Thüringen: Verfassungsgerichtshof will bis zum Abend für Klarheit sorgen

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof will bis zum Freitagabend eine Entscheidung darüber fällen, wie die konstituierende Sitzung des Landtags am Samstag formal weitergeführt werden soll. Am Donnerstag war der erste Anlauf ergebnislos gescheitert.
Bei der ersten Sitzung des Thüringer Landtags gibt es scharfe Kritik an den Alterspräsidenten der AfD, Jürgen Treutler (Mitte).
Werden die Argumente des Thüringer Landtagsalterspräsidenten Jürgen Treutler (AfD) zum korrekten Ablauf der konstituierenden Landtagssitzung den Verfassungsgerichtshof überzeugen? (Archivbild).Foto: Martin Schutt/dpa
Von 27. September 2024

Jürgen Treutler (AfD), der Alterspräsident im Thüringer Landtag, hat bis Punkt Freitagmittag Zeit, eine Stellungnahme zu seinem Verständnis über seine Rechte und Pflichten als vorläufiger Sitzungsleiter beim Thüringer Verfassungsgerichtshof abzugeben. Das hat das Verfassungsgericht noch am Abend des 26. September 2024 entschieden.

Im Laufe des Nachmittags wollen die Landesverfassungsrichter daraufhin selbstständig und ohne weitere Anhörungen eine Entscheidung darüber fällen, wie die konstituierende Sitzung des Landtags fortgesetzt werden soll. Die Entscheidung soll zeitnah auf der Website des Gerichtshofs veröffentlicht werden.

Der 73-jährige Treutler hatte den Fortgang der Sitzung auf Samstag, 28. September 2024, 9:30 Uhr terminiert.

Tuhuwabohu im Plenum

Der erste Teil der konstituierenden Sitzung des Landtags war am Donnerstagnachmittag nach vier Stunden voller hitziger Auseinandersetzungen und mehrfacher Unterbrechungen im Plenarsaal praktisch ergebnislos abgebrochen worden. Auf Antrag des parlamentarischen Geschäftsführers der CDU, Andreas Bühl, willigte Treutler schließlich ein, die Expertise des Verfassungsgerichtshofs einzuholen.

Der höchste thüringische Gerichtshof bestätigte den Eingang des Antrags „auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Landtagsfraktion der CDU und eines Abgeordneten der CDU-Fraktion“ noch am Donnerstagabend in einer Pressemitteilung. Darin heißt es:

Der Antrag richtet sich gegen den Alterspräsidenten des Thüringer Landtags. Die Antragsteller beantragen, den Alterspräsidenten unter anderem zu verpflichten, die Anträge der Fraktionen der CDU und des BSW zur Änderung der Geschäftsordnung (betreffend das Vorschlagsrecht für die Wahl des Landtagspräsidenten für alle Fraktionen bereits ab dem 1. Wahlgang) zur Abstimmung zu stellen.“

Treutler und die AfD-Fraktion waren sich am Donnerstag nicht mit den Abgeordneten der übrigen Fraktionen darüber einig geworden, wie die Sitzung formal abzulaufen habe.

Bislang nur Begrüßungsrede vollendet

Bei allen Zwischenrufen und unaufgeforderten Antragseinlassungen seitens CDU, BSW, Linke und SPD war der von Anfang an verbal attackierte Treutler nicht einmal dazu gekommen, die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen zu lassen. Infolgedessen wurden auch die nach der Geschäftsordnung (GO) des Thüringer Landtags (PDF) zwingenden Voraussetzungen bis zur Übergabe der Sitzungsleitung an einen gewählten Landtagspräsidenten nicht erfüllt.

Treutler war es unter dem erbitterten Widerstand der Anti-AfD-Fraktionen nach drei Stunden lediglich gelungen, seine Begrüßungsrede zu halten. Der Rest der Sitzung drehte sich nur noch um Streitfragen über die grundsätzlichen Befugnisse des Alterspräsidenten, um das Selbstorganisationsrecht des Parlaments und um die korrekte Auslegung der GO und der Landesverfassung.

Im Einklang mit Paragraf 1 (3) der Landtagsgeschäftsordnung hatte Treutler zunächst zwei Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführern ernennen und danach die Namen der Abgeordneten aufrufen lassen wollen, um formal zunächst die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen zu können. Direkt im Anschluss wäre laut Paragraf 1 (4) die Wahl des Landtagspräsidenten und der stellvertretenden Vizepräsidenten an der Reihe gewesen. Treutler hatte immer wieder betont, sich an diesen in der GO formulierten Ablauf halten zu wollen – zum Unmut der Fraktionen von CDU, BSW, Linke und SPD.

Kurz nach 16:00 Uhr hatte Bühl nach einem letzten kurzen Meinungsaustausch am Platz des Alterspräsidenten mit den übrigen parlamentarischen Geschäftsführern die Reißleine gezogen. Er schlug vor, den Verfassungsgerichtshof anzurufen.

Treutler stimmte zu und unterbrach die Sitzung bis zum Samstagmorgen.

Andere Fraktionen wollen AfD-Landtagspräsidenten verhindern

Hintergrund der in der bundesrepublikanischen Geschichte einmaligen parlamentarischen Auseinandersetzung ist der bereits von CDU und BSW angekündigte Plan, das Plenum noch vor der Wahl eines Landtagspräsidenten über eine Änderung der Geschäftsordnung abstimmen zu lassen. Dieses Ansinnen unterstützen auch die Fraktionen der Linken und der SPD.

Nach ihrer gemeinsamen Vorstellung soll das Vorschlagsrecht für einen Kandidaten nicht mehr allein der stärksten Fraktion, also der AfD, zustehen. Sie verlangen vielmehr, dass schon im ersten Wahlgang alle Fraktionen ihre Kandidaten vorschlagen dürfen. Einen AfD-Abgeordneten als Landtagspräsidenten werde man niemals akzeptieren, so die Ankündigung der vier kleineren Fraktionen im thüringischen Landtag.

Die AfD will ihre Abgeordnete Wiebe Muhsal ins Rennen schicken, für die zweitstärkste Fraktion CDU soll Thadäus König kandidieren.

Bis zum Abschluss der Wahl eines Landtagspräsidenten obliegt die Leitung der konstituierenden Sitzung gemäß Paragraf 1 (2) der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags weiterhin dem ältesten Abgeordneten.



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