betäubungsloses Schlachten verbieten dürfen, um das Leiden des Tieres zum Zeitpunkt seiner Tötung zu verringern und das Wohlergehen der Tiere zu fördern. Zudem könnten Muslime und Juden koscheres Fleisch aus anderen Ländern importieren. Somit werde die Religionsfreiheit nach Auffassung des EuGH weiterhin respektiert, meint die AfD:

Ein solches Verbot ist gemäß dem EuGH-Urteil verhältnismäßig und verstößt nicht gegen das Recht auf Religionsfreiheit, unter anderem auch deshalb, weil das Inverkehrbringen von Erzeugnissen tierischen Ursprungs, die von rituell geschlachteten Tieren stammen, durch Importe aus anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern weiterhin gewährleistet ist. Es besteht dementsprechend ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Bedeutung des Tierschutzes und der Religionsfreiheit.“

Der EuGH habe damit klargestellt, dass ein Verbot von betäubungsloser Schächtung nicht gegen das EU-Recht verstoße, so die AfD. Die betäubungslose Schächtung sei bereits in mehreren Ländern verboten, beispielsweise in Polen, Dänemark, Norwegen, der Schweiz, Island, Liechtenstein, Schweden und Belgien.

Kritik vom Antisemitismusbeauftragten

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte den Vorstoß der Alternative für Deutschland: „Den Antrag der AfD-Bundestagsfraktion, das rituelle Schächten in Deutschland zu verbieten, ist ein fundamentaler Angriff auf das jüdische Leben in Deutschland.“ Es stelle einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, wenn Juden in ihrer religiösen Praxis eingeschränkt werden sollten. Auch Muslime würden mit dem Antrag der AfD diskriminiert.

„Das letzte Mal, dass Schächten in Deutschland verboten wurde, war durch die nationalsozialistische Gesetzgebung im April 1933“, stellte Klein fest. Dabei seien die jüdischen Speisegesetze, zu denen koscheres Fleisch gehöre, nicht nur ein religiöses Gebot, sondern Teil der jüdischen Identität. Darüber hinaus stelle die schon vorgesehene Anwendung strengerer Schlachtmethoden einen angemessenen Ausgleich zwischen Religionsfreiheit und Tierwohl dar und entspreche den hohen EU-Standards.

Keine Antisemitismusvorwürfe gegen Tierschutzpartei und Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz

Die Tierschutzpartei sah sich bisher noch keinen Vorwürfen wegen „Antisemitismus“ ausgesetzt, obwohl auch sie das Verbot der Schächtung fordert. Das bestätigte die Partei auf Anfrage der Epoch Times. „Dies mag auch daran gelegen haben, dass wir uns niemals einseitig gegen das Schächten gewendet haben, sondern gegen jede Form grausamen Schlachtens von Tieren“, erklärt der Pressesprecher der Tierschutzpartei.

Eben aus diesem Grund würden sie einen Antrag der AfD nicht unterstützen: „Hier verstecken sich hinter angeblichem Tierschutz anti-muslimische und anti-jüdische Ressentiments. Zudem unterstützen wir generell keine Anträge dieser Partei, um ihr keine Möglichkeit zu verschaffen, für ihre Ideologie zu werben, die der unsrigen konträr entgegengesetzt ist“, erklärt der Pressesprecher.

Dem fügt er hinzu: „Ansonsten achten wir das Recht aller Menschen auf freie Ausübung ihres Glaubens und hegen gegenüber unseren jüdischen und unseren muslimischen Mitbürgern großen Respekt.“

Auch die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz hat nach Auskunft ihres Pressesprechers bisher keine Antisemitismusvorwürfe erhalten.



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