Union, SPD und Grüne beschließen gigantische Neuverschuldung – so verlief die Debatte

Der Bundestag hat mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen heute mehrere Änderungen im Grundgesetz beschlossen. Für die Vorlage stimmten 513 Abgeordnete, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) mitteilte. 207 stimmten mit Nein, Enthaltungen gab es keine. Erforderlich waren mindestens 489 Stimmen.
Die Grundgesetzänderungen können in Kraft treten, wenn auch der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmt. Die Abstimmung in der Länderkammer ist für diesen Freitag vorgesehen.
Geplant ist die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und für die Länder. Zudem soll ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 eingerichtet werden.
Noch zu Beginn der Sitzung hatten FDP und AfD versucht, die Abstimmung am heutigen Tag von der Tagesordnung zu nehmen. Die Gesetzentwürfe waren am 13. März in der ersten Lesung im Bundestag beraten und dann in den Haushaltsausschuss verwiesen worden. In wenigen Tagen wurde dort am Sonntag abschließend über beide Gesetzentwürfe beraten. Mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen beschloss der Haushaltsausschuss nach einer über vierstündigen Sitzung die Änderungen im Grundgesetz.
FDP und AfD wollten Sitzung heute verhindern
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel, begründete den Antrag seiner Fraktion heute mit dem Zeitdruck, unter dem die Änderungen im Grundgesetz „im dramatischen Schweinsgalopp“ beschlossen werden soll. Die Abgeordneten, so Vogel, hätten nicht die Zeit gehabt, sich so mit den Anträgen zu beschäftigen, dass man heute mit gutem Gewissen abstimmen kann. In seiner Einbringung stellte der FDP-Bundestagsabgeordnete fest, dass auf der Sitzung des Haushaltsausschusses die Abgeordneten der Union und SPD die Nachfragen der anderen Ausschussmitglieder nicht zufriedenstellend beantworten konnten.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, verwies in der Einbringung seines Antrags darauf, dass etwa erst am Samstag der am Freitag mit den Grünen ausgehandelte Klimaschutz in die Gesetzentwürfe aufgenommen wurde. Darauf habe die AfD im Haushaltsausschuss die Absetzung der Abstimmung beantragt, da zu diesem Punkt, der am Donnerstag bisher nicht Bestandteil der Gesetzentwürfe gewesen ist, keine Anhörung im Bundestag erfolgt sei. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helge Braun (CDU) habe diesen Antrag aber abgelehnt. Auch Baumann verwies noch einmal darauf, dass aus seiner Sicht die Bundestagsabgeordneten viel zu wenig Zeit gehabt hätten, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Die Mehrheit des Bundestags folgte am Ende beiden Anträgen nicht. Der SPD-Politiker Johannes Fechner hatte zuvor in der Erwiderung auf die Anträge von FDP und AfD betont, dass das Bundesverfassungsgericht die verschiedenen Eilanträge gegen die Sondersitzung des Bundestags abgelehnt habe. Insofern, so die Argumentation Fechners, dürfe der Bundestag heute sehr wohl die Änderungen im Grundgesetz beschließen.
„Handlungsfähigkeit der demokratischen Mitte“
Als Erstes redete heute Vormittag SPD-Fraktions- und Parteichef Lars Klingbeil. Klingbeil forderte mehr Eigenständigkeit Europas in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Angesichts eines aggressiven Russlands und unberechenbarer USA sei die transatlantische Partnerschaft zwar wichtig, doch Europa müsse unabhängiger werden und seine eigene Sicherheit gewährleisten. Deutschland solle dabei eine führende Rolle übernehmen.
Der SPD-Fraktionschef lobte in seiner Rede noch einmal den parteiübergreifenden „historischen Kompromiss“ mit Union und Grünen als Beweis für die Handlungsfähigkeit der demokratischen Mitte. Dies sende ein starkes Signal, dass in Deutschland über Parteigrenzen hinweg konstruktive Lösungen gefunden werden können.
Zudem forderte Klingbeil einen Mentalitätswandel: Investitionen allein reichten nicht aus, Deutschland benötige eine umfassende Modernisierung. Bürokratische Hürden müssten abgebaut und Prozesse beschleunigt werden – die „Deutschlandgeschwindigkeit“ bei Windkraftanlagen solle als Standard für alle Bereiche gelten. Es müsse wieder attraktiver werden, Unternehmen zu gründen, Vereine zu leiten oder Häuser zu bauen. Der Staat müsse effizienter handeln, um wirtschaftliches und gesellschaftliches Engagement zu erleichtern, so Klingbeil als Begründung für die Einbringung der Grundgesetzänderungen.
Solche Verschuldung nur unter ganz besonderen Umständen
Auch der Unionsfraktionschef Friedrich Merz sprach noch einmal von der außergewöhnlichen Situation, in der sich die Welt im Moment befinde. „Eine solche Verschuldung lässt sich nur unter ganz besonderen Umständen und auch nur zu ganz bestimmten Bedingungen eine Rechtfertigung finden“, so Friedrich Merz. Diese Umstände würden vor allem vom russischen Angriffskrieg gegen Europa bestimmt. „Es ist ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet, mit Angriffen auf unsere Datennetze, mit der Zerstörung von Versorgungsleitungen, mit Brandanschlägen, mit Auftragsmorden mitten in unserem Land“, sagte der Fraktionschef.
Von der Entscheidung heute hänge die deutsche Verteidigungsfähigkeit ab, betonte Merz. „Unsere Verbündeten in der NATO und der Europäischen Union schauen heute ebenso auf uns wie unsere Gegner und wie die Feinde unserer demokratischen und regelbasierten Ordnung.“
Zugleich rechtfertigte Merz die Aufnahme der Klimaneutralität bis 2045 in das Grundgesetz, wie es die Grünen als Voraussetzung für die heutige Zustimmung eingefordert hatte. Diese stelle keinen Politikwechsel dar. „Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2021 hat auch der Klimaschutz Verfassungsrang“, so Merz. „Wenn heute das Wort ‚Klimaneutralität‘ im hinteren Teil des Grundgesetzes noch einmal auftaucht“, dann sei das „kein neues Staatsziel“, so Merz.
Union mit „populistischer Überheblichkeit“ agiert
Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann verteidigte die Zustimmung ihrer Fraktion zum Finanzpaket und kritisierte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz scharf. Sie warf der Union vor, dringend notwendige Investitionen lange blockiert und stattdessen behauptet zu haben, Deutschland habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem.
Zudem habe die Union Grüne und SPD diffamiert und mit populistischer Überheblichkeit agiert. Dennoch sei es richtig, jetzt zu handeln, da man gegenüber künftigen Generationen in der Verantwortung stehe. Trotz der vorherigen Auseinandersetzungen sei sie froh über die nun getroffene Entscheidung.
Schuldenbremse ist kein Selbstzweck
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hielt heute seine letzte Rede im Bundestag. Seine Partei wird im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein. Dürr warf Union und SPD „hemmungslose Schuldenmacherei“ vor. „Herr Kollege Merz, statt einer Großen Koalition haben wir jetzt eine SchuKo, eine Schuldenkoalition, die den Wohlstand von morgen für kurzfristige Wahlgeschenke bereit ist zu opfern. Herr Merz, Sie führen in Zukunft die erste Schuldenkoalition der Bundesrepublik Deutschland“, so der FDP-Politiker in Richtung von Friedrich Merz.
Die FDP habe gehofft, so Dürr, dass die Grünen das Paket noch einmal besser machten. „Leider mussten wir uns dann vom Gegenteil überzeugen“, stellte Dürr fest. Es sei schlechter geworden für die Menschen in Deutschland. „Für die Freien Demokraten ist die Schuldenbremse kein Selbstzweck. Sie schützt die Generationen unserer Kinder und Enkel vor politischer Handlungsunfähigkeit“, so der FDP-Fraktionschef.
CDU hat Glaubwürdigkeit komplett verspielt
Scharfe Kritik an der Schuldenpolitik von Union und SPD kam auch von AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla. „Der abgewählte 20. Deutsche Bundestag wird benutzt, um die zukünftige Bundesregierung zu zementieren, und natürlich, weil sie nur hier die Mehrheiten haben“, sagte Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla. Der CDU-Chef habe seine Glaubwürdigkeit komplett verspielt, so Chrupalla. „Die Wähler fühlen sich von Ihnen betrogen und das zurecht.“
Die Staatsverschuldung solle nun „planlos in den Himmel getrieben werden“. „Wofür stehen Sie eigentlich, Herr Merz? Sie haben sich mittlerweile die mRNA der SPD einpflanzen lassen“, so Chrupalla. „Sondervermögen sind und bleiben Sonderschulden.“
Wir sichern die Zukunft in diesem Land
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verteidigte in seiner Rede das Vorgehen der Union und der SPD. „Wer heute zaudert, wer sich heute nicht traut, wer meint, wir könnten uns diese Debatte noch über Monate leisten, der verleugnet die Realität“, so der SPD-Politiker im Bundestag. „Jeder weiß es: Deutschland fährt auf Verschleiß“, so Pistorius weiter. Straßen, Schienen, Schulen und Krankenhäuser seien in die Jahre gekommen. Gleichzeitig stehe Deutschland vor der größten sicherheitspolitischen Herausforderung in der Geschichte. „Wir Europäer müssen erwachsen werden“, betonte der Verteidigungsminister.
In Richtung der FDP sagte Pistorius: „Wir verkaufen nicht die Zukunft, wie Sie in Ihrem religiösen Eifer für die Schuldenbremse glauben machen wollen, wir sichern die Zukunft für dieses Land.“ Die Kredite seien keine „Blankoschecks“. Die Mittel würden effektiv eingesetzt und unterlägen weiter der Kontrolle durch das Parlament.
Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte, dass man sich auf die USA nicht mehr verlassen könne. „Wir brauchen Streitkräfte, die in die Lage versetzt werden, Sicherheit eigenständig für Europa zu organisieren“. Als Begründung nannte Dobrindt, dass es auf jeden Fall Veränderungen in der transatlantischen Partnerschaft geben werde. Zugleich machte Dobrindt deutlich, dass die neuen Milliardenkredite für Investitionen in Infrastruktur nicht die Reformen ersetzen könnten, die beim Bürokratieabbau nötig seien.
„Kriegskredite mit Klimasiegel“
Sahra Wagenknecht vom BSW warf dem möglichen Kanzler Friedrich Merz „Kriegskredite mit Klimasiegel“ vor. Die Politik von Merz würde am Ende nur die AfD stärken. In Richtung Grüne sprachen Wagenknecht davon, dass diese „kriegsverrückt“ seien. Das BSW würde sich, so Wagenknecht, diesem „Weg mit aller Kraft entgegenstellen“. Im Hinblick darauf, dass das BSW bei der letzten Wahl knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, säte Wagenknecht abermals Zweifel am Abstimmungsergebnis und forderte die Neuauszählung der Stimmen. „Wir kommen wieder“, so die BSW-Gründerin.
Zu einem kleinen Eklat kam es, als Politiker des BSW Plakate mit der Aufschrift „1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!“ hochhielten. Weil das nicht im Bundestag erlaubt ist, erhielten die Abgeordneten einen Ordnungsruf.
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