Streit um Corona-Untersuchungsausschuss: „Zahnloser Ausschuss“ keine Option für AfD
Noch immer stehen sich im hessischen Landtag zwei Gruppen ziemlich unversöhnlich gegenüber: Die AfD beharrt auf der Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses im Landtag, die übrigen vier Parteien lehnen das unter Verweis auf die mutmaßliche Verfassungswidrigkeit des entsprechenden AfD-Antragstextes seit Mitte Mai 2024 ab.
Auch eine Sachverständigenanhörung am Mittag des 11. Juni im Hauptausschuss des Landesparlaments brachte noch keinen Konsens: Mit der Düsseldorfer Rechtsprofessorin Dr. Sophie Schönberger, dem ehemaligen rheinland-pfälzischen Ministerialdirigenten Dr. Paul J. Glauben und dem Hamburger Rechtsanwalt Dr. Max Schwerdtfeger wurden drei Gutachter gehört, die das AfD-Antragspapier (PDF) für zumindest in Teilen verfassungswidrig halten.
Ganz anders das vierte Gutachten aus der Feder des Staatsrechtlers Prof. Karl Albrecht Schachtschneider, das die AfD-Fraktion eigenen Angaben zufolge vor der Anhörung vorgelegt hatte: Schachtschneider hatte laut „Tagesschau“ nur einen der 43 AfD-Antragspunkte bemängelt. Es sei nicht unbedingt die Aufgabe eines hessischen Untersuchungsausschusses, die von Bundestagsabgeordneten vermittelten Bundesaufträge für Maskenproduzenten zu untersuchen, so der 83-jährige Staatsrechtler in seiner 26-seitigen Beurteilung. Ansonsten aber sei nichts „unsachlich oder aus einem sonstigen Grund unzulässig“.
AfD sieht Kompromissoption – Showdown am 18. Juni?
„Die AfD im hessischen Landtag bleibt gesprächsbereit“, erklärte ein Sprecher der AfD-Fraktion gegenüber der Epoch Times. Man könne sich eine Lösung auf Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. Sophie Schönberger vorstellen. Schönberger habe im Anhang ihres Schriftstücks Änderungsvorschläge unterbreitet, mit denen man wohl werde leben können. Dazu müsste die AfD bestimmte Passagen aus ihrem Antrag neu formulieren oder streichen. Details dazu nannte er nicht.
Die beiden übrigen Gutachten der Gegenseite kämen als Diskussionsgrundlage für die AfD-Fraktion allerdings keinesfalls infrage, so der Sprecher: Die darin enthaltenen Änderungsvorschläge seien inakzeptabel, weil der Spielraum für einen U-Ausschuss dann „viel zu eng“ sei. Das sieht nach einer aktuellen Pressemitteilung der hessischen AfD-Fraktion auch ihr gesundheitspolitischer Sprecher Volker Richter so:
Insgesamt wirkt das Vorgehen der anderen Fraktionen wie der Versuch, die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen zu verschleppen und dem Ausschuss inhaltlich die Zähne zu ziehen. Ein zahnloser Ausschuss muss ausgeschlossen sein, denn der würde nichts erreichen.“
Sollte sich der Hauptausschuss am kommenden Dienstag, 18. Juni, auch von einem AfD-Kompromissangebot auf Grundlage des Schönberger-Gutachtens nicht zu einem Ja für einen U-Ausschuss durchringen, bliebe dem Antragsteller nur noch der Weg einer Verfassungsklage vor dem Staatsgerichtshof in Wiesbaden. Dass man bereit sei, diesen Weg zu gehen, bestätigte der Fraktionspressesprecher im Gespräch mit der Epoch Times.
Vier Fraktionen drohen mit Nein
Nach Angaben der „Tagesschau“ hatten Vertreter der Regierungsfraktionen CDU und SPD sowie der Grünen und der FDP die AfD-Fraktion bereits am Vortag geraten, den Antrag entweder „maßgeblich nachzubessern oder einen verfassungsgemäßen Antrag vorzulegen“. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass der hessische Landtag zum ersten Mal überhaupt einen U-Ausschuss-Antrag wegen teilweise verfassungswidriger Inhalte ablehnen werde, obwohl die nötige Unterschriftenzahl erreicht worden sei.
Die „außergewöhnlichen staats- und verfassungsrechtlichen Probleme“, welche dem AfD-Antrag nach Meinung der vier übrigen Landtagsparteien „offenkundig zu eigen“ seien, wollten diese bis dahin „auflösen“, so die „Tagesschau“. Für diese vier Fraktionen und ihre drei Rechtsgutachter sei der AfD-Antrag „viel zu weit gefasst“. Er betreffe auch Fragen, die gar nicht in den Verantwortungsbereich des Landes Hessen fielen. Außerdem stünden im Antrag vermeintlich unbelegte Behauptungen – etwa zum Zusammenhang von COVID-19-Impfungen und Todesfällen.
U-Ausschuss Ende April 2024 beantragt
Ende April hatte die AfD-Fraktion den hessischen Landtag aufgefordert, einen „Untersuchungsausschuss zur Untersuchung, Aufklärung und Beurteilung der Landespolitik in Bezug auf das Corona-Virus ‚SARSCoV-2‘ und die durch dieses Virus verursachte Erkrankung ‚COVID-19‘ (‚Corona-UA‘)“ einzusetzen. Die nötige Anzahl von 27 Stimmen hatte die 26-köpfige Fraktion erst kurz zuvor zusammen bekommen: Der heute fraktionslose Ex-AfD-Abgeordnete Sascha Herr hatte sich bereit erklärt, die fehlende Unterschrift beizusteuern.
„Es geht um die Aufklärung und Beurteilung aller Maßnahmen, gesetzlichen Regelungswerke und öffentlichen Stellungnahmen, welche zur Bekämpfung des Corona-Virus ergangen sind“, beschrieb AfD-Gesundheitspolitiker Volker Richter den Sinn und Zweck des U-Ausschusses während einer eigens anberaumten Pressekonferenz am 24. April (Video auf YouTube).
Landesregierung hat „gravierende Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit
Doch als der Landtag am 14. Mai offiziell über den Antrag abstimmen sollte, wurde die Formalität zum Zankapfel. Die schwarz-rote Regierungskoalition meldete zur Überraschung der AfD-Abgeordneten „gravierende Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit des Antragspapiers an: Der hessische Landtag habe womöglich gar kein Recht dazu, Bundesbehörden wie das Robert Koch-Institut oder Teilnehmer der Bund-Länder-Runden aus der Corona-Zeit zu befragen.
Ingo Schon, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, verlangte laut „Hessenschau“, den Hauptausschuss mit der Klärung der Streitfrage zu beauftragen. Mit den Stimmen der Fraktionen von Grünen und FDP wurde dies auch so beschlossen, obwohl AfD-MdL Volker Richter den Vorschlag zuvor als „gesetzeswidrig“ abgelehnt und rechtliche Schritte angekündigt hatte.
Gleichwohl habe der Hauptausschuss sogleich die Landtagskanzlei beauftragt, Gutachten über den AfD-Antrag erstellen zu lassen, berichtete die „Hessenschau“. „Das ist nichts anderes als der Versuch, die Aufarbeitung der Coronazeit zu verschleppen und dem Untersuchungsausschuss die Zähne zu ziehen“, erklärte wiederum Richter in einer Pressemitteilung vom 16. Mai. Er sei überzeugt:
Wer fest daran glaubt, alles richtig gemacht zu haben, als ob es weder RKI-Files, noch klar nachgewiesene Impfschäden, noch psychische Erkrankungen bei Kindern gab, der sollte keinen Corona-Untersuchungsausschuss fürchten. Wer ihn mit allen Mitteln verschleppen oder verhindern will, hat etwas zu verbergen.“
Nach den ursprünglichen Vorstellungen der AfD-Fraktion sollte der Untersuchungsausschuss seine Arbeit in der zweiten Jahreshälfte 2024 aufnehmen und dann „mehrere Jahre“ lang tagen. Der AfD selbst würden drei der 15 Ausschusssitze zustehen. Damit hätte die AfD nach Angaben der „Tagesschau“ zugleich das Recht, selbst Beweisanträge zu stellen, um etwa Zeugen vorzuladen.
Die übrigen Fraktionen im hessischen Landtag befürchten nach den Worten von Ute Wellstein, der Leiterin des HR-Landtagsstudios, dass die AfD den U-Ausschuss in ein „Tribunal“ verwandeln wolle.
Zwischenbilanz beim Brandenburger Corona-U-Ausschuss
Zurzeit ist Brandenburg das einzige Bundesland, in dem ein Corona-Untersuchungsausschuss aktiv ist – und das schon seit vielen Monaten. Er war ebenfalls auf Betreiben der dortigen AfD-Fraktion eingerichtet worden. Das Land Brandenburg sah anders als die hessischen Abgeordneten offenbar kein Problem damit, bundesweit prominente Köpfe der Corona-Politik in den Zeugenstand zu laden: So sagten beispielsweise bereits Prof. Lothar Wieler, der ehemalige Leiter des Robert Koch-Instituts sowie Vertreter des Paul-Ehrlich-Instituts in Potsdam aus. Am 12. Juni 2024 will der Ausschuss ein Zwischenfazit seiner Arbeit veröffentlichen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion