Visum-Affäre: Auswärtiges Amt im Visier der Staatsanwaltschaft

Mitarbeiter des Auswärtigen Amts stehen im Verdacht der Rechtsbeugung: Sie sollen versucht haben, die Botschaft in Pakistan zur Ausfertigung von Einreisepapieren gedrängt zu haben, obwohl die Identität eines Antragstellers nicht zu belegen war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
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Archivbild: Gab es im „Auswärtigen Amt“ zu Berlin einen Fall von Rechtsbeugung zugunsten eines afghanischen Einreisewilligen?Foto: iStock
Von 21. Juli 2023

Das Auswärtige Amt scheint ein großes Interesse daran zu haben, die Einreise von Afghanen nach Deutschland zu genehmigen, selbst wenn diese ihre Identität nicht zweifelsfrei nachweisen können. Das geht aus einem aktuellen Artikel des „Business Insider“ hervor. Demnach ermittele die Staatsanwaltschaft Berlin derzeit wegen Verdachts auf Rechtsbeugung unter anderem gegen den Leiter des Referats für Visumrecht in Annalena Baerbocks Außenministerium.

Nach aktuellen Recherchen des „Business Insiders“ hatte im Dezember 2022 wohl nicht nur dieser Referent die deutsche Botschaft in Islamabad (Pakistan) mit Nachdruck angewiesen, einem gewissen Mohammed Ali G. ein Visum für Deutschland auszustellen, obwohl er seine Identität nicht nachweisen konnte. Auch „ein ranghöherer Mitarbeiter“ des Auswärtigen Amtes (Organigramm: PDF) soll sich für die Wünsche des auswanderungswilligen jungen Mannes starkgemacht haben, nachdem die Auslandsvertretung in Islamabad der Anweisung des Visa-Referatsleiters aus Berlin nicht nachgekommen war.

Dieser ranghöhere Mitarbeiter soll den Botschaftsmitarbeitern per E-Mail einen „Denkfehler“ bescheinigt haben: „Der Denkfehler in Ihrer nachstehenden Analyse liegt darin, dass sie unzutreffend davon ausgeht, dass in diesem Fall die Klärung Sache der Botschaft sei“, soll es in der Mail geheißen haben. Außerdem habe der ranghohe Beamte darauf bestanden, dass ein Visum „nicht für einen Pass, sondern für einen Menschen erteilt“ werde.

Mit anderen Worten: Das Auswärtige Amt wollte die Einreiseerlaubnis für den Antragsteller unbedingt durchsetzen – über die Köpfe ihrer zweifelnden Botschaftsvertreter hinweg. Der Mailverkehr soll dem „Business Insider“ vorliegen.

Inwiefern noch weitere, eventuell noch höherrangige Kräfte des Außenministeriums in den Fall involviert sein könnten, ist zurzeit unklar. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es gegenüber der Epoch Times:

Dem Auswärtigen Amt sind lediglich Medienberichte über Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft bekannt. Die Staatsanwaltschaft hat bisher keinen Kontakt zu uns in dieser Angelegenheit aufgenommen. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir uns grundsätzlich nicht zu Details oder personellen Entscheidungen zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern äußern, die keine leitenden und öffentlichen Positionen innehaben.“

Private Anzeige gegen unbekannt

Die Geschichte dahinter war im Februar 2023 nach gemeinsamen Recherchen des Magazins „Cicero“ und der „Nürnberger Nachrichten“ an die Öffentlichkeit gelangt. Daraufhin hatte eine Privatperson Strafanzeige gegen unbekannt bei der Berliner Staatsanwaltschaft gestellt. Nach Angaben der „Berliner Zeitung“ soll es sich beim Anzeiger um einen „ehemaligen Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums“ handeln.

Die Staatsanwaltschaft Berlin habe daraufhin im Juni 2023 „unter dem Aktenzeichen 235 UJs 848/23 Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung eingeleitet“, schreibt der „Business Insider“.

AfD-Fraktion zeigt Referatsleiter an

Bei der Staatsanwaltschaft Berlin wird nach Informationen des „Business Insider“ bereits seit „Ende Mai“ unter dem Aktenzeichen 235 Js 3173/23 auch ganz konkret gegen jenen Visum-Referatsleiter ermittelt, der die deutsche Botschaft in Islamabad unter Druck gesetzt haben soll. Hintergrund soll nach Angaben der Zeitung eine Strafanzeige der AfD-Fraktion im Bundestag sein.

Womöglich gehen derzeit also zwei Ermittlungsverfahren in dieselbe Richtung. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin wollte auf Nachfrage der Epoch Times erwartungsgemäß ebenfalls keine näheren Angaben zu einem der beiden Verfahren machen – „zum Schutze der laufenden Ermittlungen“.

Die Vorgeschichte

Am Anfang der Geschichte steht nach Informationen des Magazins „Cicero“ der afghanische Flüchtling Khan G. Er lebe seit 2014 in Deutschland. Obwohl er weder eine Asylberechtigung noch einen Flüchtlingsschutz noch „subsidiären Schutz“ genieße, bestehe für ihn ein „nationales Abschiebeverbot“ wegen der „Gefahr für Leib und Leben“, berichtete das Magazin. Bei dieser „geringste[n] Schutzform“ des deutschen Asylrechts gebe es eigentlich keine „Möglichkeit des Familiennachzugs“. Ein solcher Familiennachzug sei zudem „nur für Ehepartner, Kinder und Eltern von Minderjährigen“ gedacht.

Gleichwohl habe Khan G. im Oktober 2022 versucht, eine Einreiseerlaubnis für seinen angeblich 14-jährigen kleinen Bruder Mohammed Ali G. beim Verwaltungsgericht Berlin zu erwirken. Der Jugendliche habe sich eine Augenverletzung durch Bombensplitter zugezogen und sei nun allein, obdachlos und ohne Papiere in Pakistan unterwegs, habe Khan G. mithilfe einer Dolmetscherin und „in Begleitung einer Kanzlei für Migrationsrecht“ zu Protokoll gegeben, berichtete der „Cicero“.

Das Auswärtige Amt habe dem Ansinnen per Vergleich zugestimmt, „sofern eine erneute Sicherheitsabfrage keine Bedenken“ ergeben sollte.

Weil Deutschland in Afghanistan seit dem Abzug der westlichen Militärtruppen keine Visa-Stelle mehr unterhält, sind die Botschaften in Pakistan und im Iran nach Informationen des „Cicero“ in der Regel die ersten Anlaufstellen für Menschen, die den herrschenden Taliban entkommen wollen.

Vermeintlicher Mohammed Ali G. tritt bei Botschaft in Erscheinung

In der Tat soll bei der Deutschen Botschaft in Islamabad (Pakistan) ein junger Mann aufgetaucht sein, der sich als Mohammed Ali G. und Bruder von Khan G. vorgestellt und ein Deutschland-Visum beantragt habe.

Doch seine Fluchtgeschichte und seine Aussagen über Alter, Identität und Verwandtschaftsbeziehungen in Deutschland seien den Mitarbeitern der Auslandsvertretung unglaubwürdig vorgekommen: Er habe ausgesagt, aus Afghanistan zu stammen, 14 Jahre alt zu sein und „bei einem Bekannten in Islamabad zu leben“. Von Obdachlosigkeit oder einer Augenverletzung habe der Antragsteller nichts erwähnt. Nun wolle er per Härtefallregelung nach Deutschland, um dort bei seinem älteren Bruder Khan G. zu leben. Dabei habe er nach Informationen der „Bild“ einen gefälschten Pass vorgelegt.

Nach Einschätzung der Botschaftsangehörigen in Islamabad war der Antragsteller augenscheinlich eher 17 bis 20 Jahre alt. Nach Informationen des „Cicero“ hätten seine teure westliche Kleidung und sein gepflegtes Äußeres nicht zur Fluchtgeschichte gepasst. Auch von einer Augenverletzung sei nichts zu sehen gewesen. Zudem habe sein Dialekt eher auf eine pakistanische Sozialisierung hingedeutet. Die Existenz eines älteren Bruders in Deutschland erschien den Diplomaten ebenfalls zweifelhaft. Wegen der Vorlage des gefälschten Passes habe sich die Botschaft „getäuscht“ gefühlt.

Visum-Referent drängt auf Papiere

Als die Botschaft den Visumsantrag von Mohammed Ali G. folgerichtig ablehnte, habe sich allerdings postwendend das Außenministerium eingeschaltet: „An der Identität […] bestehen nach der ausführlichen Befragung des Bruders in der mündlichen Verhandlung eigentlich keine Zweifel, falscher Pass hin oder her“, hieß es in einer E-Mail, die die „Bild“ am 25. April 2023 anonymisiert veröffentlicht hatte. Es sei „keine Überraschung“, dass ein fluchtwilliger Antragsteller aus Afghanistan einen falschen Pass vorlege.

Die Nachricht stammte laut „Bild“ von eben jenem Leiter des Referats für Visumrecht im Auswärtigen Amt, gegen den inzwischen Ermittlungen laufen.

Die Botschaft habe der Anweisung wegen vermuteter Rechtswidrigkeit nicht Folge geleistet. Daraufhin soll nach Informationen des „Business Insider“ eine Anweisung aus Berlin erfolgt sein, Mohammad G. einen Ersatzreisepass für Ausländer („Rafa“) ausfertigen zu lassen. Die Botschaft habe dem dafür zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg (Bamf), das Nancy Faesers Bundesinnenministerium untersteht, in einem Begleitschreiben „nachdrücklich“ davon abgeraten, berichtete der „Business Insider“ unter Verweis auf den entsprechenden Schriftwechsel.

Als Mohammed Ali G. später noch einmal in der deutschen Botschaft Islamabad erschienen sei, soll er nach Angaben des „Cicero“ versucht haben, die Gebühr für seinen Ersatzreisepass „mit Falschgeld zu bezahlen“.

Khan G.: Verstoß gegen Aufenthaltsgesetz?

Seit dem 17. Januar laufen laut „Bild“ auch polizeiliche Ermittlungen gegen Khan G. „wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz“, wie der „Cicero“ präzisiert. Die Staatsanwaltschaften in Berlin (Aktenzeichen 255 Js 76/23) und in Eberswalde (Aktenzeichen 200 Js 2713 / 23) seien mit dem Fall betraut. Auch hier ist über den Stand der Ermittlungen bislang nichts bekannt.

Was aus Mohammed Ali G. geworden ist, bleibt vorerst unklar. Entsprechende Anfragen der Epoch Times an die Botschaft in Islamabad und an das Außenministerium blieben bislang unbeantwortet.

Baerbock verzichtete lange auf höhere Sicherheitsstandards

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte es lange Zeit wohl recht großzügig mit den Einreisewünschen aus Afghanistan gehandhabt: Wie der „Cicero“ schon im Mai berichtete, sträubte sie sich gegen Forderungen aus dem Bundesinnenministerium, höhere „Sicherheitsstandards bei der Aufnahme von angeblich gefährdeten Afghanen“ zu etablieren.

Erst im März 2023 habe sie auf Druck eines „Cicero“-Berichts ihr recht lockeres „Bundesaufnahmeprogramm“ „vorübergehend“ eingestellt, bei dem auch der migrationsfreundliche Seenotretterverein „Mission Lifeline“ eine Rolle gespielt habe. Seitdem setze ihr Ministerium auf eine „zusätzliche Sicherheitsbefragung“, „um Täuschungsversuche zu unterbinden“.



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