Umfrage: Bundesweit 45 Prozent der CDU-Parteimitglieder gegen strikte Brandmauer zur AfD

Beginnt die „Brandmauer“ der CDU noch vor den Landtagswahlen zu bröckeln? Ginge es nach dem Willen von 45 Prozent der Parteimitglieder, so sollte die CDU „zumindest in den ostdeutschen Ländern und Kommunen von Fall zu Fall mit der AfD zusammenarbeiten“. Das hat eine Forsa-Umfrage festgestellt.
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Das Archivbild zeigt Delegierte der CDU im Mai 2024 bei ihrem jüngsten Bundesparteitag in Berlin.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 15. August 2024

Fast die Hälfte aller CDU-Mitglieder hätte nicht viel dagegen, wenn die Brandmauer zur Alternative für Deutschland (AfD) zumindest teilweise fallen würde. Das geht aus einer repräsentativen telefonischen Umfrage unter 1.002 Christdemokraten hervor, die das Meinungsinstitut Forsa im Auftrag des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (RND) zwischen dem 29. Juli und dem 2. August 2024 durchgeführt hatte.

Konkret hätten lediglich rund 55 Prozent der Befragten auf den Satz „Die CDU sollte auf allen politischen Ebenen jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen“ im Sinne der offiziellen Parteilinie positiv reagiert. 45 Prozent hätten dagegen eine andere Antwortoption gewählt:

Nein, sie sollte zumindest in den ostdeutschen Ländern und Kommunen von Fall zu Fall mit der AfD zusammenarbeiten.“

In den Ostbundesländern hätten sich sogar mehr als zwei Drittel, nämlich 68 Prozent, grundsätzlich offen für eine solche Kooperation mit der AfD gezeigt, berichtet die „Berliner Zeitung“ unter Verweis auf das RND.

Am 1. September finden in Sachsen und Thüringen, am 22. September in Brandenburg Landtagswahlen statt.

Noch offener zeigten sich die CDU-Mitglieder laut „Berliner Zeitung“ für eine Zusammenarbeit mit dem erst im Januar 2024 entstandenen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): 52 Prozent der CDU-Mitglieder erklärten, dass man in einigen ostdeutschen Ländern ruhig einen Koalitionsvertrag schließen solle. 43 Prozent hätten diesen Gedanken nicht unterstützt. Fünf Prozent hätten sich nicht zwischen einem Ja und einem Nein entscheiden können.

Unionsräson: Nein zur AfD und zu den Linken

Innerhalb der Union gibt es derzeit zwei offizielle Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Ein kategorisches Nein zur AfD war am 8. Dezember 2018 beim Parteitag in Hamburg ins Programm aufgenommen worden. Auch mit den Linken will die CDU seit diesem Tag erklärtermaßen auf keinen Fall zusammenarbeiten (PDF).

Parteichef Friedrich Merz hatte erst Anfang Mai 2024 noch einmal darauf beharrt, dass beide Unvereinbarkeitsbeschlüsse für künftige CDU-Koalitionen nach wie vor Bestand hätten: „Diese Parteitagsbeschlüsse gelten.“ Mit der dritten „Partei der politischen Extreme“ (Merz), dem BSW, messe sich die CDU gar nicht erst, so Merz nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“.

Wunschpartner unter den Parteibuchinhabern der CDU ist nach Angaben des „Focus“ die SPD. Mit lediglich 27 Prozent Zustimmung an der Parteibasis könnte gemäß Forsa-Umfrage ein schwarz-grünes Bündnis rechnen.

46 Prozent für Merz als Kanzlerkandidat – trotz vermeintlich höherer Erfolgschancen für Wüst

Doch auch Merz selbst genießt nach den jüngsten Forsa-Daten parteiintern nicht mehr den unangefochtenen Status als bester Mann für eine Kanzlerkandidatur.

Wie das Nachrichtenmagazin „Focus“ unter Verweis auf das RND berichtet, gehen nur 33 Prozent der CDU-Parteimitglieder davon aus, dass die Union mit Merz im Kanzlerrennen die meisten Punkte einfahren würde. 43 Prozent rechneten sich für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst als Spitzenkandidat bessere Chancen aus. Immerhin 20 Prozent glaubten, dass der bayerische CSU-Landeschef Markus Söder als Gesicht für die Bundestagswahl 2025 bundesweit die größte Wählerzahl hinter sich versammeln könnte.

Dennoch stehen laut „Focus“ noch 46 Prozent hinter einer Kanzlerkandidatur des CDU-Parteichefs Merz, nur 36 Prozent hinter Wüst und 15 Prozent hinter Söder. Insgesamt seien gut drei von vier CDU-Parteimitgliedern (77 Prozent) derzeit mit der Arbeit von Merz zufrieden.

Schwierige Koalitionsverhandlungen zu erwarten

Weil noch immer keine einzige Partei mit nennenswerten Chancen auf einen Landtagseinzug mit der im Osten überall starken AfD koalieren will, könnte es schwierig werden, ab September jeweils funktionierende Regierungsbündnisse zu schmieden.

Lediglich die im Juni gegebene Zusage von Friedrich Merz, auf Landesebene notfalls Kooperationen zwischen seiner Partei und dem BSW zuzulassen, rückt CDU-Regierungsmehrheiten speziell in Sachsen und Thüringen überhaupt in den Bereich des Möglichen.

In Sachsen gab es bei der letzten Wahlumfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF am 9. August folgende Werte:

  • CDU: 34 Prozent
  • AfD: 30 Prozent
  • BSW: 11 Prozent
  • Sonstige: 9 Prozent
  • Grüne: 6 Prozent
  • SPD: 6 Prozent
  • Linke: 4 Prozent

Falls es am Wahltag ungefähr bei diesen Zahlen bliebe, müssten sich wahrscheinlich nicht nur CDU und BSW zusammenraufen. Denn beide zusammen würden wohl einen weiteren Partner benötigen, damit der amtierende Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) von Dresden aus weiter mit klarer Mehrheit regieren könnte. Einer Zusammenarbeit mit den Grünen hatte Kretschmer bereits im März eine Absage erteilt. Ihm bliebe also nur die ebenfalls schwächelnde SPD. AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban hatte schon im Juni über „eine Koalition der Wahlverlierer“ spekuliert.

In Thüringen wies eine INSA-Umfrage vom 13. August zuletzt folgende Zahlen aus:

  • AfD: 30 Prozent
  • CDU: 21 Prozent
  • BSW: 19 Prozent
  • Linke: 15 Prozent
  • SPD: 7 Prozent
  • Sonstige: 5 Prozent
  • Grüne: 3 Prozent

Selbst wenn es für CDU und BSW bei den aktuellen Umfragewerten bliebe, würden ihre gemeinsamen 40 Prozent höchstens zu einer Minderheitsregierung ausreichen. Da für die Linke seitens der CDU ja ein Unvereinbarkeitsbeschluss gilt, bleibt abzuwarten, ob die SPD sich für die Rolle des Steigbügelhalters für einen CDU-Ministerpräsidenten Mario Voigt wird erwärmen können.

Zudem müssten SPD und BSW für ein gemeinsames Dreierbündnis mit der CDU wohl zunächst ihre Differenzen aus der Welt schaffen. Der amtierende thüringische SPD-Spitzenkandidat, Landesinnenminister Georg Maier, hätte an Wagenknechts Forderung schwer zu knabbern, nach der ihre Koalitionspartner sich klar gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland positionieren müssten. Maier hatte Wagenknechts Bedingungen zuletzt als „Erpressungsversuche“ bezeichnet, die „insbesondere die CDU auf eine Zerreißprobe stellen und damit schwächen sollen“.

Die Wähler in Brandenburg haben noch drei Wochen länger Zeit, ihre Parteipräferenz zu ändern. Mit Stand 6. August sah es nach einer INSA-Umfrage im Auftrag des „Nordkurier“ wie folgt aus:

  • AfD: 24 Prozent
  • SPD: 20 Prozent
  • CDU: 19 Prozent
  • BSW: 17 Prozent
  • Grüne: 5 Prozent
  • Linke: 5 Prozent
  • BVB/Freie Wähler: 4 Prozent
  • Sonstige: 6 Prozent

Im politischen Potsdam wird der amtierende und ambitionierte Ministerpräsident Dietmar Woidke beim Stand der Dinge wohl kaum um ein Dreierbündnis mit BSW und CDU herumkommen, um weiter regieren zu können. Woidke hatte laut rbb allerdings bereits sein politisches Karriereende angekündigt, falls die AfD im Rennen um die stärkste Kraft in Brandenburg vor der SPD landen sollte.



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