Verfassungsschutz schlägt Alarm: Missbrauchsgefahr bei Visumanträgen
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sieht in der aktuellen Praxis zur Aufnahme afghanischer Staatsbürger wegen einer „deutlich erhöhten“ Missbrauchsgefahr offenbar Sicherheitsrisiken für die Bundesrepublik Deutschland.
Der „Business Insider“ (BI) hatte als erstes Medium darüber berichtet. Als Quelle nannte die Zeitung (Bezahlschranke) einen vertraulichen Evaluierungsbericht von Anfang September 2024. Die Auswertung sei vom Leiter der Abteilung 6 des BfV, Dr. Klaus Rogner, auf Erlass des Bundesinnenministeriums (BMI) verfasst worden – „abgestimmt mit den weiteren Sicherheitsbehörden“. Rogner sei beim BfV zuständig für die Abwehr von „Islamismus und islamistischem Terrorismus“.
Wie das interne Schreiben des Verfassungsschützers an die Zeitung gelangt war, geht aus dem BI-Artikel nicht hervor.
NGOs in Vorauswahlverfahren eingebunden
Nach Angaben der „Welt“ kritisierte BfV-Abteilungsleiter Rogner in seinem Bericht die Missbrauchsgefahr der Afghanistanprogramme des Bundes als „im Allgemeinen […] hoch und im Vergleich zu anderen Verfahren als deutlich erhöht“.
Es sei als „problematisch zu bewerten“, wenn „staatliche Aufgaben auf nichtstaatliche Organisationen mit eigener politischer Agenda“ verlagert würden. Durch die Vorauswahl der Flugpassagiere mithilfe von NGOs stehe zu befürchten, „dass eine Einflussnahme der pakistanischen oder afghanischen Behörden auf die NGOs und Antragstellenden“ erfolge.
Somit bestehe „offensichtlich“ die Gefahr, dass „Personen in das Verfahren aufgenommen“ würden, die den Grundwerten der Bundesrepublik entgegenstünden „und nicht zuletzt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland darstellen könnten“. Konkret erwähne Rogner „Scharia-Richter“.
Nach „Welt“-Informationen hatte das BMI auf Anfrage des „Business Insider“ jüngst eine „Möglichkeit der Einflussnahme von außen auf die am Verfahren beteiligten Stellen“ eingeräumt – auch durch fremde Geheimdienste:
Die Motivlage hierzu kann je nach Akteur unterschiedlich gestaltet sein, bspw. aus allgemeinkriminellen Motiven heraus oder aber aufgrund nachrichtendienstlicher Zielsetzungen.“
BfV bestätigt: Schriftliche Nachweise oft fragwürdig
Ein weiterer Kritikpunkt des Verfassungsschützers betrifft nach Angaben der „Welt“ die „prekäre und teils unübersichtliche Dokumenten- und Urkundenlage“, mit denen sich die deutschen Behörden auseinanderzusetzen hätten. Es bestehe eine „hohe Anfälligkeit für Fälschungen“ von Papieren wie Identitätsnachweisen, Ehestandspapieren oder Arbeitsbescheinigungen. „Familienzusammengehörigkeiten“ seien „oftmals nicht historisch belegbar“. Die dadurch notwendigen „genetischen Testungen“ seien aufwändig und verursachten hohe Kosten.
Wie Rogner nach Angaben des Nachrichtenportals „Tichys Einblick“ zudem bemängelt habe, würden sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als auch das Auswärtige Amt (AA) trotz all dieser Umstände darauf verzichten, Antragsteller mit gefälschten Papieren von der deutschen Visastelle vor Ort ablehnen zu lassen, sofern es sich nicht um „Passdokumente“ handele. Das sei nicht im Sinn der Sicherheitsbehörden:
Während das Auswärtige Amt sowie das BAMF […] in der Regel im Rahmen der alternativen Glaubhaftmachung versuchen, die inhaltliche Echtheit der Unterlagen zu bestätigen, machen die Sicherheitsbehörden aufgrund falscher Angaben Sicherheitsbedenken geltend.“
AA setzt auf Prinzip der „alternativen Glaubhaftmachung“
Bereits im Juli 2024 hatte der „Business Insider“ (Bezahlschranke) berichtet, dass das Außenministerium unter Annalena Baerbock (Grüne) viele deutsche Botschaften gegen den Widerstand mancher Mitarbeiter schriftlich dazu angewiesen haben soll, Visavergaben nicht mehr von den eingereichten amtlichen Dokumenten abhängig zu machen.
Eine „Ablehnung allein aufgrund nicht vorliegender Belege“ sei „nicht möglich“, habe das AA seinerzeit argumentiert. Insbesondere in Staaten mit unzuverlässigem Dokumentenwesen genüge deshalb das Prinzip der „alternativen Glaubhaftmachung“, zum Beispiel per Impf- oder Schülerausweis, Hochzeitsfoto oder Zeugenaussage.
Nach Informationen des „Cicero“ hatten das BMI und das AA im Frühjahr 2023 vereinbart, das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für Afghanistan vorübergehend ruhen zu lassen und obligatorische „Sicherheitsinterviews“ vor Ort einzuführen. Gegen diese Auflage habe sich Außenministerin Baerbock zuvor monatelang gewehrt, auf Druck des BMI aber nachgegeben. Nach Angaben von „Tichys Einblick“ sind die Sicherheitsinterviews fester Bestandteil des BAP-Verfahrens, seit das Aufnahmeprogramm im Juni 2023 wieder angerollt war.
Ermittlungen gegen AA-Mitarbeiter laufen seit Jahren
Wenige Wochen danach war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung unter anderem gegen den Leiter des AA-Referats für Visumrecht ermittelt. Das AA bestätigte bislang drei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Berlin und Cottbus gegen verschiedene Ministeriumsmitarbeiter.
Über den Stand der Ermittlungen ist Anfang Februar 2025 noch nichts bekannt. Die Staatsanwaltschaften verweisen stets darauf, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien.
BMI: „Sicherheit hat oberste Priorität“
Auf Anfrage der Epoch Times erklärte ein Sprecher des BMI, dass Sicherheit in den Aufnahmeverfahren grundsätzlich die „oberste Priorität“ habe:
Die Erklärung einer Aufnahme setzt voraus, dass die strengen Aufnahme- und Sicherheitskriterien erfüllt werden. Alle Aufnahmezusagen stehen unter dem Vorbehalt, dass sich im weiteren Verfahren keine sicherheitsrelevanten Erkenntnisse ergeben und das Visumverfahren erfolgreich durchlaufen wird.“
Falls in irgendeinem Verfahrensschritt Bedenken laut würden, würden auch bereits erteilte Aufnahmezusagen aufgehoben. „Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es keine Fälle, in denen Personen im Rahmen der Aufnahmen aus Afghanistan trotz Sicherheitsbedenken eingereist sind“, so der BMI-Sprecher. Darüber hinaus äußere sich das BMI „grundsätzlich nicht zu internen Schreiben“.
BAP: 45.000 afghanische Staatsbürger sollen nach Deutschland kommen
Neben „humanitärer Hilfe vor Ort“ soll das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan 25.100 „ehemaligen Ortskräften“ sowie 19.900 weiteren „besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen“ und ihren jeweils engsten Familienangehörigen die Einreise nach Deutschland ermöglichen. Stand April 2024 waren laut BAP-Website über 33.000 afghanische Staatsbürger nach Deutschland gelangt. Das Programm soll bis zum Ende der Legislatur aufrechterhalten werden.
Bei der Umsetzung arbeite man „eng“ mit „zivilgesellschaftlichen Organisationen“ zusammen, wie einer gemeinsamen Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes und des BMI vom 17. Oktober 2022 zu entnehmen ist.
2.100 Afghanen haben derzeit Zusagen für Ausreise nach Deutschland
Außenministerin Baerbock hatte am 31. Januar 2025 während der Debatte um das Zustrombegrenzungsgesetz gesagt, dass die Bundesregierung zurzeit „gar keine Afghanen mehr raushole“: Die Taliban hätten „alles abgeriegelt“ (Video auf „bundestag.de“).
Auf Anfrage der „Bild“ hatte das AA jedoch kurz darauf mitgeteilt, dass die Bundesregierung noch immer „besonders schutzbedürftige Personen“ aus Afghanistan einfliege. Rund 2.100 Betroffene seien derzeit im Besitz einer Aufnahmezusage. 1.600 von ihnen warteten in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad auf den Lift-off. Das AA habe betont, die Einreise verlaufe „nach strengen Sicherheitsmaßstäben“.
Nach Angaben der BAP-Website unterstützt die Bundesregierung „auch die fortgesetzte Unterbringung und bedarfsabhängige medizinische Versorgung während des Ausreiseverfahrens in Pakistan“.
BMI: Rückführungen sollen „schnellstmöglich“ erfolgen
Erst vor Kurzem hatte der Fall eines ausreisepflichtigen, abgelehnten Asylbewerbers aus Afghanistan Schlagzeilen gemacht, der im Landkreis Bad Kreuznach monatlich über 40.000 Euro Kosten für seine Bewachung verursacht. Lokale und regionale Politiker baten den Bund um Unterstützung zu seiner Abschiebung.
Der bislang einzige Abschiebeflug mit 28 afghanischen Passagieren hatte Ende August kurz vor den Landtagswahlen von Sachsen und Thüringen stattgefunden.
Ein BMI-Sprecher teilte der Epoch Times mit, sein Ministerium sei heute wie damals dabei, eine solche Maßnahme „schnellstmöglich“ über einen „regionalen Schlüsselpartner zu ermöglichen“. Nach Daten des Ausländerzentralregisters seien zum Stichtag 31. Dezember 2024 insgesamt 10.848 afghanische Staatsangehörige vollziehbar ausreisepflichtig, darunter 9.294 Geduldete.
„Vielzahl externer Faktoren“ entscheidend
Bis zum Start eines Flugzeugs müssten „alle rechtlichen, tatsächlichen und logistischen Voraussetzungen“ erfüllt sein, so der Sprecher. Insbesondere im Falle Afghanistans hänge dies „von einer Vielzahl externer Faktoren wie der Kooperation mit Drittstaaten, Fluggenehmigungen und weiterem ab“. Für die Priorisierung der Fälle und die Vorbereitung der Rückführungsmaßnahmen seien die Bundesländer zuständig.
Das gelte auch für den „Vollzug des Aufenthaltsrechts“ im Fall Bad Kreuznach. Die Frage, ob der Mann über ein Aufnahmeprogramm des Bundes nach Deutschland gelangt sei, ließ der BMI-Sprecher unbeantwortet: Das BMI äußere sich „grundsätzlich nicht zu Einzelsachverhalten“.
Offene Fragen an das Außenministerium
Die Epoch Times hat am Morgen des 6. Februar 2025 auch beim AA nachgehakt. Wir wollten unter anderem wissen, wie das Amt zum Evaluationsbericht des BfV-Abteilungsleiters steht und ob beziehungsweise wann die Bundesregierung diplomatische Beziehungen zu der afghanischen Regierung aufnehmen möchte. Bis zum Nachmittag lagen noch keine Antworten vor.
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