Streit um Analyse: Warum drei Juristen und ein Mathematiker Bedenken haben

Der seit Tagen andauernde Streit um die Korrektheit einer Datenanalyse zu möglichen Impfschäden lässt viele Fragen offen. Die Widersprüchlichkeit von Äußerungen des PEI, der KBV und des Zi haben inzwischen auch drei Juristen und einen Mathematiker auf den Plan gerufen. Die Epoch Times hat sie zu ihren Zweifeln befragt.
Impfnebenwirkungskodierungen - Kumulierte Daten der Jahre 2016 bis 2021 (Quelle: AfD)
Impfnebenwirkungskodierungen – Kumulierte Daten der Jahre 2016 bis 2021Foto: Ausschnitt der AfD-Präsentation vom 12.12.2022
Von 20. Dezember 2022

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Nachdem Martin Sichert von der AfD und der Datenanalyst Tom Lausen am 12. Dezember schwere Vorwürfe gegen das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erhoben hatten, ist ein Streit um die Korrektheit der Datenbasis der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), um ihre Interpretation und um die Rolle der Behörden bei der Aufklärung möglicher Impfschäden entbrannt.

Die KBV und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) reagierten auf die Analyse mit Unverständnis und Kritik – und lieferten völlig anderslautende Begründungen für das Zustandekommen von Krankheitsdiagnosen und Todesfällen. Auch die Fraktionen im Bundestag – mit Ausnahme der AfD – lehnten die Schlussfolgerungen Lausens am 16. Dezember mit zum teil harten Worten ab.

PEI: Warten auf die Krankenkassen

Noch am Tag der Bundestagssitzung hatte sich das PEI mit einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. Das PEI erklärte, dass bis vor Kurzem keine einzige deutsche Krankenkasse an einer Zusammenarbeit für eine Studie über „seltene und/oder schwerwiegende Nebenwirkungen“ der COVID-19-Schutzimpfungen interessiert gewesen sei.

Deshalb sei man noch nicht dazu gekommen, eine entsprechende Studie durchzuführen. Denn die Daten der Krankenkassen seien „sehr viel besser“ für eine Auswertung geeignet als etwa die Daten der KBV, auf deren Grundlage Datenanalyst Lausen seine Auswertung von Impfnebenwirkungen und „plötzlichen und unerwarteten Todesfällen“ erhoben hatte.

Manche der von PEI, KBV und Zi getroffenen Aussagen weckten allerdings Zweifel bei interessierten Beobachtern. Einige Rechtsanwälte wendeten sich wegen begründeter Zweifel bereits selbst an das Paul Ehrlich-Institut, um endlich Licht in die Sache zu bringen: Wer hat Recht? Wer irrt in welchem Punkt? Wer hat welche Pflichten versäumt? Was ist nun zu tun? Die Epoch Times hat drei Juristen und einen Mathematiker zu den Gründen für ihre Bedenken befragt.

Prof. Martin Schwab: Taschenspielertricks?

Für den Bielefelder Juraprofessor Martin Schwab sind die Aussagen von KBV-Chef Dr. Andreas Gassen, nach denen „der Anstieg der Todesfälle wahrscheinlich auf die Pandemie zurückzuführen“ und „die Übersterblichkeit ohne Impfung wahrscheinlich weit höher gewesen“ sei, „in keiner Weise schlüssig“.

„Wenn Gassen richtig liegt“, fragte Schwab gegenüber der Epoch Times, „warum hatten wir dann nicht schon 2020 eine Übersterblichkeit, als es die Impfung ja noch gar nicht gab? Warum setzen die großen Anstiege an bestimmten Erkrankungen oder plötzlichen und unerwarteten Todesfällen laut dem 90-seitigen KBV-Rohdatensatz erst mit dem 1. Quartal 2021 ein, also mit dem Beginn der Impfungen?“

Auch gegenüber dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung übte Schwab Kritik: „Wenn Herr Dr. von Stillfried vom Zi von Fehlern bei der Eingabe oder Übertragung der Daten ausgeht, dann muss man sich schon fragen: Was ist denn das für ein Saftladen, der seine Daten nicht ordentlich erfassen kann?“ Ihn erinnere das an einen „Taschenspielertrick“, den nach einem Bericht des Onlinemagazins „The Blaze“ schon das US-Militär angewendet habe: „Die hatten nach Beginn der Impfungen auch starke Anstiege bei Myokarditis, Turbokrebs usw. verzeichnet. Sie argumentierten damals, das alles habe es auch schon in den Jahren von 2016 bis 2020 gegeben, man habe die Fälle nur seinerzeit nicht vollständig erfasst. Also entweder haben wir da beim US-Militär nur lauter Multimorbide oder lauter unfähige Datenerfasser“, meint Schwab.

Dem Datenanalysten Tom Lausen habe er selbst geraten, sich Gedanken über eine Strafanzeige und einen Strafantrag gegen jene Bundestagsabgeordnete zu machen, die ihn am 16. Dezember bei der Aktuellen Stunde beleidigt hätten. Äußerungen wie „Daten-Salafist“ (Tino Sorge, CDU), „Pseudo-Sachverständiger“ (Herbert Wollmann, SPD) oder „Scharlatan“ (Heike Engelhardt, SPD) hätten seiner Einschätzung nach jedenfalls „die Grenze zur Beleidigung schon überschritten“.

Insgesamt, so Schwab, komme es ihm vor, als ob „die Befürworter der Impfkampagne immer nervöser und ihre Aussagen immer widersprüchlicher“ würden. Das zeige sich aus seiner Sicht auch „an den immer stärkeren verbalen Ausfällen“.

Friedemann Däblitz: „Absurde Annahmen“

Der Hamburger Rechtsanwalt Friedemann Däblitz ist nach eigenem Bekunden seit zweieinhalb Jahren „für den Erhalt der Grundrechte in Pandemiezeiten“ unterwegs. Nun legte er sich auch mit dem Paul-Ehrlich-Institut an. Er forderte das PEI mit einem offiziellen Schreiben auf, dafür zu sorgen, dass die vorliegenden Daten bis zum 21. Dezember geprüft und gegebenfalls verifiziert werden – und die Impfstoffe gegen COVID-19 nötigenfalls unverzüglich vom Markt genommen werden.

Däblitz beruft sich dabei auf die amtlichen Zahlen der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes, „denn amtlichere Zahlen als die des Statistischen Bundesamtes gibt es nicht“, so Däblitz. Das PEI habe der festgestellten „explosionsartigen Entwicklung“ der Impftodesfälle durch COVID-19 ihm gegenüber bislang nicht widersprochen. Außerdem sei das Institut „bei seiner Observed-versus-Expected-Analyse“ davon ausgegangen, dass ihm „alle Fälle von Impfnebenwirkungen gemeldet“ worden seien, „insbesondere die schweren“.

Diese Annahme hält Däblitz für „absurd“: „Das PEI selbst hat in 2002 noch eine Dunkelziffer schwerwiegender Nebenwirkungsmeldungen von 95 Prozent publiziert und noch 2018 auf die Problematik fehlender Compliance der Ärzte in Bezug auf ihre Meldepflichten nach Infektionsschutzgesetz aufmerksam gemacht“. „Nun so zu tun, als bräuchte man nur die eingehenden Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu bewerten, kann mit Unvermögen kaum erklärt werden“, so Däblitz‘ Überzeugung.

Der Jurist rechnet allerdings nicht damit, dass das PEI seiner Aufforderung folgt: „Niemand möchte sein Gesicht verlieren“, so Däblitz. „Wenn nun aber in Kenntnis der neuesten amtlichen Zahlen weiterhin ohne Not Leben durch die Impfung gefährdet werden, wird es strafrechtlich relevant“. Womöglich berühre das Verhalten des PEI den Paragrafen 211 StGB, Verdeckungsabsicht.

Frank Großenbach: Unterstellungen und Beleidigungen

Auch der Frankfurter Rechtsanwalt Frank Großenbach ist der Auffassung, dass wegen der durch Daten belegten Übersterblichkeit „von mindestens 30.000 im Jahre 2021, dem Jahr der Impfungen“, ein „Anfangsverdacht“ bestehe. Dieser reiche nicht nur aus, sondern verpflichte sogar, „die mRNA-Wirkstoffe aus dem Verkehr zu ziehen“, bis „sicher ausgeschlossen werden“ könne, „dass die Übersterblichkeit auf die Impfungen zurückzuführen“ sei. Laut Paragraf 69 des Arzneimittelgesetzes und aufgrund des gesetzlichen Auftrags nach Paragraf 13, Absatz 5 des Infektionsschutzgesetzes genüge das Auftreten eines „Warnsignals“, um die mRNA-Wirkstoffe unverzüglich vom Markt zu nehmen. Dieses Warnsignal sieht er nach der Analyse von Lausen als gegeben an.

Zumindest aber müsse „die Bevölkerung über die Sachzusammenhänge“ aufgeklärt werden, „damit jedermann in eigener Kenntnis der Datenlage über seinen Körper selbstbestimmt handeln kann“, forderte Großenbach. Auch im Namen von Tom Lausen habe er bereits am 12. Dezember, dem Tag der AfD-Pressekonferenz eine entsprechende Erklärung an das PEI abgegeben (Video bei Odysee).

Die Aussagen von KBV-Chef Andreas Gassen hätten seiner Einschätzung nach die Position der Impfkampagnenskeptiker sogar bestärkt: „Er erklärt, dass die dargelegte erhöhte Sterblichkeit ein normales Pandemiegeschehen abbilden würde. Das ist eine einfache Bewertung der Zahlen. Diese Bewertung ist nicht plausibel“. Mit seinem Statement habe Gassen indirekt „bestätigt, dass die von Tom Lausen festgestellte Übersterblichkeit statistisch zutreffend dargelegt sei. Nur eben sind seine Schlussfolgerungen aus den vorgelegten Zahlen andere“, erklärte Großenbach.

Wenig später habe Zi-Chef Dr. von Stillfried erklärt, „dass die Daten durch eine bestimmte Auswahl fehlerhaft ausgewertet“ worden seien. Es seien lediglich solche Patientendaten ausgewertet worden, für die im Jahr 2021 noch einmal eine ärztliche Diagnose erstellt worden sei. „Damit hat Herr Dr. von Stillfried eine unbegründete Unterstellung an die Datenauswertung herangetragen“, meint Großenbach. Aus seiner Sicht handele es sich um eine „fehlerhafte Tatsachenbehauptung“. Er gehe davon aus, dass von Stillfried so gehandelt habe, „weil ihm wohl klar war, welche Sprengkraft die vorgelegten Daten haben, wenn sie auch durch ihn bestätigt werden würden“.

Generell sei für ihn „nicht nachvollziehbar“, warum „abwegig[e] und dem gesunden Menschenverstand widersprechend[e] Thesen“ geeignet sein sollen, einen Zusammenhang der dargelegten Übersterblichkeit und den Impfungen kategorisch auszuschließen. Es möge wohl andere, wesentlich weniger geeignete Ursachenzusammenhänge geben – aber diese seien „mitnichten geeignet, eine andere Ursache, die sogar wesentlich plausibler ist, auszuschließen“.

Jene Bundestagsabgeordneten, die „Tom Lausen mit unflätigen Verbalinjurien beleidigt“ hätten, täten seiner Meinung nach gut daran getan, die grundsätzliche Bestätigung der Übersterblichkeitszahlen durch Andreas Gassen zum Anlass zu nehmen, „den Sachverhalt noch einmal eingehender zu prüfen, bevor man pauschale Beleidigungen“ ausspreche. „Statt sich bei Tom Lausen selbst zu erkundigen und sich sachkundig zu machen, wurde einfach Unterstellungen gefolgt, die haltlos sind“, erklärte Großenbach.

Er werde die drei Bundestagsabgeordneten auffordern, eine Unterlassungserklärung abzugeben, kündigte der Jurist an. Darin sollten sie sich verpflichten, Beleidigungen zu unterlassen und nicht weiter „unrichtige Tatsachenbehauptungen aufzustellen, die Daten wären ,Fake-Daten‘, oder ,verfälscht‘“.

Die Presseerklärung des PEI vom 16. Dezember habe bestätigt, dass dem „gesetzlichen Auftrag nach § 13 Abs. 5 Infektionsschutzgesetz auch jetzt noch immer nicht nachgekommen“ werde. Zudem habe das PEI es dabei belassen, „die Unterstellung von Dr. von Stillfried zu übernehmen“, statt die Zahlen Tom Lausens „eigenständig auszuwerten“, wozu er selbst das PEI ja bereits aufgefordert habe.

Mathematiker Özoguz: Widersprüche überall

Wenige Tage nach der offiziellen Präsentation der Datenanalyse hatte sich auch der Bremer Diplom-Mathematiker Huseyin Özoguz interessehalber mit den Zahlen beschäftigt – und seine Sicht der Dinge auf YouTube gepostet. Gegenüber der Epoch Times erklärte er, dass es ihm dabei vor allem um „ergebnisoffene Erforschung von Impfnebenwirkungen im Allgemeinen“ gegangen sei. Außerdem habe er „über die widersprüchlichen Erklärungen von KBV und Zi“ aufklären wollen.

Das Zi habe ja eigene Daten veröffentlicht, die der KBV widersprächen, meinte Özoguz. Trotzdem seien KBV und Zi bei ihren Interpretationen geblieben: Die KBV sehe nach wie vor die „Pandemie als Ursache für die Zunahme“, das Zi beharre auf der „Behauptung, dass es in den KBV-Daten nur sehr, sehr wenige Fehler gäbe, die die Todesabrechnungen vor 2021 erklären würden“.

Das Statistische Bundesamt habe inzwischen Todesfallzahlen veröffentlicht, die sowohl den KBV- als auch den Zi-Daten widersprächen. Und das PEI habe zugegeben, „dass es weder die Daten bisher erhalten noch analysiert hat, trotz gesetzlichem Auftrag“. Das alles passe nicht zusammen, findet Özoguz. Im Übrigen habe er trotz Anfrage vom PEI noch keine Antwort auf seine Darlegung bekommen. Auch die KBV habe bislang nicht auf Özoguz‘ Bitte geantwortet, vollständige Datensätze an ihn zu liefern.

Für die Epoch Times war bis zum 20. Dezember weder vom PEI noch von den Krankenkassen ein aktuelles Statement zur Kritik oder zur künftigen Zusammenarbeit zu bekommen.

Was war passiert?

Am Montag, 12. Dezember, hatten Tom Lausen und Martin Sichert, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, auf einer Pressekonferenz im Bundestag eine Auswertung der KBV-Datensätze aus den Jahren 2016 bis 2021 vorgelegt (Video auf YouTube; PDF-Dokument der Präsentation).

Ihr Augenmerk lag dabei besonders auf dem Anstieg der „plötzlichen und unerwarteten Todesfälle“ mit Beginn des Jahres 2021. Sichert und Lausen erhoben schwere Vorwürfe gegen die offiziellen Stellen der Regierung: Sowohl das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als auch das ihm übergeordnete Robert Koch-Institut als auch das Bundesgesundheitsministerium hätten ihre Pflicht versäumt, selbst eine solche Analyse vorzunehmen und die Hintergründe zu untersuchen. Dazu wären sie laut Paragraf 13, Absatz 5 des Impfschutzgesetzes aber verpflichtet gewesen. Passiert sei seit Monaten nichts.

Sichert und Lausen betonten auf der Pressekonferenz, nicht sagen zu können, „dass der Anstieg der plötzlichen und unerwarteten Todesfälle direkt von der Impfung“ herrühre. Es bestehe lediglich ein Verdacht, dass dem so sein könnte. Bis Klarheit zu den Ursachen der Ausreißer herrsche, müsse die Verabreichung von Corona-Impfstoffen gestoppt werden, so eine der Forderungen Sicherts.



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