Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungsverfahren: Haben Behördenkräfte übergriffig gehandelt?

Seit Tagen steht der Verdacht im Raum, dass Polizisten oder Gefängnismitarbeiter Angeklagte der Frankfurter „Reichsbürger“-Gruppe schikanös behandeln könnten. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft, ob die Aussagen für ein Ermittlungsverfahren genügen.
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Das Symbolbild zeigt die Tür zu einem besonders gesicherten Haftraum in einer Frankfurter Haftanstalt.Foto: Boris Roessler/dpa
Von 16. Juli 2024

Am Rande des sogenannten „Reichsbürger-Prozesses“ um Heinrich Prinz XIII. Reuß in Frankfurt am Main könnten sich auch Vertreter der Staatsgewalt rechtswidrig verhalten haben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt prüft jedenfalls derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlicher Rechtsverletzungen beim Umgang mit Untersuchungsgefangenen einleiten wird. Das hat ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt auf Anfrage der Epoch Times bestätigt.

Es stehe die Frage im Raum, ob Mitarbeiter der Polizei oder einer Justizvollzugsanstalt (JVA) im Rahmen des Gefangenentransports zwischen Haftanstalt und Verhandlungsort unrechtmäßig gehandelt hätten: Sie könnten mindestens eine Untersuchungsgefangene regelmäßig gezwungen haben, sich nackt auszuziehen, um bei ihr körperliche Durchsuchungen durchzuführen. Dabei könnte es auch „zu anlasslosen Kontrollen der Körperöffnungen“ gekommen sein, wie der Staatsanwaltschaftssprecher schrieb. Ein Strafverteidiger einer der Angeklagten habe eine entsprechende Eingabe beim Polizeipräsidium der hessischen Metropole gemacht. Der Sprecher nannte weder den Namen der mutmaßlich Betroffenen noch ihres Rechtsbeistands.

Drei hessische Haftanstalten für neun Angeklagte

Die neun Angeklagten, über deren mutmaßliche Taten der 8. Strafsenat des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt seit dem 21. Mai zu urteilen hat, sitzen nach Auskunft einer OLG-Sprecherin in den Justizvollzugsanstalten Weiterstadt, Frankfurt I und Frankfurt III ein. Darunter befinden sich drei Frauen, nämlich Vitalia B., die frühere Lebensgefährtin des mutmaßlichen Rädelsführers, außerdem Johanna Findeisen-Juskowiak von der Partei „dieBasis“ und die 59-jährige Juristin Birgit Malsack-Winkemann, eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD.

Weibliche U-Häftlinge werden nach Angaben des hessischen Justizvollzugs normalerweise in der JVA Frankfurt am Main III untergebracht. Sollte sich die Darstellung des Strafverteidigers erhärten lassen, so wären die JVA in der Oberen Kreuzäckerstraße und der eigens aufgebaute Gerichtssaal in Sossenheim wohl die möglichen Tatorte der mutmaßlichen Übergriffe.

Behörden wenig auskunftsfreudig

Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main hatte zuvor auf Nachfrage der Epoch Times bestätigt, dass der Transport der Angeklagten an den Prozesstagen durch Kräfte der hessischen Polizei erfolge. Diese übernähmen die Beschuldigten in den Räumlichkeiten der JVA bis zum externen Gerichtsstandort in Frankfurt-Sossenheim und zurück. Nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft ist „für Fragen der Zuführung aus und in die Untersuchungshaft“ die jeweilige JVA zuständig.

Die JVA Frankfurt am Main III ließ einen Fragenkatalog der Epoch Times zum Sachverhalt trotz mehrerer Tage Reaktionszeit unbeantwortet.

Da nach einem X-Eintrag des Rechtsanwalts Dubravko Mandic womöglich auch die übrigen Untersuchungshäftlinge ähnliche Durchsuchungserfahrungen gemacht haben könnten wie mutmaßlich in der JVA Frankfurt III, fragte die Epoch Times auch in den Haftanstalten Frankfurt I und in Weiterstadt nach. Lediglich aus Weiterstadt erreichte uns eine kurze Nachricht: Man habe die Fragen zuständigkeitshalber an das hessische Justizministerium weitergeleitet. Auch von dort steht eine Antwort noch aus.

Womöglich noch mehr Betroffene?

Rechtsanwalt Mandic beruft sich auf Aussagen seiner Kollegen Dirk Sattelmaier und Jochen Lober, die gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) von Fehlverhalten zum Nachteil ihrer Mandanten unter den U-Häftlingen gesprochen hatten. So habe Sattelmaier der Zeitung mitgeteilt, dass nach seinem Wissensstand „mehr oder weniger fast alle der neun Angeklagten in Frankfurt betroffen“ seien. Sattelmaier verteidigt vor dem OLG einen Ex-Polizisten, Lober eine 59-jährige Juristin. Bei den beiden Mandanten dürfte es sich um Peter F. und Birgit Malsack-Winkemann handeln. Sowohl Sattelmeier als auch Lober reagierten bis zum Redaktionsschluss nicht auf Nachfragen der Epoch Times.

Laut NZZ handelt es sich nach Einschätzung von Strafverteidiger Jochen Lober bei einer Untersuchung der Körperöffnungen gemäß hessischem Untersuchungshaftvollzugsgesetz (PDF) zwar grundsätzlich um eine „im Einzelfall“ erlaubte Maßnahme. Voraussetzung sei allerdings eine konkret begründete Gefahrensituation, so Lober gegenüber der NZZ. Diese sei bei seiner Mandantin aber nicht gegeben. Deshalb halte er das, was er gehört habe, für „eine Schikane, die darauf ausgerichtet scheint, die Angeklagten psychisch zu brechen“.

Grundrechtseingriffe grundsätzlich bei Verdacht einer Straftat erlaubt

Jener Polizeisprecher, der von der NZZ in ein ungutes Licht gerückt worden war, bestätigte zudem auf Nachfrage der Epoch Times, dass er niemals die Unschuldsvermutung infrage gestellt hätte. Er habe lediglich versucht, der Reporterin „im Allgemeinen zu erklären“, dass es keine rechtskräftige Verurteilung brauche, damit die Polizei Maßnahmen treffen und in Grundrechte von Bürgern eingreifen dürfe: Es genüge gemäß Strafprozessordnung (StPO) der Verdacht einer Straftat beziehungsweise nach dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) eine Gefahr. Und den Angeklagten würden schließlich schwere Straftaten vorgeworfen.

Neben den neun Frankfurter Angeklagten stehen im „Reichsbürger-Prozess“ weitere 17 mutmaßliche Bandenmitlieder in Stuttgart und München vor Gericht. Sie waren Anfang Dezember 2022 bei einer länderübergreifenden Großrazzia verhaftet worden. Von ihrer Seite aus sind bislang keine ähnlich lautenden Vorwürfe bekannt geworden. In allen hier geschilderten Fällen gilt die Unschuldsvermutung.



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