Streit um Migration: Merz setzt Ampel Ultimatum, Grüne und SPD geben Kontra

CDU-Chef Friedrich Merz hat von der Ampel bis zum kommenden Dienstag eine verbindliche Erklärung zum Stopp der unkontrollierten Migration verlangt – andernfalls werde es keine weiteren Gespräche geben. Die Grünen halten derzeit maximal gemeinsame Grenzpatrouillen für rechtlich möglich.
CDU-Chef Merz sieht die FDP aktuell «auf dem Sterbebett».
Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz will bis Dienstag Klarheit zur Marschrichtung einer neuen Zuwanderungspolitik.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 5. September 2024

Wird der kommende Dienstag zum Tag des Showdowns zwischen Befürwortern und Gegnern einer restriktiveren Migrationspolitik? Oder geht es im Bund nur um Wahlkampfgetöse angesichts der anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg am 22. September?

Der Oppositionsführer im Bundestag, CDU-Chef Friedrich Merz, hat der Ampelregierung mehreren Medienberichten zufolge jedenfalls ein Ultimatum bis zum 10. September 2024 gestellt. „T-online“ zitiert eine aktuelle Merz-Wahlkampfrede aus Brandenburg an der Havel:

Wenn die Bundesregierung nicht bereit ist, bis zum nächsten Dienstag uns eine verbindliche Erklärung zu geben, dass der unkontrollierte Zuzug an den Grenzen gestoppt wird und diejenigen, die immer noch kommen, an den Grenzen in Deutschland zurückgewiesen werden, dann machen weitere Gespräche mit der Bundesregierung keinen Sinn.“

Merz sieht Kanzler in der Pflicht – und mahnt zur Eile

Weitere Prüfungen der Rechtslage sind nach Einschätzung von Merz Zeitverschwendung: „Die Prüfvermerke, dass das geht“, lägen bereits seit 2016 „im Bundesinnenministerium und im Bundesjustizministerium“ vor, so Merz laut „t-online“. Der Bundeskanzler möge nun von seiner „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch machen: „Dann haben wir nächste Woche Mittwoch eine Verabredung, dann können wir in den Deutschen Bundestag gehen und dann können wir bereits in der nächsten Woche die notwendigen Gesetze in erster Lesung beraten und verabschieden“.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bestätigte auf Anfrage der „Bild“ die Entschlossenheit seiner Partei: Sollten die Gespräche am Dienstag „hinter den Notwendigkeiten zurückbleiben, sind wir raus“.

Mihalic bietet gemeinsame Grenzpatrouillen als Ausweg an

Größtes Hindernis für eine verbindliche Erklärung der Ampelkoalition pro Zuzugsstopp dürfte der Widerstand der Grünen sein. Irene Mihalic, Ex-Polizistin und Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, wäre nach Informationen der „Rheinischen Post“ derzeit lediglich offen für gemeinsame Patrouillen von deutschen Grenzschützern mit Beamten aus den Nachbarländern. Das wäre aus ihrer Sicht „eine Maßnahme, die geeignet ist, real zu einer Verringerung der Zuwanderung zu führen, aber auf dem Boden des Rechtsstaats“ sei.

Mihalic hatte bereits direkt nach dem ergebnislosen Migrationsgipfel vom 3. September 2024 erklärt, dass Zurückweisungen an deutschen Grenzen mit ihr nicht zu machen seien – wegen der aus ihrer Sicht unüberwindlichen rechtlichen und praktischen Hürden. Auch die Erklärung eines „nationalen Notstands“, wie sie der CDU-Unterhändler Thorsten Frei zur Debatte gestellt hatte, ist nach Mihalics Rechtsverständnis „abwegig“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war noch in jüngster Vergangenheit gegenüber der CDU ebenfalls auf Konfrontationskurs gegangen. Unter Kanzlerin Angela Merkel habe die Partei noch gewusst, „was sich gehört“. Heute aber versuche die CDU, dem „Populismus“ hinterherzulaufen, so Habeck laut „Spiegel“ bei einer Wahlkampfveranstaltung in Potsdam.

FDP erscheint immer nervöser

Die FDP steht spätestens seit ihrem Rauswurf aus den Landesparlamenten in Sachsen und Thüringen in der Migrationsfrage klar auf der Seite jener, die „eine grundlegende Neuordnung der Einwanderungs- und Asylpolitik“ befürworten, wie Parteichef Christian Lindner sich am Tag nach den Wahlen ausgedrückt hatte. Auch parteiintern werden die Forderungen nach strengeren Migrationsregeln und die Handlungsappelle an Lindner immer lauter.

Nach Informationen der „Bild“ fand FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bereits warnende Worte in Richtung der Grünen, falls diese sich nicht bewegen wollten:

Die Grünen dürfen hier nicht blockieren. Wer konstruktive Lösungen bei diesem Thema blockiert, gefährdet die Sicherheit des Landes und ist letztlich nicht regierungsfähig.“

Buschmann und Faeser auf der Suche nach dem Ausweg

Laut „Bild“ sucht Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) inzwischen nach rechtlichen Wegen, um wenigstens solche Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen zu können, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden. Sofern sie sich auf ihrem Weg nach Deutschland nirgendwo anders registrieren ließen, hätten sie nach dem gegenwärtigen deutschen Asylrecht und aufgrund von EU-Bestimmungen noch immer freie Bahn – und Anspruch auf ein deutsches Asylverfahren. Dieser Sachverhalt steht in der Ampel offenbar nicht zur Debatte.

Aktueller Verhandlungspartner für Buschmann ist laut „Bild“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Auch sie hatte sich – auch unter dem Eindruck des Messerattentats von Solingen – zuletzt immer wieder öffentlich dafür ausgesprochen, die irreguläre Einwanderung stärker zu begrenzen.

Nach Auffassung Faesers tragen die bisherigen Regierungsmaßnahmen bereits Früchte: „Es gibt ein Fünftel weniger Asylanträge als im Vorjahr, ein Fünftel mehr Rückführungen, mehr als 30.000 Zurückweisungen an den deutschen Grenzen durch unsere Binnengrenzkontrollen seit Oktober 2023“, so Faeser nach dem Migrationsgipfel.

Kühnert spricht von „Provokation“ durch Merz

Die Kanzlerpartei SPD sieht sich allerdings offensichtlich nicht gezwungen, in aller Eile auf das Ultimatum von Oppositionsführer Merz einzugehen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärte im ARD-Talkformat „Maischberger“ am 4. September, er sei „nicht geneigt und nicht gewillt, auf diese Forderung oder von mir aus auch Provokation an der Stelle einzugehen.“ Die bis dato geführten Gespräche seien „viel zu ernsthaft und zu seriös“, zu „gut“ und „zu konstruktiv“ gewesen, so Kühnert.

Für ihn bleibe es bei der gemeinsamen Verabredung, zunächst rechtliche Prüfungen durchzuführen. Dabei habe „niemand das Interesse, das jetzt zu verschleppen“. Merz verlange angesichts der bevorstehenden Landtagswahl in Brandenburg aber offenbar ein „allzu unrealistisches Tempo“, womöglich auch, um im Fall eines Rückzugs von der Debatte den „Knalleffekt“ auf seiner Seite zu haben (Video ab ca. 42:30 Min. in der ARD-Mediathek).

Kooperation schon einmal gescheitert

Merz hatte Gespräche zwischen Regierung und Opposition im Herbst 2023 schon einmal frühzeitig abgebrochen. Der Kanzler-Appell für einen gemeinsamen „Deutschlandpakt“ zur Modernisierung des Landes war Anfang November an unterschiedlichen Positionen zur Migrationspolitik gescheitert.

Merz hatte das damals mit dem Hinweis begründet, dass Olaf Scholz es während der Ministerpräsidentenkonferenz abgelehnt habe, eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Regierung und Union zur Steuerung der Zuwanderung einzusetzen. Merz erklärte laut „Tagesschau“, das bedeute für ihn den „vorläufigen Endpunkt der gemeinsamen Gespräche zur Migrationspolitik“. Das Thema Deutschlandpakt habe sich damit „erledigt“.

SPD in Brandenburg derzeit hinter AfD

In Brandenburg wird am 22. September ein neuer Landtag gewählt. Der amtierende Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke hatte bereits mehrfach seinen Rückzug aus der Politik angekündigt, falls die AfD tatsächlich stärkste politische Kraft werden würde.

Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitut INSA, die im Auftrag des „Nordkuriers“ Anfang August durchgeführt worden war, steht die AfD in Brandenburg mit 24 Prozent auf Platz eins. Vier Zähler dahinter rangiert Woidkes SPD, knapp gefolgt von der CDU (19 Prozent) und dem BSW (17 Prozent).

Die beiden Ampelparteien Grüne (5 Prozent) und FDP (2 Prozent) könnten wie jüngst in Thüringen aus dem Landtag fliegen. Um den Einzug ins Potsdamer Parlament müssen auch die Linken (5 Prozent) und das Bündnis aus Brandenburger Vereinigter Bürgerbewegung und Freien Wählern (4 Prozent) bangen.



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