Teure Personalrochade: Innenministerin Faeser gerät unter Druck

Deutschlands Cyberabwehrchef musste nach bisher nicht belegten Vorwürfen im Oktober gehen. In der Behörde brodelt es nun mächtig. Vor allem Bundesinnenministerin Nancy Faeser gerät unter Beschuss.
Bundesinnenministererin Nancy Faeser (SPD) und Arne Schönbohm, inzwischen freigestellter Präsident des BSI.
Bundesinnenministererin Nancy Faeser (SPD) und Arne Schönbohm, inzwischen freigestellter Präsident des BSI.Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Von 4. Januar 2023

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Im Oktober wurde der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, auf Betreiben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser abberufen. Formell versetzte die Ministerin ihren Behördenchef zum Januar an die Spitze der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV). Der bisherige BAköV-Präsident Alexander Eisvogel musste dafür seinen Posten räumen und leitet nun, so meldete es die „Wirtschaftswoche“ unter Berufung auf Behördenkreise, das Beschaffungsamt des BMI in Bonn. Die bisherige Leiterin der Behörde, Ruth Brand, ist gerade in das Statistische Bundesamt gewechselt. Dort tritt sie als Bundeswahlleiterin die Nachfolge des bisherigen Behördenleiters Georg Thiel an. Dieser ging Ende 2022 altersbedingt in den Ruhestand.

Unterstellung ohne Fakten

Auslöser für die Personalrochade war die Teilnahme von Arne Schönbohm an der Jubiläumsfeier des Cyber-Sicherheitsrats Deutschland (CSRD e. V.). Dem Verein werden immer wieder Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen vorgeworfen. Begründet wird der Vorwurf mit der Mitgliedschaft der Berliner Cybersecurity-Firma Protelion. Bis März 2022 firmierte dieses Unternehmen unter dem Namen Infotecs GmbH. Das ist eine Tochterfirma der russischen Cybersecurityfirma O.A.O. Infotecs. Laut Informationen des Recherchenetzwerks „Policy Network Analytics“ wurde dieses Unternehmen von einem ehemaligen Mitarbeiter des KGB gegründet. Nachdem von vielen Seiten Kritik an der Mitgliedschaft von Protelion in dem Verein geäußert wurde, schloss der CSRD das Unternehmen am 9. Oktober 2022 aus.

Behörden und Bundesländer ebenfalls Vereinsmitglieder

Für Faeser reichten die Indizien aus. Dass neben verschiedenen IT-Sicherheitsfirmen und anderen Unternehmen auch zahlreiche Behörden, wie zum Beispiel das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg, das Bundesgesundheitsministerium oder Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern, Vereinsmitglieder sind oder waren, wurde ausgeblendet. Noch bis zum 10. Oktober konnte man auf der Website des Vereins die Mitgliederliste öffentlich einsehen. Dann wurde die Liste entfernt. Das Innenministerium Baden-Württemberg erklärte schnell, nie Vereinsmitglied gewesen zu sein. Das Bundesgesundheitsministerium wollte plötzlich nur noch ruhendes Mitglied gewesen sein. Zahlreiche Unternehmen und Organisationen verließen den Verein.

Kein Fehlverhalten festgestellt

Für Arne Schönbohm wurde es danach eng im BSI. Bundesinnenministerin Faeser ging auf Distanz und sagte demonstrativ eine lange geplante gemeinsame Pressekonferenz ab. Schönbohm wurde wenig später die Führung der Dienstgeschäfte als BSI-Präsident mit sofortiger Wirkung untersagt. Zuvor hatte Jan Böhmermann in einer Sendung im ZDF Arne Schönbohm Kontakte in russische Geheimdienstkreise vorgeworfen. Mit dieser Sendung rechtfertigte Faeser ihre Entscheidung und sprach von einem Vertrauensverlust. Weder Böhmermann noch Faeser konnten belastbare Belege gegen den Cyberabwehrchef vorlegen. Bis heute nicht. Sitzungen im Bundestag, die sich mit dem Fall beschäftigten, brachten keine klaren Erkenntnisse. Ein Fehlverhalten Schönbohms an der Spitze des BSI konnte nicht nachgewiesen werden. Nicht einmal Anhaltspunkte konnten vorgelegt werden. In der nun ohne Führung dastehenden Behörde regt sich Unmut über das Vorgehen der Ministerin. Nancy Faeser gerät unter Druck.

„Irritiert“ über Faesers Umgang mit Schönbohm

In einem Schreiben, über das die „Welt“ berichtet, zeigt sich der Personalrat des BSI sehr irritiert über die Art, wie Faeser mit Schönbohm umgegangen ist. „Der Personalrat hat Herrn Schönbohm trotz aller Interessengegensätze als integre Person erlebt“, heißt es darin. „Insofern findet der Personalrat des BSI die Umstände unbefriedigend, wie das BMI auf die Personalie Arne Schönbohm in der Öffentlichkeit reagiert hat.“ Weiter heißt es: „Wir hätten hier mehr Rückhalt und Transparenz erwartet. Auch die genommene Möglichkeit einer angemessenen Verabschiedung von der Belegschaft wirft Fragen auf.“

In dem Schreiben geht es weiter um die Stimmung, die im Moment in der Cyberabwehrbehörde herrscht. „Im BSI bleiben nun die Mitarbeitenden zurück und fragen sich, was passiert ist, wie es weitergeht und welche Rolle das BSI weiterhin verkörpert.“ Wie die „Welt“ weiter schreibt, steht der Personalrat mit seiner Kritik an der Entscheidung der Ministerin nicht alleine da. So beruft sich die Zeitung auf einen hochrangigen Mitarbeiter, der zugegeben habe, dass das Schreiben die Stimmung im BSI durchaus wiedergebe. Auch bei führenden Beschäftigten sei das Verhalten der Ministerin auf Unverständnis gestoßen. So sei das Schreiben des Personalrats nicht das einzige kritische Schreiben, das BSI-Mitarbeiter an das Innenministerium geschrieben hätten.

Der Personalrat wünscht sich ein „gemeinsames Gespräch, damit die verschiedenen Sichtweisen transparent werden“. Ob das zustande kommen wird, ist im Moment völlig offen. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte zwar, dass das Schreiben dem Hause bekannt sei, das weitere Vorgehen würde aber im Moment noch intern abgestimmt.

Entscheidung treibt Personalkosten hoch

Dass die Personalverschiebung die Kosten in die Höhe treibt und damit den Bundeshaushalt zusätzlich belastet, macht die Entscheidung Faesers noch fragwürdiger. Als Behördenleiter hatte Schönbohm bisher eine B8-Stelle inne. Sein neuer Posten bei der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung war aber ursprünglich niedriger dotiert. Damit Faeser ihren missliebigen Behördenchef loswerden konnte, musste eine Anpassung erfolgen. Kurz vor den finalen Beratungen des Bundeshaushaltes hatte sich das Innenministerium daher die Anhebung des BAköV-Postens auf B8 in einer spätabendlichen Sitzung des Haushaltsausschusses absegnen lassen.



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