Stephan Kramer: „Haltlose Vorwürfe“ von „Apollo News“
Der Präsident des thüringischen Landesamts für Verfassungsschutz, Stephan Kramer (SPD, vormals FDP, zuvor CDU), will sich nicht zu den schweren Vorwürfen äußern, die das Onlinemagazin „Apollo News“ am 9. Dezember 2024 gegen ihn vorgebracht hatte. „Apollo News“ hatte Kramer unter anderem wegen dessen Umgang mit der AfD, wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht und wegen seines Führungsstils als Chef des Landesverfassungsschutzamts (AfV) schwer belastet.
„Ich sehe keine Veranlassung, diese haltlosen Vorwürfe zu kommentieren“, antwortete Kramer am Dienstagnachmittag auf eine schriftliche Anfrage der Epoch Times.
Eine Stellungnahme aus dem Landesinnenministerium von Georg Maier (SPD) blieb bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Artikels ebenso aus wie Antworten von „Apollo News“ auf Fragen zur Quellenlage.
AfD erwägt Untersuchungsausschuss
Der AfD-Landesverband Thüringen hatte dagegen bereits im Laufe des Montags reagiert. Stefan Möller, der Sprecher für Bürgerrechte und Verfassungsschutzangelegenheiten der Thüringer AfD, denkt offenbar darüber nach, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, um die Story über mutmaßliche Fehltritte des SPD-Politikers aufklären zu lassen.
Die jüngsten Vorwürfe aus dem „Apollo News“-Artikel „Der Kramer-Komplex“ würden „ein verheerendes Bild sowohl von der Behörde als auch dem öffentlichen Rundfunk in Thüringen“ zeichnen, schrieb Möller in einer Pressemitteilung. Auch die parlamentarische Kontrollkommission im Erfurter Landtag erscheine in einem anderen Licht: Die Kommission schreibe „zwar lange Berichte“, habe aber nie die „detaillierten Verdachtsmomente des Geheimnis- bzw. Informantenverrats“ erwähnt, die in dem Artikel beschrieben würden. AfD-Mann Möller schrieb:
Diese Vertuschungstendenz spricht dafür, den Sachverhalt zum Gegenstand eines eigenen Untersuchungsausschusses zu machen und dabei auch die Rolle der Dienstvorgesetzten zu untersuchen.“
Auf der Website „AfD kompakt“ heißt es: „Sollten auch nur Bruchteile dieser nun aufzuklärenden Vorwürfe stimmen, erwarten wir den sofortigen Rücktritt von Stephan Kramer“. Die AfD-Bundessprecherin und Kanzlerkandidatin Alice Weidel habe bereits eine „transparente Aufklärung“ verlangt.
Stephan Brandner (AfD), der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, wies darauf hin, dass Kramer formell nicht die Qualifikation habe (Video auf YouTube).
Die Epoch Times bat die AfD um nähere Einzelheiten über ihre etwaigen U-Ausschuss-Pläne. Bis zum Redaktionsschluss lag keine Antwort vor.
Kramers Kampf gegen die AfD
Was steckt dahinter? Die beiden „Apollo News“-Autoren Max Mannhart und Boris Cherny wollen für ihren Text „Der Kramer-Komplex“ herausgefunden haben, dass der frühere Jura-Student und Sozialpädagoge Stephan Kramer bei seinem jahrelangen Feldzug gegen die AfD nicht immer sauber gearbeitet haben könnte.
So soll Kramer laut „Apollo News“ zur Einstufung der AfD als „Prüffall“ im Jahre 2018 sein eigentlich zuständiges Fachreferat 52, das sich im Landesamt für Verfassungsschutz (AfV) um Rechts- wie Linksextremismus kümmert, bewusst übergangen haben. Der Referatsleiter habe keine „Vermerke im Amt“ gekannt, die Kramers Vorgehen hätten erklären können, heißt es bei „Apollo News“.
Zudem solle Kramer persönlich eine Materialsammlung zur AfD Thüringen angelegt haben, ohne wenigstens intern preiszugeben, welche Quellen er dafür genutzt hatte. Kramers Sammlung soll im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wegen ihrer „merkwürdigen Struktur“ und wegen ihres Inhalts Heiterkeit ausgelöst haben, wie das Onlineportal berichtet.
Entlastendes „Ergänzungsgutachten“ weggedrückt?
Bei seiner Einstufung des AfD-Landesverbands als „gesichert rechtsextrem“ im März 2021 soll Kramer laut „Apollo News“ ein 30 Seiten starkes internes „Ergänzungsgutachten“, das einem 600-Seiten-Expertengutachten in Teilen widersprochen habe, nicht berücksichtigt haben.
Kramer, so das Medienportal, soll es seinen Mitarbeitern sogar verboten haben, die neuen Argumente in eine Überprüfung einfließen zu lassen. Man dürfe „dem Gegner keine Argumente liefern“, solle Kramer intern zum Ausdruck gebracht haben. Später soll der Politiker dem Verfasser des Ergänzungsgutachtens mit körperlicher Gewalt gedroht haben, als es in einem Zwiegespräch um dessen Arbeitseinsatz gegangen sei.
Wie „Apollo News“ weiter erläutert, sollen die Hinweise des Ergänzungsgutachtens darauf abgezielt haben, dass Meinungsäußerungen laut Bundesverfassungsgericht je nach Kontext und im Zweifelsfall im Regelfall zugunsten des Redners auszulegen seien. Zudem sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Äußerungen von Landtagsabgeordneten nach Art. 55 (1) der Thüringer Verfassung (PDF) nicht verfolgt werden dürften, wenn der betroffene MdL seine Worte in seiner Funktion als Abgeordneter wähle („Indemnität“). Daran habe sich auch der Verfassungsschutz zu halten.
AfD: wirklich „kämpferisch-aggressiv“?
Trotz zweier verlorener Gerichtsverfahren zum Thema Waffenverbot für AfD-Parteimitglieder soll Kramer darauf bestanden haben, den Landesverband wegen seiner angeblich „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten“ Bestrebungen als „kämpferisch-aggressiv“ darzustellen. Das sei eine wichtige Zuschreibung, wenn man ein Parteiverbotsfahren zum Erfolg führen wolle, so das Portal weiter. Auch dabei solle Kramer den Faktor der Indemnität unberücksichtigt gelassen haben.
Zuletzt hatte der SPD-Politiker Ende September 2024 nach der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags davon gesprochen, dass die AfD „staatszersetzende“ Ziele verfolge.
Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht?
Die Lektüre des „Apollo News“-Artikels legt außerdem nahe, dass Kramer im Kontakt mit zwei Investigativ-Journalisten des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) vertrauliche Informationen aus dem AfV weiter gegeben haben könnte. Falls dem so wäre, könnte es sich um einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht gemäß Paragraf 37 (1) des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) handeln. Umgekehrt sollen die beiden MDR-Mitarbeiter den Namen eines Informanten aus dem AfV unter Missachtung des Presserechts an Kramer verraten haben. Dieser Informant arbeite nicht mehr beim AfV.
Das Portal beruft sich als Quelle für diesen Teil seiner angeblich monatelangen Recherche auf „Chatverläufe“ zwischen Kramer und den beiden MDR-Reportern, ohne die Chats zu belegen. Später soll es jedenfalls Kramer gewesen sein, der die belastenden Chatverläufe an das Landesinnenministerium weitergeleitet habe, nachdem er von der vermeintlichen Illoyalität seines Mitarbeiters erfahren habe.
Daraufhin habe das TMIK ein Disziplinarverfahren gegen den Politiker angestrengt – wegen des „Verdachts eines schweren Dienstvergehens“. Kramer stelle womöglich ein „ernsthaftes Sicherheitsrisiko“ dar, heißt es im Ausschnitt eines Papiers des Innenministeriums, das laut „Apollo News“ vom 27. Juli 2019 stammen soll. Was aus einem „Geheimschutz-Überprüfungsverfahren“ gegen Kramer wurde, bleibt unklar.
Die Geschichte dahinter
Auslöser für die Kontaktaufnahme der MDR-Journalisten zu Stephan Kramer soll ein Foto gewesen sein, das den Motorrad-Fan Kramer im Jahr 2015 zeigt, wie er an einer Kranzniederlegung für Gefallene der Roten Armee teilnimmt (Foto auch bei „Apollo News“). Mit dabei sollen neben Mitgliedern der Rockerszene auch Angehörige der Putin-affinen und extremistischen Gruppe „Nachtwölfe“ gewesen sein. Noch im Jahr dieser Gedenkfeier, im Herbst 2015, war Kramer vom damaligen Landesinnenminister Holger Poppenhäger (SPD) in der Regierung Bodo Ramelow (Linke) zum Chef des Landesinlandsgeheimdienstes gemacht worden. Die „Junge Freiheit“ hatte seinerzeit ausführlich über den Fall berichtet.
Ein Sprecher des MDR erklärte auf Anfrage der Epoch Times, dass der Sender „dem Vorgang“ nachgehe. „Der MDR steht in seiner Angebotsvielfalt für ausgewogenen und zuverlässigen Journalismus, der den Grundprinzipien des journalistischen Handwerks folgt. Dazu zählt neben anderen Kriterien die Sorgfalt in der Recherche beim Umgang mit Fakten und Quellen“, so der Sprecher.
Auf Nachfrage von „Apollo News“ soll der Sender angegeben haben, es lägen ihm jene Chatverläufe nicht vor, auf die Apollo-Autoren ihren Text gestützt hätten.
Fluchtbewegung aus dem AfV?
Laut der Medienplattform stehen außerdem Vorwürfe im Raum, nach denen AfV-Präsident Kramer „eine Mitarbeiterin mit einem absurden Mobbing-Verfahren“ konfrontiert haben soll.
Als weiteren Beleg für die Führungskultur unter Kramer wertet das Onlinemagazin den Umstand, dass die Planstelle des Referatsleiters für Rechts- und Linksextremismus seit drei Jahren verwaist sei: Bis heute kümmere sich eine Berufsanfängerin interimsmäßig um das Ressort. Darüber hinaus soll etwa ein Fünftel der rund 100 AfV-Mitarbeiter in den vergangenen fünf Jahren den Dienst unter Kramer quittiert haben (Video bei „Apollo News“).
Anfang September war bekannt geworden, dass die Parlamentarische Kontrollkommission des Thüringer Landtags aufgelöst wurde. Zu einer Neuwahl des Gremiums, das als Kontrollinstanz des AfV dient, soll es nicht kommen. Die Mehrheit des Parlaments hatte es abgelehnt, dass die AfD Zugriff auf geheime Daten bekommen könnte.
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