U-Ausschuss-Vorsitzender zum Atomausstieg: „Wir müssen heute feststellen, dass es diese ergebnisoffene Prüfung nie gegeben hat“

Der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg ist im Bundestag offenbar zu der Überzeugung gelangt, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck 2022 keine ergebnisoffene Prüfung darüber durchgeführt hatte, ob die deutschen Kernkraftwerke länger am Netz bleiben sollten. SPD und Grüne sehen dagegen keine Beweise.
Titelbild
Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 16. Januar 2025

Der Bundestagsuntersuchungsausschuss zum Atomausstieg hat schon vor seiner letzten Sitzung am 16. Januar 2025 ein vernichtendes Urteil gefällt. Der U-Ausschuss hatte darüber zu befinden, ob Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) 2022 tatsächlich eine ergebnisoffene Prüfung zur Frage durchgeführt hatte, ob die deutschen Kernkraftwerke länger als geplant am Netz bleiben sollten.

Noch vor der abschließenden Befragung von Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) griff der U-Ausschuss-Vorsitzende Dr. Stefan Heck (CDU) die Arbeit des Bundesministeriums für Umwelt- und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministeriums für Umwelt- und Verbraucherschutz (MUV) an:

Wir müssen heute feststellen, dass es diese ergebnisoffene Prüfung nie gegeben hat. Im Gegenteil, es war ein großangelegtes Täuschungsmanöver, das offenbar gut orchestriert in den beiden Häusern im BMWK, aber auch im BMUV dort aufgeführt worden ist.“

Es habe zwar „immer wieder Hinweise, fachliche Einschätzungen von Referenten und Referatsleitern“ zur Untersuchungsfrage gegeben. „Positive Voten“ seien allerdings „in der Schublade verschwunden“, Akten seien „einfach liegen geblieben“. Falls Unterlagen dennoch „die politische Ebene erreicht“ hätten, seien sie „so abgeändert worden, dass sie der politischen Richtung der Ideologie von Robert Habeck und anderen entsprechen“, erklärte Heck vor der Presse.

Am Nachmittag will der Ausschuss bei der Befragung von Habeck und Scholz speziell auf die Rolle von Habecks ehemaligem Staatssekretärs Robert Graichen zu sprechen kommen, kündigte Heck an. Dieser habe „offenbar dieses ganze Vorgehen koordiniert“, so Heck.

Graichen war Mitte Mai 2023 von Robert Habeck entlassen worden. Als Grund hatte der Wirtschaftsminister damals zwei Verstöße Graichens gegen das Gebot der Richtlinientreue angegeben.

Habeck selbst betonte zu Beginn seiner Anhörung, dass sein Ziel „immer die Versorgungssicherheit für unser Land“ gewesen sei. „Anhand dieser Richtschnur habe ich gearbeitet.“ Dies sei auch letztlich erfolgreich gewesen. Deutschland habe aber „einen hohen Preis für die bewusst herbeigeführte Abhängigkeit von russischem Gas bezahlt“.

Obmänner von CSU und FDP sehen Habecks Anteil kritisch

Dr. Andreas Lenz, der Ausschuss-Obmann der CSU, hatte vor der Anhörung von einer „Täuschungsmaschinerie“ gesprochen – sowohl im Umweltministerium, „wenn’s um die Vermerke geht“, als auch im Wirtschaftsministerium, „wenn’s um die eigenen Leute ging“. So habe Graichen etwa „an die Freunde des geordneten Atomausstiegs“ geschrieben.

Außerdem habe es eine Anweisung gegeben, nach der die Versorgungssicherheit so zu prüfen sei, „dass die drei Kernkraftwerke eben nicht gebraucht“ würden. „Für uns sind die Indizien da sehr, sehr eindeutig“, so Lenz.

Unklar sei noch, ob Habeck selbst „Teil der Täuschungsmaschinerie“ gewesen sei oder ob er aus seinem oder anderen Ministerien getäuscht worden sei. Beide Optionen sprächen „nicht unbedingt für den Bundeswirtschaftsminister“.

Frank Schäffler, FDP-Obmann im U-Ausschuss, verwies auf einen Schriftwechsel zwischen Habeck und Graichen, den die beiden in der Nacht vor der Ansage des Kanzlers, die drei letzten deutschen KKWs noch bis Mitte April 2023 laufen zu lassen, geführt hätten. Bestimmte Passagen daraus fänden sich in ebendieser Richtlinienentscheidung des Kanzlers wider. „Deshalb liegt es nahe, dass die beiden darüber gesprochen haben“, so Schäffler.

SPD und Grüne sehen keine Beweise

Jakob Blankenburg, der für die SPD die Rolle des Obmanns im U-Ausschuss bekleidet, erklärte, dass Habeck „außergewöhnlich intensiv und persönlich in vielen Vorgängen involviert“ gewesen sei. Insofern erwarte man sich am Nachmittag „Aufklärung darüber, warum er Bedenken gegenüber seinem Plan, die Atomkraftwerke in eine sogenannte ‚Einsatzreserve Atom‘ zu schicken, beiseite gewischt“ habe.

„Es wirkt teilweise so, als hätte er nicht die Kraft gehabt, einen tatsächlichen Streckbetrieb dann auch politisch zu vertreten gegenüber seiner Partei und seiner Fraktion“, sagte Blankenburg vor der Presse. Vielmehr sehe es so aus, als habe Habeck dafür „das Kanzlermachtwort gebraucht“. Beweise für ein Fehlverhalten gebe es aus seiner Sicht aber nicht.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Lukas Benner, ebenfalls als Obmann im Ausschuss, wies die Vorwürfe gegen seinen Kanzlerkandidaten zurück. Es gebe „keinerlei Beweise dafür, dass nicht ergebnisoffen geprüft“ worden sei. Die Vorwürfe hätten sich „in keiner Weise bestätigt“. Im Gegenteil habe die Bundesregierung, an voran Habeck, „alles Nötige getan, dieses Land durch diese Krise zu bringen“.

Auch der Grünen-Politiker Konstantin von Notz hatte am Morgen im Deutschlandfunk erklärt, dass die Bundesregierung die Entscheidung zum Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken aus seiner Sicht ergebnisoffen geprüft habe. Das gehe aus den Akten und auch aus Gutachter-Aussagen hervor. Am Ende sei ein „politischer Kompromiss gefunden“ worden.

Bundestagsdebatte am 30. Januar

Der Ausschussvorsitzende Heck hatte schon vor der Befragung von Habeck und Scholz eine abschließende Debatte im Bundestag für den 30. Januar 2025 angekündigt. Noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar werden man den Abschlussbericht an die Präsidentin des Deutschen Bundestages überreichen.

Der Untersuchungsausschuss hatte auf Betreiben der Unionsfraktion seine Arbeit mit dem Einsetzungsbeschluss im Deutschen Bundestag am 4.Juli 2024 aufgenommen. Seit Oktober waren laut Heck insgesamt 40 Zeugen zur Beweisaufnahme angehört und 350.000 Aktenblätter ausgewertet worden.

 



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