„SPD gewinnt, weil Scholz sich versteckt“ – ausländische Medien über Wahl in Brandenburg
Die amerikanische Nachrichtenagentur „Associated Press“ kann stellvertretend für die weit überwiegende Mehrheit ausländischer Kommentatoren angeführt werden: Das Ausland interessiere sich für die wachsende Zustimmung, die „extreme Parteien in Deutschland“ erfahren würden. Dies „führt im Ausland zur Besorgnis“, da es das größte Land der Europäischen Union und NATO-Mitglied sei.
Polen: „Dass die SPD gewinnt, wenn sich Scholz versteckt, ist für ihn keine gute Nachricht.“
Das polnische Nachrichtenmagazin Polytika titelte: „Deutschland wird zunehmend instabil“. Obwohl die SPD die meisten Stimmen bekommen hat, „ist die Position von Bundeskanzler Olaf Scholz immer noch sehr schwach. Aber Scholz glaubt an sich“, gibt sich „Polytika“ überzeugt.
„Rzeczpospolita“, die zweitgrößte überregionale Tageszeitung in Polen ging zunächst auf die AfD ein. Ihr erster Satz lautete: „Die AfD in Brandenburg hat nicht gewonnen. Aber in Ostdeutschland ist sie stark.“ Erst danach stellte sie die Frage „nach der Zukunft von Kanzler Olaf Scholz“: Es sei „unklar, wie sich die Ergebnisse in Brandenburg auf das Schicksal von Kanzler Scholz auswirken werden.
Einige in der SPD würden ihn gerne durch den beliebtesten Politiker dieser Partei und überhaupt den beliebtesten Politiker Deutschlands ersetzen – Verteidigungsminister Boris Pistorius, zumindest als Kanzlerkandidat. Der Ministerpräsident von Brandenburg wollte nicht, dass der in Brandenburg lebende Bundeskanzler Olaf Scholz an seiner Seite im Wahlkampf auftritt. Dass die SPD im Land gewinnen kann, wenn sich Scholz versteckt, ist für ihn keine gute Nachricht.“
Für die „Eliten Deutschlands“ sei das AfD-Ergebnis „nach wie vor eine beunruhigende Warnung“, glaubt „Rzeczpospolita“. „Die Politik der Bundesregierung und der wichtigsten Oppositionspartei CDU gegenüber der Einwanderung und dem Krieg in der Ukraine findet bei der Mehrheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger kein Gefallen. Das pro-russische Sahra-Wagenknecht-Bündnis wird bei der Bildung der neuen Regierung Brandenburgs von zentraler Bedeutung sein. Es hatte sich im Wahlkampf mindestens ebenso pro-russisch positioniert wie die AfD. Der Slogan ‚Frieden‘, also die Beendigung des Krieges und die Lieferung deutscher Waffen an die Ukraine, war für das BSW am wichtigsten. Die AfD konzentrierte sich auf radikale ausländerfeindliche Parolen, darunter auch solche, die sich gegen Flüchtlinge aus der Ukraine richteten.“
Italien: Erlösung für Scholz
Die größte italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ titelte: „Überraschung in Brandenburg: Scholz‘ Erlösung“. Und weiter: „Entgegen allen Umfragen liegt die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Landtagswahl mit 31 Prozent auf dem ersten Platz vor der AfD. Der Aufstieg wird weniger Olaf Scholz als vielmehr Ministerpräsident Dietmar Woidke zugeschrieben.“
Dieser habe „die Regierung aufgefordert, sich von seinem Potsdam fernzuhalten. Wenn der Zusammenbruch [der SPD] auch hier stattgefunden hätte, hätte dies das Ende der Ampel-Regierung bedeuten können. Aber es gibt noch mehr. Ein schlechtes Ergebnis für Scholz hätte mit ziemlicher Sicherheit den internen Kampf innerhalb der SPD, die Revolten und Versuche, ihn abzulösen, eröffnet. Wenn nicht als Regierungschef, so doch als Kanzlerkandidat im Jahr 2025. All diese Hypothesen werden nun neu gemischt.“
Spanien: Verschleiß des Kanzlers gemildert
Die politisch links eingestellte katalanische Tageszeitung „La Vanguardia“ aus Barcelona titelte: „Die Sozialdemokratie besiegt bei der Wahl in Brandenburg die Rechtsextremen.“ Und weiter: „Die Scholz-Partei behält ein Land, das sie seit 1990 regiert, und mildert damit den Verschleiß des Kanzlers.“
Die Brandenburger SPD habe nun „dem geschwächten Bundeskanzler Olaf Scholz mit ihrem knappen Sieg eine enorme Erleichterung verschafft“. Dank seiner großen Popularität habe Dietmar Woidke „das Mobiliar der Partei und das des Bundeskanzlers gerettet“. Scholz werde „Ineffizienz bei der Streitbeilegung“ innerhalb seiner Regierung nachgesagt.
Die zweitgrößte spanische Tageszeitung „El Mundo“ geht ebenfalls darauf ein, dass Woidke Scholz im Wahlkampf gemieden hat: „Der Brandenburger wollte weder mit dem Kanzler noch mit irgendetwas zu tun haben, was an seine Regierungskoalition in Berlin erinnern könnte. Scholz nickte. An seiner Seite trat er nie auf und auch nicht als Kanzler, sondern als diskreter Bundestagsabgeordneter für Brandenburg. Statt großer Bühnen besuchte er Geschäfte, eine Weinstube und eine Bäckerei.“
Das Online-Nachrichtenportal „El Confidencial“ titelte: „Scholz pariert den Matchball“. Das „Comeback der Sozialdemokraten“ verschaffe „der Regierung von Bundeskanzler Scholz etwas Ruhe.“ Der SPD sei es gelungen, die Stimmen besorgter Deutscher zu gewinnen. Diese hätte wahrgenommen, „dass die AfD in den letzten Monaten in den östlichen Regionen des Landes bei den Wahlen stark angestiegen“ sei.
Frankreich: Atempause für Scholz
Der französische Auslandssender „France 24“, der mit seiner hohen Reichweite in Afrika das dortige Europabild entscheidend mitprägt, konzentriert sich ebenfalls auf den „Abwehrkampf der SPD gegen die AfD“: „Scholz‘ Sozialdemokraten wehren Rechtsextreme in Deutschland ab“, titelte „France 24“ in einem Online-Beitrag über die Wahl.
Dies stelle „einen seltenen Moment der Atempause für die umkämpfte Koalitionsregierung von Scholz dar, die ein Jahr vor den nationalen Wahlen in den Meinungsumfragen eingebrochen ist“.
Großbritannien: Comeback
Die linksgerichtete Tageszeitung „The Guardian“ jubelt: „Die SPD von Olaf Scholz scheint ein spätes Comeback geschafft zu haben.“ Weithin sei die Landtagswahl als „Volksabstimmung über die Bundesregierung von Olaf Scholz vor der Bundestagswahl im kommenden Herbst wahrgenommen worden“.
Der SPD sei es „in letzter Minute“ gelungen, „den Vorsprung der einwanderungsfeindlichen Populisten“ für sich zurückzuholen. Allerdings sei „bedenklich, dass der Sieg von Woidke darauf zurückzuführen sei, dass er Scholz ausgeschlossen, statt gelobt hat“.
Das englische Staatsfernsehen BBC wollte offenbar zwei Aspekte der Wahl in eine Überschrift seines Online-Beitrages packen. Deshalb klingt sie etwas gewunden: „Der Deutsche Scholz entgeht dem rechtsextremen Sieg im Heimatstaat“. Und weiter: „Der deutsche Kanzler scheint der Demütigung nur knapp entgangen zu sein.“ Seine Partei habe „in seinem Heimatstaat der extremen Rechten die Stirn geboten“. Rund zwei Millionen Wähler in Brandenburg „dürften ihm einen seltenen politischen Rettungsring beschert haben“.
Die Londoner „Financial Times“ glaubt, dass das Wahlergebnis „eine unerwartete Erleichterung für Olaf Scholz“ darstelle. Und ist überzeugt: „Das wird den Druck auf den Kanzler verringern, dessen Zustimmungswerte in den letzten Monaten stark gesunken sind und der laut Meinungsforschern der unbeliebteste Kanzler seit der Wiedervereinigung ist. Allerdings dürfte der scheinbare Erfolg der SPD in Brandenburg nicht zu besseren Zustimmungswerten in ganz Deutschland führen“, glaubt die „Financial Times“.
USA: Brandenburg wie ein Donut
Das amerikanische Leitmedium „New York Times“ erklärte seinen Lesern in einem Vorbericht am 22. September zunächst die geografische Lage Brandenburgs: Es „umgibt Berlin wie ein Donut“, simplifizierte die größte amerikanische Tageszeitung die Region. Die Wahlen, so die „New York Times“ weiter, könnten „die Stabilität der Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz beeinflussen“. Bereits am 28. August stigmatisierte die „New York Times“ alle Ostdeutschen und gab sich überzeugt: „Der Osten erhebt sich in Deutschland und damit auch der politische Extremismus.“
Die Nachrichtenagentur „Reuters“ meint, „der Erfolg der SPD könnte Scholz eine kleine Erleichterung von den parteiinternen Diskussionen über seine Eignung als erneuter Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl im kommenden September verschaffen, da er bei den Wählern unbeliebt ist“.
Und weiter: „Einen großen Aufschwung für ihn und seine Partei dürfte es allerdings nicht geben, denn der beliebte, amtierende SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte sich im Wahlkampf von Scholz distanziert und die Politik der Bundesregierung kritisiert. Drei Viertel derjenigen, die die SPD gewählt haben, taten dies nicht aus Überzeugung, sondern um die AfD abzuwehren“, wiederholte „Reuters“ eine Umfrage der ARD.
Der führende Nachrichtendienst „Bloomberg“ schreibt: „Die Sozialdemokraten von Olaf Scholz hielten die rechtsextreme Alternative für Deutschland zurück und dürften an der Macht im östlichen Bundesland Brandenburg festhalten und dem Kanzler und seiner Partei einen weiteren peinlichen Wahlrückschlag ersparen.“ Mit dem Wahlergebnis in Brandenburg habe die SPD „eine Reihe trauriger Leistungen der Partei bei Landtagswahlen beendet“.
Naher Osten
Der überregionale katarische Fernsehsender „Al-Jazeera“, der aufgrund seiner Reichweitenstärke auch als arabisches Leitmedium gewertet werden kann, kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass das Wahlergebnis Scholz eine „Atempause“ beschere.
Allerdings glaubt „Al-Jazeera“ nicht, dass die SPD davon landesweit profitieren werde. Für diese Annahme verweist der arabische Sender ebenfalls auf die Distanzierung Woidkes von Scholz. Nur so habe dieser die Wahl gewinnen können.
Die Online-Plattform „Times of Israel“ konzentriert sich auf das Narrativ der AfD, für die „Migration“ das Hauptthema der Deutschen sei. „Times of Israel“ zitiert dazu eine Wählerin aus Potsdam: „Die Leute reden immer über Integration und sagen, dass sie mit dem, was passiert, nicht zufrieden sind. Natürlich müssen wir den Menschen helfen, aber wir können nicht zu viele von ihnen aufnehmen.“
Und weiter: „Die AfD protestiert nicht nur gegen Migranten, den Islam und den Multikulturalismus, sondern stellt auch den Klimawandel in Frage und vertritt pro-russische Positionen zum Ukraine-Krieg.“
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
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