Wahlkampf mit Krieg und Aufrüstung: Das sind die Standpunkte der Parteien

Wie denken die großen Parteien rund sechs Wochen vor der Bundestagswahl über die Themen Ukraine-Krieg, Bundeswehr-Ausgaben, Wehrpflicht und Russland? Ein Überblick über die Standpunkte von BSW, AfD, SPD, Union, Grünen und FDP.
Braucht die Bundeswehr deutlich mehr Geld?
Braucht die Bundeswehr deutlich mehr Geld?Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 13. Januar 2025

Sahra Wagenknecht, die Parteigründerin und frisch nominierte Kanzlerkandidatin des BSW, hat am vergangenen Wochenende bei ihrer Rede auf dem Parteitag in Bonn gespottet, dass die AfD sich doch einfach in „Aufrüsten für Donald“ umbenennen sollte.

Hintergrund ist eine Aussage der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel: Konfrontiert mit der Forderung des designierten US-Präsidenten Donald Trump, jedes NATO-Land solle 5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) für die Verteidigung ausgeben, hatte Weidel im ZDF eingeräumt, dass sie das für möglich halte. „Sehr wahrscheinlich“ werde sogar noch mehr Geld fließen, was sie zur „Ertüchtigung der Bundeswehr“ und zur Landesverteidigung „natürlich“ begrüßen würde (Kurzvideo auf X).

Wie positionieren sich also die einzelnen Parteien vor der für den 23. Februar angesetzten Bundestagswahl zum Thema Rüstungsausgaben im Einzelnen – und zur Verteidigungspolitik im Allgemeinen?

  • BSW: keine Angabe zum maximalen BIP-Anteil an Verteidigungskosten
  • AfD: minimal 5 Prozent des BIP für Landesverteidigung
  • Grüne: 3,5 Prozent des BIP als mittelfristiges Ziel
  • SPD: mindestens 2 Prozent des BIP
  • CDU/CSU: 2 Prozent des BIP als „Untergrenze“
  • FDP: mehr als 2 Prozent des BIP, je nach NATO-Wunsch

BSW gegen Waffenexporte, Wettrüsten und Wehrpflicht

Das BSW selbst erklärt sich immer wieder als „die einzige Friedenspartei im Deutschen Bundestag“. Ihr striktes Nein zu Waffenexporten und Geldleistungen in Kriegsgebiete gehört seit der BSW-Gründung vor knapp einem Jahr zu ihrem Grundverständnis.

Stattdessen will sich das BSW um eine „Initiative für einen Waffenstillstand und einen realistischen Friedensplan“ für die Ukraine bemühen. Nach dem Entwurf ihres aktuellen Wahlprogramms (PDF) steht das BSW generell gegen ein „neues Wettrüsten“ und gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden, dafür aber für „neue Verträge über Rüstungskontrolle und gemeinsame Sicherheit“.

Einer Aufnahme der Ukraine in die EU steht das BSW ablehnend gegenüber. Über die Zukunft der Ukraine oder Deutschlands in der NATO findet sich nichts im BSW-Wahlprogramm.

Die Bundeswehr soll nach Auffassung des BSW „wieder und ausschließlich zu einer Verteidigungsarmee“ gemacht werden. Eine dafür „angemessene“ Ausrüstung gesteht die Partei zu, ohne Maximalbeträge für den Etat zu nennen. Die Wiedereinführung einer Wehrpflicht wäre mit dem BSW nicht zu machen.

AfD: Mehr Geld für Bundeswehr und Wehrpflicht, Nein zu Ukraine-Unterstützung und Auslandseinsätzen

Auch die AfD plädiert seit Beginn des Ukraine-Krieges für ein Ende der Kämpfe, für Diplomatie und für das sofortige Aus für Waffen- und Geldtransfers nach Kiew. Die Zukunft einer befriedeten Ukraine sieht die AfD in der Neutralität abseits von NATO oder EU.

Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland lehnt die blaue Partei ebenso ab wie Wirtschaftssanktionen gegen Moskau. Im Gegenteil solle sich die Bundesrepublik im eigenen Interesse um gute Beziehungen zu allen Staaten bemühen, einschließlich Russland, China und den USA.

In einem Interview mit „The American Conservative“ (TAC) erklärte Kanzlerkandidatin Weidel erst kürzlich, dass die Regierung Trump entscheiden müsse, ob die Deutschen als „besiegtes Volk“ die Rolle einer US-Kolonie spielen sollten. In diesem Fall sähe sie keine Notwendigkeit, den amerikanischen Aufforderungen zu Kriegsteilnahmen zu folgen: „Es ist das edelste Recht eines Dieners, nicht an den Schlachten seines Herrn teilzunehmen, sondern den Frieden zu genießen“, argumentierte Weidel.

Laut AfD-Grundsatzprogramm (PDF) setzt sich die Partei für „den Abzug aller noch auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen“ und von Atomwaffen ein. In ihrem Wahlprogramm, das bisher nur als Leitantrag (PDF) vorliegt, bekennt sich die AfD dennoch zur NATO-Mitgliedschaft Deutschlands „bis zum Aufbau eines unabhängigen und handlungsfähigen europäischen Militärbündnisses“. So lange sei aus Sicht der AfD auch eine „aktive Rolle Deutschlands“ in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein zentrales Element der deutschen Sicherheitsstrategie.

Generell werde eine AfD-geführte Regierung den deutschen Verteidigungsetat deutlich erhöhen, wie Weidel schon im TAC-Gespräch angekündigt hatte. „Aber wir werden das Geld auch sinnvoller einsetzen“, so Weidel.

Um dem „Hauptauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung“ wieder Rechnung zu tragen, hatte sich eine klare Mehrheit der AfD-Delegierten am Wochenende auf dem Parteitag in Riesa für die Aufnahme der Forderung nach Wiedereinführung einer Wehrpflicht ins Wahlprogramm ausgesprochen. Nach Informationen des „Münchner Merkur“ hätte der AfD-Co-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla die Idee lieber nur im AfD-Grundsatzprogramm belassen.

SPD: Nein zu „Taurus“-Raketen, unbegrenzte Solidarität zur Ukraine

Die Partei von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verortet sich seit Kriegsbeginn an der Seite der Ukraine, und zwar „so lange wie nötig“, wie es auch im aktuellen SPD-Wahlprogramm (Seite 51, PDF) heißt: „Einen russischen Diktatfrieden zulasten der Ukraine werden wir nicht akzeptieren“.

Konkret stehe die SPD für die „Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte und die Lieferung von Waffen und Ausrüstung mit Besonnenheit und Augenmaß“. Deshalb werde man den „Marschflugkörper Taurus aus den Beständen der Bundeswehr“ nicht liefern. Ansonsten hoffe man auf „Diplomatie und Dialog“, auch im Verbund mit der OSZE. Scholz bekräftigte auf dem Bundesparteitag in Berlin, es sei darauf zu achten, „dass wir nicht hineingezogen werden in diesen Krieg“.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dementierte am Sonntag einen „Spiegel“-Bericht, nach dem Scholz die Freigabe weiteren Militärgeräts für Kiew im Wert von 3 Milliarden Euro derzeit blockiere, obwohl die russische Armee im Osten der Ukraine weiter vorrücke.

Die SPD will sich laut Wahlprogramm weiter für eine „nachhaltige Verteidigungsfinanzierung von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes“ einsetzen.

Das Geld solle unter anderem in einen flexiblen Wehrdienst auf freiwilliger Basis, in den Ausbau Deutschlands als „zentrale Drehscheibe für die Logistik“ in Diensten der NATO und in den Aufbau der Brigade Litauen fließen. Auch künftigen Auslandseinsätzen und einer europäischen Verteidigungsunion stehen die Sozialdemokraten positiv gegenüber.

Union für Ukraine, Bundeswehrreform und „aufwachsende Wehrpflicht“

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) will etwas anderes als einen Sieg der Ukraine nicht zulassen. Nachdem er sich monatelang immer wieder für die Lieferung von Taurus-Raketen ausgesprochen hatte, taucht der Begriff im Bundestagswahlprogramm (PDF) nicht mehr auf. Man werde die Ukraine „mit allen erforderlichen diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln sowie mit Waffenlieferungen“ unterstützen, heißt es auf Seite 45.

Fragen nach einem Beitritt der Ukraine zur NATO wirft das Wahlprogramm zwar auf, nennt aber kein exaktes Zukunftsszenario. Eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine liege zwar auch im Interesse Deutschlands und Europas, zuvor aber müssten „alle Kriterien vollständig erfüllt sein“.

Während die Union die Sanktionen gegen Russland weiter „zielgerichtet und engmaschig“ ausbauen will, so lange die Kämpfe andauern, betrachtet sie die USA als den „wichtigsten Verbündeten Deutschlands außerhalb Europas“. Die „transatlantische Partnerschaft“ sei zu vertiefen. Den Wunsch der USA, weitreichende Waffensysteme in Deutschland zu stationieren, würde die Union zur „Abschreckung“ Russlands gern erfüllen.

An der NATO will die Union ebenso wie an der „nuklearen Teilhabe“ festhalten, und zwar „ohne Wenn und Aber“. Die Bundeswehr solle in Richtung „Vollausstattung“ reformiert werden, damit sie künftig selbst „einen zentralen Beitrag zur Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit der NATO“ leisten könne.

„Perspektivisch“ möchte die Union ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ einführen, „das wir mit der aufwachsenden Wehrpflicht zusammendenken“, wie es im Wahlprogramm auf Seite 50 heißt. Über den freiwilligen Dienst an der Waffe solle die Bundeswehr ihr Personal von 180.000 auf 203.000 aufstocken.

Der Aufbau einer „eigenständigen und leistungsfähigen Verteidigungsindustrie“ soll die Wehrfähigkeit Deutschlands mithilfe einer länderübergreifenden Kooperation in Europa ergänzen. Die europäischen Streitkräfte, darunter auch das britische Militär, sollen als „Verteidigungsunion“ integriert werden, die wiederum in den Strukturen der NATO eingebettet sein soll.

Das NATO-Ziel, zwei Prozent des nationalen BIP zur Finanzierung von Verteidigungsausgaben zu verwenden, sieht die Union als „Untergrenze“.

Grüne für NATO- und EU-Beitritt der Ukraine und für „Friedenseinsätze“ im Ausland

Für den grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck sind 3,5 Prozent des BIP für Verteidigungszwecke „ungefähr das, was derzeit in der NATO als mittelfristiges Ziel diskutiert wird“, sagte Habeck Anfang des Jahres gegenüber dem „Spiegel“, „wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben, damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen.“ Wenn aber „in ein paar Jahren“ ein „vernünftiger Zustand“ für „Deutschlands Sicherheit“ erreicht sei, könne man „die Ausgaben wieder reduzieren“, so Habeck.

Im seinem Bundestagswahlprogramm (PDF) ist lediglich von „deutlich mehr als 2 Prozent“ die Rede, auch weil Deutschland und Europa gemeinsam und „unabhängig von der US-Politik mehr Verantwortung für ihre Sicherheit und darüber hinaus übernehmen“ müssten. Die USA sollen „trotz aller Unterschiede und Unsicherheiten“ der zentrale Partner Europas bleiben, der „europäische Pfeiler der NATO“ solle gestärkt werden.

„Mittelfristig“ bedürfe es für all das auch einer „höheren Kreditaufnahme“: „Wie zu Zeiten der Eurokrise und der Pandemie braucht es auch auf europäischer Ebene eine gemeinsame finanzielle Kraftanstrengung zur Friedenssicherung in Europa, wie es die Europäische Kommission vorgeschlagen hat“, heißt es im grünen Wahlprogramm.

Trotz Haushaltssorgen soll das deutsche Engagement in der Ukraine so lange andauern, bis die Menschen vor Ort wieder friedlich in „Freiheit, Sicherheit und Würde“ leben können. Aufnahmeanträge Kiews zur EU oder zur NATO würden die Grünen schon jetzt unterstützen. Überhaupt sieht die Ökopartei eine EU-Erweiterung positiv.

Um den „ökonomischen Druck auf das Regime“ Putins zu erhöhen und „unsere eigene Handlungsfähigkeit“ zu wahren, setzen die Grünen zudem auf „wirtschaftliche und sicherheitspolitische Maßnahmen“. Der Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes wolle man mit „Abrüstungsinitiativen und Rüstungskontrollen“ begegnen, das Ziel einer atomwaffenfreien Welt bleibe weiter „richtig“.

An internationalen „Friedenseinsätzen“ im Ausland sollen sich nach Vorstellung der Grünen auch Bundeswehrsoldaten beteiligen, sofern die Aufträge „in multilateralen Bündnissen verankert und in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet“ seien, „bei dem diplomatische, entwicklungspolitische und militärische Maßnahmen
ineinandergreifen“.

Eine „leistungsfähige europäische Rüstungsindustrie“, ein freiwilliger Wehrdienst und der Aufbau einer ausreichenden Reserve sind für die Grünen entgegen früherer Slogans („Frieden schaffen ohne Waffen“) längst kein Tabu mehr: „Für den potenziellen Verteidigungsfall braucht es schnelle Rekrutierungsmechanismen – unterstützt durch eine neue Form der Wehrerfassung, die auch den Zivil- und Heimatschutz stärkt“, heißt es auf Seite 65 des Wahlprogramms.

FDP will Bundeswehr stärken, Taurus-Raketen für Kiew liefern und dauerhaft auf russische Energie verzichten

Die FDP setzt in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl (PDF) dagegen nicht auf eine wie auch immer geartete Wehrpflicht. Stattdessen solle es bei einer „Freiwilligenarmee aus Aktiven und einer starken Reserve“ bleiben. Allerdings wollen die Liberalen „eine nationale Datenbank zur Erfassung wehrfähiger Männer und Frauen“ einrichten (Seite 47).

Sollte die FDP in den Bundestag einziehen, so werde sie sich dafür einsetzen, die Bundeswehr „zur stärksten konventionellen Streitkraft in Europa“ auszubauen. „Unser langfristiges Ziel ist der Aufbau einer Europäischen Armee, auch als ein integraler Bestandteil der Stärkung des europäischen Pfeilers innerhalb der NATO“. Darin solle Deutschland als „starker Kooperationspartner für kleinere europäische Partner“ dienen, und zwar „in enger Abstimmung mit Frankreich“.

Zum westlichen Militärbündnis bekennt sich die FDP „uneingeschränkt“. Deshalb werde man auch BIP-Quoten von mehr als 2 Prozent für die Verteidigung ausgeben, sofern die NATO dies wünsche. Engster Verbündeter seien die USA.

Grenzen für das deutsche Engagement in der Ukraine sieht die FDP weder bei Geld- noch bei Waffenlieferungen. Die „unverzügliche Lieferung des Marschflugkörper Taurus“ wird im Wahlprogramm ausdrücklich gefordert. Der Finanzbedarf solle „innerhalb der NATO/EU/G7-Staaten insbesondere auch durch die Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte“ gedeckt werden, „soweit dies rechtlich möglich“ sei. „Gleichzeitig unterstützen wir perspektivisch ihren Beitritt zu EU und NATO“, ist auf Seite 46 zu lesen.

Gegenüber Russland setzt sich die FDP „konsequent für Wirtschaftssanktionen inklusive eines möglichst umfangreichen Handelsembargos“ ein. Dazu sollen „diplomatische Maßnahmen, Visaentzüge gegen die russische Führung und weitere Verantwortliche“ kommen. EU-weit werde man sich als Liberale für den völligen Verzicht auf russische Energielieferungen einsetzen



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