Söder macht Platz für Merz – Scholz: „Es ist mir recht“

Der Weg für eine Kanzlerkandidatur von CDU-Chef Friedrich Merz bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr ist frei. Nachdem NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bereits am Montag seinen Verzicht erklärt hatte, zog am Dienstag der CSU-Vorsitzende Markus Söder nach.
Merz und Söder wollen die K-Frage diesmal einvernehmlich regeln. (Archivbild)
Merz und Söder wollen die K-Frage diesmal einvernehmlich regeln. (Archivbild)Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 17. September 2024

Beim aktuellen Umfrage-Höhenflug von CDU und CSU scheint schon ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl festzustehen: Wer unionsintern zum offiziellen Herausforderer von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gekürt wird, der darf ab Herbst 2025 auch den politischen Ton in der Bundesrepublik angeben.

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder lässt CDU-Chef Friedrich Merz den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur. Er akzeptiere Merz als gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Union für die Bundestagswahl 2025 – „und zwar nicht zähneknirschend“, sondern mit „voller Rückendeckung und sehr hoher Wertschätzung“, sagte Söder am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Merz in Berlin. Die Gremien der beiden Parteien sollten Merz am kommenden Montag als Kanzlerkandidat nominieren.

Scholz hat derweil seine klare Präferenz für Merz geäußert. Bei einem Besuch in der kasachischen Hauptstadt Astana sagte Scholz am Dienstag: „Wie ich ja schon seit langer Zeit gesagt habe: Es ist mir recht, wenn Herr Merz der Kanzlerkandidat der Union ist.“ Damit spielte der Kanzler offenbar darauf an, dass Merz deutlich schlechtere Umfragewerte hat als sein innerparteilicher Rivale Markus Söder (CSU).

Der CDU-Chef hat in Umfragen bislang nicht von der Schwäche der „Ampel“-Regierung profitieren können. Zwar liegt seine Partei mit Abstand auf Platz eins, Merz selbst stößt aber auf wenig Zuspruch.

Im jüngsten ARD-„Deutschlandtrend“ des Instituts Infratest dimap trauten 41 Prozent der Befragten Söder zu, ein guter Kanzlerkandidat für die Union zu sein. Merz kam hier nur auf 23 Prozent. Auch unter Unionsanhängern lag Söder vorne: 57 Prozent halten ihn für einen guten Kanzlerkandidaten, bei Merz waren es nur 49 Prozent.

„Einvernehmliche“ Einigung – Söder bundesweit beliebter

Mitte Juli hatte das Meinungsforschungsinstitut INSA Söder noch klar vor Merz gesehen, was die Frage nach einer fiktiven Direktwahl des Kanzlers anging: 37 Prozent der Wahlberechtigten sprachen sich laut „Bild“ für den CSU-Chef aus, lediglich 31 Prozent für den CDU-Parteivorsitzenden.

Doch die beiden Kontrahenten hätten sich „einvernehmlich“ auf die Lösung Merz verständigt, heißt es in der „BamS“. Auch der immer wieder gehandelte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (49, CDU) habe Merz den Vortritt gelassen, schreibt das Blatt unter Berufung auf die Düsseldorfer Staatskanzlei. Nach Angaben der „Tagesschau“ hatte Dennis Radtke, der Chef des Sozialflügels der Union (CDA), Wüst im Gespräch mit der „Funke Mediengruppe“ gelobt: Auch dieser habe „mit tollen bundesweiten Zustimmungswerten das Zeug“ zum Kandidaten. Merz stehe allerdings auf einer „fantastischen Startposition“.

Livestream der Pressekonferenz:

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Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hatte sich im „Bericht aus Berlin“ der ARD am Sonntag nicht eindeutig in die Karten gucken lassen: Merz sei „jedenfalls der Vorsitzende der großen CDU und der Fraktionsvorsitzende“. Er habe „eine sehr gute Politik in den letzten Jahren gemacht“ und „die Union wieder aufgerichtet“ (Video ab circa 30:00 Minuten in der ARD-Mediathek).

Nach Informationen des „Focus“ besteht keine große Gefahr, dass sich an einem Auftrag für Merz noch etwas ändern könnte: Ein namentlich nicht genanntes CSU-Vorstandsmitglied habe bereits angekündigt, dass es ein „Söder-Bashing“ vonseiten der Christsozialen geben werde, falls der Franke doch noch einmal einen Vorstoß für eine eigene Kandidatur starten sollte.

Merz will sich „an festen Fahrplan“ halten

Merz persönlich hatte in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ am 15. September zur Geduld gemahnt: Die Union habe „einen festen Fahrplan. Und an diesen Fahrplan werden wir uns halten“. Wie verabredet würden Söder und er „einen Vorschlag machen und dann werden sich die Parteivorstände von CDU und CSU damit beschäftigen“.

Obwohl also noch formal weitere Stimmen einzuholen sind, rechne niemand mehr mit massivem Widerstand gegen Merz, berichtet die BamS. Denn die Schwesterparteien hätten sich längst darauf verständigt, dieses Mal auf offene Machtkämpfe zu verzichten. Söder hatte zuletzt Anfang Juli 2024 erklärt, er würde einen Kandidaturauftrag nur annehmen, wenn Merz persönlich ihn darum bitte.

Außerdem, so die BamS, seien bereits Auslandsreisen geplant, die Merz den „Parteikreisen“ zufolge im Gewand des Kanzlerkandidaten zu absolvieren gedenke. Frankreich und Polen würden nach der offiziellen Präsentation des Scholz-Herausforderers demnach zu dessen ersten Zielen zählen.

2021: Scholz holte 1,6 Punkte mehr als Laschet

Im Wahlkampf 2021 hatte das Kandidaten-Duell zwischen Markus Söder und der damaligen CDU-Hoffnung Armin Laschet monatelang die Schlagzeilen beherrscht. Das verschaffte der SPD am Ende Rückenwind. Scholz machte mit 25,7 Prozent der entscheidenden Zweitstimmen Platz eins. Laschets Union landete mit 24,1 Prozent (18,9 von der CDU /5,2 von der CSU) knapp dahinter und musste sich nach 16 Jahren Angela Merkel mit der Rolle der stärksten Oppositionskraft zufriedengeben.

Die derzeit 33,0 Prozent für die Union nach dem aktuellen „Bild-Sonntagstrend“ des Meinungsforschungsinstituts INSA sprechen allerdings klar für ein Comeback von CDU und CSU in Regierungsverantwortung: Zwölf Punkte Zuwachs habe es seit Beginn der Ampelgeschäfte im Dezember 2021 gegeben. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsbeschluss zur Wahlrechtsreform der Ampel muss auch die CSU nicht mehr fürchten, aus dem Parlament zu fliegen, wenn sie bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen einfahren sollte.

Direktwahl-Fiktion: Merz kommt auf 25 Prozent

Doch ist Merz wirklich die richtige Wahl? Wenn die Bürger den Kanzler direkt ins Amt hieven dürften, würde sich laut INSA-Umfrage für die BamS genau jeder Vierte für Merz entscheiden, aber nur 21 Prozent für Scholz. 48 Prozent würden beide Männer als Kanzler ablehnen.

Bei insgesamt zehn angefragten Kompetenzfeldern stehe Merz in der Wählergunst allerdings deutliche achtmal vor Scholz. Der Sozialdemokrat habe nur bei den Fragen nach der höheren Sozial- und Umweltschutzkompetenz gewonnen. Beides Themen, die die Menschen momentan weniger umtreiben als etwa die innere Sicherheit, Massenmigration oder Wirtschaft.

Allerdings hätten 29 Prozent der 1.004 Befragten Scholz „sympathischer“ als Merz (27 Prozent) gefunden. Im Hinblick auf Führungsstärke (43:18), allgemeine Kompetenz (37:25) und Glaubwürdigkeit (32:24) habe wiederum Merz jedes Mal vorne gelegen.

Ampel auf Tiefststand: von 52 auf 28 Prozent abgesackt

Alle drei Ampelparteien zusammen würden zurzeit nur 28 Prozent der Wähler hinter sich versammeln: Die SPD käme auf 14 Prozent, die Grünen auf 10 Prozent, die FDP wäre mit ihren 4 Prozent aktuell gar nicht mehr im Bundestag vertreten. Für alle drei Regierungsparteien bedeutet das den niedrigsten Wert seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2021. Damals hatte die Ampel noch 52,0 Prozent erreicht (SPD: 25,7 Prozent/Grüne: 14,8/FDP: 11,5).

Die AfD liegt inzwischen fünf Prozentpunkte vor der Kanzlerpartei. Zudem lauert das erst wenige Monate alte Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) den Sozialdemokraten mit 10,0 Prozent im Nacken.

Scholz glaubt an Wiederwahl

Aber all das kann sich bis zum Tag der Bundestagswahl am 28. September 2025 noch ändern. Darauf scheint auch Bundeskanzler Olaf Scholz zu vertrauen. Dass er sich gute Chancen für eine zweite Regierungszeit ausrechnet, hatte er im ZDF-Sommerinterview bestätigt.

Auch die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil stehen treu hinter Scholz als Kanzlerkandidat 2025 – der schwachen Umfragewerte zum Trotz. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der in Umfragen seit Dienstbeginn im Januar 2023 mit Abstand beliebteste SPD-Politiker, hatte eine eigene Kandidatur bereits mehrfach kategorisch ausgeschlossen.

Der früheren SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering aber sieht die Entscheidung pro Scholz noch keinesfalls in trockenen Tüchern. Bis zum Parteitag 2025 sei „die K-Frage offen“, sagte Müntefering kürzlich in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“.

Neuauflage von Schwarz-Rot derzeit am wahrscheinlichsten

Bliebe es bei den aktuellen Umfragewerten, würde eine Koalition von Schwarz-Rot auf Bundesebene mit zusammen 47 Prozent gerade solch eine Sitzmehrheit im Bundestag erreichen. Für Schwarz-Grün – eine von Merz ins Auge gefasste, aber von Söder abgelehnte Option – würde es derzeit ebenso wenig genügen wie für ein Unionsbündnis mit dem BSW.

Eine schwarz-blaue „GroKo“ mit der AfD kommt wegen des Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU ohnehin nicht infrage.



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