Tafel und Kreide oder Smartscreen? So stehen die Parteien zur Digitalisierung der Bildung

Ungeachtet wissenschaftlicher Warnungen setzen Kultusminister mit ihrer Bildungspolitik stark auf digitale Technologien im Unterricht – auch in Grundschulen. Ein Blick auf die Kontroversen, Potenziale und die politischen Positionen zur Digitalisierung der Bildung.
Titelbild
Politik und Institutionen in Deutschland wollen die Digitalisierung der Schulen voranbringen – Experten warnen.Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Von 30. Dezember 2024

Gebildete Kinder sind die Grundlage für eine starke und innovative Zukunft. Dies ist eine Art Konsens des gesunden Menschenverstandes. Durch Bildung wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Kreativität, kritisches Denken und soziale Kompetenzen, die für das spätere Leben unverzichtbar sind. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, dass junge Menschen eigenständig denken, Verantwortung übernehmen und aktiv zur Gesellschaft beitragen.

Wissenschaftler warnen: Aussetzung der Schuldigitalisierung gefordert

Doch laut zahlreicher Fachärzte und Psychologen steht es nicht gut um die Bildung und Gesundheit der heranwachsenden Generation. Kindheitsforscher Michael Hüter erklärt sogar „das größte Gesundheitsrisiko des Menschen ist die Schule“.

Vierzig führende deutsche Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche hatten Ende 2023 ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen gefordert.

„Die wissenschaftliche Erkenntnis ist inzwischen, dass Unterricht mit Tablets und Laptops die Kinder bis zur sechsten Klasse nicht schlauer, sondern dümmer macht“, so Medienpädagoge Prof. Ralf Lankau (Hochschule Offenburg), einer der Initiatoren des Aufrufs.

DigitalPakt Schule: Der Plan bis 2030

Ungeachtet des Alarms der Experten wird der DigitalPakt ab 2025 in eine zweite Runde geschickt. Seit 2019 wurden bereits 6,5 Milliarden Euro Fördermittel für die digitale Infrastruktur an deutschen Schulen bereitgestellt und ausgegeben. Die Milliarden sollen die Schulen zu digitalen Kompetenzzentren machen. Der Tenor: „Digitale Bildung ist Chancengerechtigkeit und betrifft am Ende jeden“, erklärte laut ZDF Anja Karliczek (CDU), Ex-Bildungsministerin im Kabinett Merkel IV.

Mittlerweile wird in Deutschland zur Digitalisierung an Schulen auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) forciert. Auch hier schlagen Experten Alarm: So hatte die Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz in einem Papier davor gewarnt, dass ein frühzeitiger Einsatz von KI-gestützten Sprachmodellen die Kompetenzentwicklung behindere und im ungünstigsten Fall unterbinde, der Einsatz von etwa ChatGPT „unterminiere Lernprozesse“.

Deswegen solle, so die Empfehlung, „zukünftig die Schreibkompetenz unter Verzicht auf LLM [Large Language Model, ein KI-Programm, das auch Text erkennen und generieren kann wie ChatGPT, Anm. der Red.] aufgebaut“ werden und „erst in höheren Klassenstufen zum Einsatz kommen“. In der Grundschule und in den ersten Jahren der Sekundarstufe I sollte nach Meinung der Kommission darauf verzichtet werden.

Trotz dieser Warnung und Empfehlung hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) für die Nutzung von KI in schulischen Bildungsprozessen ausgesprochen – auch in Grundschulen. Potenziale der Technologie sollen für das Lernen und Lehren bestmöglich genutzt werden, so die Verlautbarung der KMK, entgegen der Einschätzung der eigens beauftragten Experten. Epoch Times berichtete.

Parteien-Check zur Digitalisierung an Schulen

Die Kritik beim Thema Digitalisierung der Bildung kommt nur als Randnotiz bei den politischen Entscheidungen über das Schulsystem vor.

Betont wird zum Beispiel vom Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation eine bessere Vorbereitung auf die Arbeitswelt durch die frühzeitige Integration von digitalen Instrumentarien. Zudem soll ein besserer Zugang zu Informationen und personalisiertes Lernen die Motivation erhöhen. Dazu sollen etwa Apps dienen, die sich an unterschiedliche Bedürfnisse der Schüler anpassen. Medienkompetenz soll gesteigert und ortsunabhängiges Lernen ermöglicht werden.

Überwiegend anerkannt wird, dass die Digitalisierung ein wichtiger Aspekt der Bildungszukunft ist. Die Schwerpunkte und Ansätze variieren jedoch je nach Parteiprogramm und ideologischen Grundsätzen.

Union: Veränderungsbereitschaft durch Corona

Die Union betont die Wichtigkeit, die digitale Infrastruktur in Schulen zu verbessern, ohne jedoch die Bedeutung traditioneller Bildungselemente wie Präsenzunterricht zu vernachlässigen. Sie setzt auf den DigitalPakt Schule, auf eine Weiterentwicklung und Verstetigung des Förderprogramms, um Schulen mit moderner IT-Ausstattung zu versorgen. Sie fordert, dass Lehrer umfassend in digitaler Bildung geschult werden. Schulen sollen mit einheitlichen Lösungen, wie Clouds und digitalen Lernplattformen ausgestattet werden.

Laut Union hat die „Coronakrise in unseren Schulen auch Prozesse beschleunigt und Veränderungsbereitschaft hervorgebracht – auch und gerade dank digitaler Möglichkeiten. Diesen Wandel sollten wir nutzen und Corona in diesem Sinne auch als Chance begreifen.“

SPD: gerechtere Bildung durch Digitalisierung

Laut SPD vermelden alle großen Bildungsstudien, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht nur rückläufig seien, auch die soziale Schere bleibe dabei im internationalen Vergleich groß. Das schreibt die SPD anlässlich der Konferenz Bildung Digitalisierung (KonfBD24), und folgert daraus, dass Bildungserfolg hierzulande immer noch maßgeblich vom Elternhaus abhänge.

Um für ein Mindestmaß an Ausgleich zu sorgen, dürfe es nicht vom Wohnort abhängen, ob Schülerinnen und Schüler mit und anhand digitaler Technik lernen können. Digitalisierung solle dazu beitragen, Bildungsungleichheiten abzubauen, z.B. durch kostenfreien Zugang zu digitalen Endgeräten für Schüler aus benachteiligten Familien. Die SPD fordert, dass Digitalisierung fest im Lehrplan verankert wird und will ebenso wie die CDU/CSU den DigitalPakt weiter ausbauen.

Bündnis 90/Die Grünen: Chancengleichheit

Für die Grünen, so die Grünenpolitikerin Nina Starr im Januar 2024 in einer Rede im Bundestag, soll der Digitalpakt den Zugang „zu digitaler Bildung unabhängig vom Elternhaus ermöglichen, und er muss so ausgestaltet sein, dass die Möglichkeiten, die KI uns in der Bildung bietet, auch gerade für größere Chancengerechtigkeit genutzt werden können“.

So müsse parallel zur digitalen Infrastruktur auch in die gezielte Aus- und Weiterbildung unserer Lehrkräfte investiert werden, sowie in moderne, umweltfreundliche IT-Infrastruktur an Schulen. Die Grünen wollen, dass Medienbildung und digitale Kompetenz stärker in den Lehrplänen verankert werden, um Schülerinnen und Schüler auf die digitale Arbeitswelt vorzubereiten.

FDP: schnellere Digitalisierung

Auch die FDP positioniert sich klar als Befürworterin eines schnellen und umfassenden Ausbaus der digitalen Bildung. Sie fordert weniger Bürokratie, um digitale Investitionen schneller umsetzen zu können. Schulen sollen digitaler und flexibler werden, unter anderem durch verstärkten Einsatz von Lern-Apps, Plattformen und Cloud-Lösungen. Die Fortbildung der Lehrer soll in den Vordergrund gestellt werden.

Die Linke: Digitalisierung für soziale Gerechtigkeit

Die Linke sieht Digitalisierung primär unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit. Sie fordert kostenfreie digitale Endgeräte, denn Kinder sollen aufgrund der finanziellen Situation der Eltern nicht vom digitalen Lernen ausgeschlossen werden. Neben Endgeräten sollen alle Schülerinnen und Schüler Zugang zu schnellem Internet haben: „Jedes Kind muss einen Computer, Drucker und Internetanschluss zu Hause zur Verfügung haben.“

Realitätscheck Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)

Im BSW-Wahlprogramm für Brandenburg hieß es: „Tablets und Smartphones erschweren das Lernen und die Sprachentwicklung sowie den Erwerb solider Lese- und Schreibfähigkeiten. Deshalb muss der Schwerpunkt wieder auf gedruckten Schulbüchern und dem Fachwissen des Lehrers liegen.“ Aufgrund des aktuellen Forschungsstands hätten viele europäische Länder, etwa Schweden, die Niederlande oder Dänemark die Schuldigitalisierung gestoppt. Diesen Weg sollte auch Deutschland gehen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht sei für ein Verbot von Smartphones und Tablets im Unterricht mindestens bis zur 4. Klasse.

Auch in den kurz vor Weihnachten vorgelegten Eckpunkten für die Bundestagswahl fordert das BSW ein Handy- und Tabletverbot an Grundschulen. In den Koalitionsverhandlungen konnte sich die Partei mit dieser Forderung weder in Brandenburg noch in Thüringen durchsetzen.

AfD: klassische Bildung soll Vorrang haben

Die AfD steht der umfassenden Digitalisierung in der Bildung eher kritisch gegenüber.  Für die Partei muss die Digitalisierung der Schulen unbedingt auf einen Prüfstand. Die AfD argumentiert, dass zu viel Digitalisierung die persönliche Lehrer-Schüler-Interaktion negativ beeinflussen könnte. Der Grundschulunterricht solle am besten digitalfrei stattfinden.

Die bildungspolitische Sprecherin der AfD-Bundestagsfraktion, Nicole Höchst, sieht eine Rückkehr zu Tafel und Büchern in Schweden als Beispiel für Deutschland: „Wir dürfen aus den dort gemachten Fehlern lernen, sie als solche erkennen und handeln. Digitale Endgeräte allein garantieren keinen erfolgreichen Unterricht.“

Klassische Bildung und Werteerziehung sollten laut AfD Vorrang vor einer übermäßigen Digitalisierung haben.

In der Debatte lohnt auch ein Blick ins Silicon Valley: die Tech-Elite in der Bay Area lässt ihre Kinder bevorzugt analog aufwachsen. Dort nehmen Eltern lange Wartezeiten und immense Kosten in Kauf, um ihre Kinder auf technikfreie Schulen zu schicken.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion