Söder und Dobrindt für Neuwahlen – Lindner auch parteiintern unter Druck
Nach der Kritik von FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki und dem Wunsch nach Neuwahlen von der AfD-Coparteivorsitzenden Alice Weidel hat nun auch Alexander Dobrindt, der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Kanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen. Im Interview mit der Illustrierten „Stern“ sagte der Bayer:
Es braucht dringend einen Politikwechsel in Deutschland. Ohne einen solchen Wechsel sind die Ergebnisse im Osten die Vorstufe für ähnliche Wahlergebnisse im Westen. Die Ampel ist nur noch ein Trümmerhaufen, aber sie richtet immer weitere Kollateralschäden an der Demokratie an.“
Ampelprozente: 13,3 in Sachsen, 10,4 Prozent in Thüringen
Hintergrund sind die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. In Sachsen hatten die Ampelparteien zusammen 13,3 Prozent erreicht: 7,3 Prozent holte die SPD, 5,1 Prozent die Grünen. Die FDP reihte sich mit ihren 0,9 Prozent in der Gruppe der irrelevanten Sonstigen ein. Das Abschneiden in Thüringen malte ein noch deutlicheres Bild von der Antipathie des Souveräns gegenüber den Regierenden im Bund: Nur insgesamt 10,4 Prozent der Wähler hatten ihr Zweitstimmen-Kreuz bei SPD (6,1), Grünen (3,2) oder der FDP (1,1) gemacht.
Mit Abstand stärkste politische Kräfte in beiden Ländern wurden die AfD (30,6 Prozent in Sachsen, 32,8 in Thüringen), die CDU (31,9/23,6) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW; 11,8/15,8). Die Regierungsbildung gestaltet sich in beiden Ländern schwierig, auch wegen der Unvereinbarkeitsbeschlüsse der Union.
Harte Kritik an Scholz
Für Dobrindt liegt auf der Hand, wer für den Erfolg der Blauen und der Tiefroten die Verantwortung trägt: „Die Stärke der AfD und des BSW sind ein Gewächs der Ampelpolitik“, so Dobrindt laut „Stern“ (Bezahlschranke). Die Bundesregierung sei „nur noch ein Trümmerhaufen, aber sie richtet immer weitere Kollateralschäden an der Demokratie an“. Verantwortlich sei für ihn „das Gesicht von Olaf Scholz“. Daraus müssten Taten folgen:
Es wäre dringend notwendig, daraus die Konsequenzen zu ziehen und im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen.“
Wer im Fall von Neuwahlen als Spitzenkandidat für die Union ins Rennen gehen würde, ließ Dobrindt unter Verweis auf die offiziell noch ungeklärte Frage offen. „Aber die Favoritenrolle ist klar“, sagte Dobrindt, ohne einen Namen zu nennen. Das letzte Wort hätten die beiden Parteivorsitzenden, also Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU). Söder hatte am 2. September den Rücktritt von Scholz gefordert und die Möglichkeit einer eigenen Kanzlerkandidatur angedeutet.
Die Entscheidung für einen Spitzenkandidaten der Union soll laut Dobrindt allerdings wie verabredet erst nach der Landtagswahl in Brandenburg fallen – frühestens also nach dem 22. September, womöglich sogar erst im Oktober. „Der vereinbarte Zeitplan steht, daran rütteln wir nicht. Es hätte auch keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis in Brandenburg“, betonte Dobrindt im „Stern“.
Beim Bundestagswahlkampf werde es für die Union „zentral um die Fragen der Migration, der Sicherheit, der Wirtschaft und des zukünftigen Wohlstands gehen“, kündigte der frühere CSU-Generalsekretär und Bundesverkehrsminister an: „Nur wer darauf gute Antworten findet, hat eine Chance, die künftige Regierung zu stellen.“
Anders als Dobrindt hatte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) seinen Parteikollegen Olaf Scholz noch kurz vor den Landtagswahlen in Schutz genommen. Der Norddeutsche sei der „beste Kanzler, den wir je hatten“. Dobrindt kommentierte Lauterbachs Lob mit einer Gegenfrage: „Würden Sie einem Arzt vertrauen, der sagt, Olaf Scholz ist der beste Kanzler aller Zeiten?“
Druck auf FDP wächst auch parteiintern
Auch Bundestagsvizepräsident und FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki hatte schon kurz nach den ersten Hochrechnungen am Wahlabend gefordert, dass sich im politischen Berlin etwas ändern müsse. Auf seinem X-Kanal schrieb er:
Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren. Wenn ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft ihr in dieser Art und Weise die Zustimmung verweigert, muss das Folgen haben. Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land. Und sie schadet definitiv der Freien Demokratischen Partei.“
Ähnlich hatte der thüringische FDP-Spitzenkandidat und Ex-Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich nach Angaben von „t-online“ argumentiert. Er habe seiner Parteispitze allerdings ganz direkt empfohlen, die Ampel zu verlassen.
Die AfD-Coparteivorsitzenden Alice Weidel hatte am Tag nach den Landtagswahlen auf einer Pressekonferenz ebenfalls ein Ende der bundesdeutschen Regierungskoalition verlangt: „Das war das Votum für die Abwahl der Ampel. Der Wähler will Neuwahlen auch im Bund haben.“ Ihre Partei bereite sich schon darauf vor: „Dementsprechend sollte der Kanzler Olaf Scholz die Konsequenzen ziehen und zusammen mit seinen Koalitionspartnern die Koffer packen und die Stühle räumen.“
FDP-Parteichef Christian Lindner hatte auf X zunächst gelassen auf den Absturz seiner Partei reagiert:
Die Ergebnisse in #Sachsen und #Thüringen schmerzen. Aber niemand soll sich täuschen, denn wir geben unseren Kampf für liberale Werte nicht auf. Schon morgen geht es wieder weiter. Und auch für die anderen Parteien des demokratischen Zentrums gibt es viel zu bedenken.“
Lindner warnt vor AfD: andere Migrationspolitik notwendig
Erst am Montag, 2. September, änderte Lindner seinen Tonfall zugunsten einer schärferen Rhetorik: Die Leute hätten insbesondere „die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Asyl nach Deutschland“, erklärte Lindner. „Die Leute wollen nicht mehr hören, wer in der Vergangenheit daran schuld war und dass das die schwere Hypothek von Frau Merkel gewesen ist und dass die Länder ja Vollzugsdefizite haben oder was alles rechtlich nicht geht“, so Lindner.
Die Leute haben damit fertig. Sie wollen eine Lösung sehen. Und wenn die Parteien des demokratischen Zentrums – also CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP – nicht in der Lage sind zu liefern, dann werden die Bürgerinnen und Bürger sich im wahrsten Sinne des Wortes eine Alternative suchen.“
Mit Blick auf SPD-Cochefin Saskia Esken erklärte Lindner, er könne es „nicht mehr hören, wenn dann gesagt wird, wir müssten den Bürgerinnen und Bürgern dies noch besser erklären, und wir müssten auch noch besser kommunizieren“ (Kurzvideo auf X). Deutschland benötige vielmehr „eine grundlegende Neuordnung der Einwanderungs- und Asylpolitik“, forderte der FDP-Chef laut „Bild“. Wenn es sein müsse, auch mit Änderungen des europäischen und internationalen Rechts und des Grundgesetzes. Für die FDP existierten da „keine Denkverbote“.
FDP-Basisinitiative: Entweder Ampel-Exit oder Lindner-Rücktritt
An der Parteibasis der FDP scheint die Geduld ebenfalls am Ende – aber nicht nur in der Migrationspolitik, sondern auch mit Parteichef Lindner selbst. Wie der „Tagesspiegel“ unter Verweis auf den „Spiegel“ (Bezahlschranke) berichtet, fordert die Mitgliederinitiative „Weckruf“ per Brief an ihren Parteichef das Verlassen des Regierungsbündnisses – oder Lindners Rücktritt: Wenn dieser nicht erkenne, dass er die FDP „mit einem Fortführen dieses Trümmerkurses wieder“ aus dem Bundestag hinausführe, solle Lindner gehen.
Die „Weckruf“-Unterstützer rechneten schon heute damit, dass die Ampel nach der Bundestagswahl 2025 Geschichte sein werde. Als neuen Mann an der FDP-Spitze könne man sich Generalsekretär Bijan Djir-Sarai vorstellen: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn er diese Herausforderung annimmt“, so die „Weckruf“-Unterzeichner.
Nach Informationen des „Focus“ hatte Lindner schon am Wahlsonntag Nachmittag zumindest seinen Bundesvorstand und das Präsidium schriftlich darüber unterrichtet, wie nach einem schlechten Abschneiden der FDP vorzugehen sei. Lindner habe darum gebeten, „bei öffentlichen und internen Einordnungen Rücksicht“ zu nehmen. Man solle in jedem Fall die Landtagswahl in Brandenburg abwarten. Erst danach stünden „Entscheidungen zur weiteren Strategie mit Blick auf 2025“ an.
Focus-Autor Carsten Fiedler interpretiert das Rundschreiben Lindners wie folgt:
Damit ist der Kurs, den Lindner verfolgt, klar: Die Wahlen in Brandenburg am 22. September werden noch abgewartet. Danach wird man in der FDP über personelle Konsequenzen und einen möglichen Rückzug aus der Ampel sprechen.“
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