Thüringens Debatte um Verfassungsänderung – für den Fall eines Machtwechsels
Es gibt Diskussionen, nach denen in Thüringen die Landesverfassung geändert werden soll, um im Fall der Wahl von Björn Höcke (AfD) zum Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schützen. Doch das scheint — nach heutigem Stand – nicht sehr aussichtsreich. Denn sowohl die CDU- als auch die FDP-Fraktion sind skeptisch. Aber genau deren Stimmen würden gebraucht.
Stimmen der Regierungsfraktionen nicht ausreichend
Um eine Verfassungsänderung bis zum Wahltag am 1. September 2024 durchzusetzen, bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Erfurter Landtag. Da die AfD mit ihren derzeit 22 von insgesamt 90 Sitzen im Parlament keine „Sperrminorität“ darstellt, würden somit 60 andere Stimmen genügen.
Die Regierungsfraktionen von Linke (29 Sitze), SPD (8) und Grünen (5) bringen es derzeit allerdings zusammen nur auf 42 Sitze. Die fehlenden 18 Stimmen müssten also von der CDU (21) oder der FDP (5) kommen. Doch danach sieht es nicht aus.
Ein Sprecher der CDU-Fraktion teilte auf Anfrage der Epoch Times mit, dass seiner Fraktion gar nicht bekannt sei, ob eine der drei Regierungsfraktionen eine Verfassungsänderung zum Schutz des Medienstaatsvertrages (MStV) überhaupt in Erwägung ziehe.
Doch auch wenn dies zuträfe, scheine ihm ein Erfolg „schon allein mit Blick auf die verbleibende Zeit und die Zahl der verbleibenden Sitzungen bis zur Landtagswahl ausgeschlossen“.
Verfassungsänderungen in der Regel mit langer Vorlaufzeit
Der Sprecher gab zu bedenken, dass jene für den kommenden Freitag, 26. April, geplanten Abstimmungen zur Änderung der Landesverfassung „Ergebnis eines vierjährigen Beratungsprozesses“ gewesen seien.
Doch inhaltlich geht es dabei gar nicht um den Schutz des MStV. Und auch nicht um das Prozedere zur Wahl des Ministerpräsidenten, wie es nach Informationen der „Zeit“ zuletzt von Landesinnenminister Georg Maier (SPD) und der CDU vorgeschlagen worden war, um die mögliche Wahl Björn Höckes noch in einem mutmaßlichen dritten Wahlgang verhindern zu können. Doch dazu habe sich der Verfassungsausschuss nicht durchringen können. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) war auch dagegen.
Nach Angaben des „Vogtlandspiegel“ soll am Freitag vielmehr ein „direktes Europa-Bekenntnis“ – neben anderen Änderungen – in die Landesverfassung aufgenommen werden. Dafür habe es drei Jahre Vorlaufzeit gebraucht, bis der Verfassungsausschuss des Landtags am Dienstag, 23. April 2024, endlich grünes Licht dafür gab.
CDU-Fraktion: Keine Verfassungsänderung kurz vor Wahlen
Falls es in den kommenden Wochen im Parlament doch noch zu einem weiteren Antrag auf Änderung der Verfassung kommen sollte, um einem möglichen Ministerpräsidenten der AfD das Handeln zu erschweren, wäre eine Zustimmung der CDU-Fraktion wohl äußerst fraglich.
„Unser Abstimmungsverhalten als Fraktion legen wir fest, sobald ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegt und zur Abstimmung ansteht, nicht auf Basis von Gedankenspielen, Gerüchten oder sonstigen unbestätigten Szenarien“, betonte der Sprecher gegenüber der Epoch Times.
Auch entspreche es nicht dem Grundverständnis der CDU-Fraktion, kurz vor Wahlen Verfassungsänderungen vorzunehmen, „um auf mutmaßliche politische Ziele einzelner Akteure zu reagieren“.
Aus den Reihen der FDP wäre ebenfalls keine Unterstützung für weitere Verfassungsänderung zu erwarten. Wie der FDP-Landesvorsitzende Thomas Kemmerich im Gespräch mit der Epoch Times mitteilte, sollten SPD und Grüne seiner Meinung nach „aufhören, ein unliebsames demokratisches Ergebnis verhindern zu wollen“. Man müsse sich stattdessen „inhaltlich auseinandersetzen, die Wurzel packen und mit den Bürgern in Dialog treten“.
„Verfassungsblog“ hatte Änderung der Verfassung empfohlen
Am Mittwoch, 24. April, fand im Plenarsaal eine „Aktuelle Stunde“ statt, bei der es auch um den Schutz der Medien ging. Auf Antrag der Grünen-Fraktion wurde das Thema „Freiheit und Vielfalt der Medien in Thüringen langfristig schützen – den öffentlichen Rundfunk stärken“ diskutiert (PDF). Von Verfassungsänderungsplänen war nichts zu vernehmen.
Sehr wohl aber hatten der „Deutschlandfunk“ (DLF) und der MDR die Idee in den vergangenen Tagen zum Thema gemacht. Beide öffentlich-rechtlichen Sender hatten dem Thüringen-Projekt des Berliner „Verfassungsblogs“ breiten Raum in ihrer Berichterstattung gewährt.
Hintergrund war eine Ankündigung des thüringischen AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke. Er hatte bei einer Rede auf dem AfD-Landesparteitag Mitte November 2023 in Pfiffelbach versprochen, den MStV zu kündigen, falls er nach der Landtagswahl Ministerpräsident werden sollte: „Ja! Das macht der Höcke dann, ja, genau!“ (Video circa ab Minute 1:06 auf „MDR.de“).
Nach Ansicht des Thüringen-Projekts würde sich aus einer Kündigung des MStV für das Bundesland Folgendes ergeben, wie aus dem 36-seitigen Bericht „Rechtsstaatliche Resilienz in Thüringen stärken“ hervorgeht:
- „Die Rundfunkanstalten wären […] nicht mehr berechtigt, ihren Sendebetrieb in Thüringen fortzusetzen.“
- „Die bundesweite Finanzierung des Rundfunks [wäre] stark beeinträchtigt.“
- „Gremien müssten neu besetzt und Mitarbeitende ggf. entlassen werden.“
- „Die Finanzierung für die Landesmedienanstalt [stünde] auf dem Spiel.“
Wegen der einjährigen Kündigungsfrist könnten die Änderungen aber erst zum Jahresbeginn 2026 in Kraft treten. Damit wäre der Sendebetrieb des „Mitteldeutschen Rundfunks“ (MDR) im Land Thüringen wohl ab dem 1. Januar 2026 beendet, wie der MDR selbst berichtet.
Ein Ministerpräsident hätte in Thüringen das Recht, Rundfunkstaatsverträge auch ohne Einbindung des Landtags zu kündigen, bestätigte das langjährige MDR-Rundfunkratsmitglied Heiko Hilker unter Verweis auf Paragraf 116, Absatz 1 des Medienstaatsvertrages in einer Stellungnahme für die Deutsche Akademie für Fernsehen (PDF). „Es ist einfacher, Medienstaatsverträge zu kündigen, als Medienstaatsverträge zu schließen“, so Hilker.
Das Thüringen-Projekt macht sich deshalb dafür stark, dass ein Passus in der Landesverfassung ergänzt wird, der die Zustimmung des Landtags als erforderlich beschreiben würde. Erst dann wären einem potenziellen AfD-Ministerpräsidenten die Hände gebunden.
Wer steckt hinter dem Verfassungsblog?
Der „Verfassungsblog“ sieht sich nach eigenen Angaben als „ein journalistisches und wissenschaftliches Diskussionsforum zu aktuellen Ereignissen und Entwicklungen des Verfassungsrechts und der Verfassungspolitik“. Nach Angaben des MDR steht der Jurist, Journalist und Schriftsteller Maximilian Steinbeis („Mit Rechten reden“) als Gründer und treibende Kraft dahinter. Allein für sein Thüringen-Projekt weist die Website zehn Mitarbeiter aus.
Am vergangenen Samstag ehrte die theodor heuss stiftung den Blog in Stuttgart mit einer Medaille: Dessen Thüringen-Projekt schärfe „das Verständnis für demokratische Abläufe“, hieß es.
Zu den Unterstützern und Kooperationspartnern gehören nach eigenen Angaben nicht nur zahlreiche Bibliotheken im In- und Ausland, sondern auch die globalisierungsfreundliche Forschungsprofessur Global Constitutionalism des öffentlich finanzierten Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und die Stiftung Mercator. Nach eigenen Angaben fördert die Stiftung das Thüringen-Projekt im Jahr 2024 mit 100.000 Euro.
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