Selbstbestimmungsgesetz: Wenn Transfrauen in Schutzräume eindringen

„Transfrauen sind Frauen“, meinen die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes und die Familienministerin. Manche Frauenrechtlerinnen sehen das anders: Sie befürchten angesichts des geplanten „Selbstbestimmungsgesetzes“ den Verlust gewohnter „Schutzräume“. Der Justizminister setzt auf einen Kompromiss.
Zahlreiche Menschen nehmen an der Polit-Parade des Christopher Street Days (CSD) in der Stuttgarter Innenstadt teil. Deutschlandweit feiern lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle, heterosexuelle und queere Menschen.
Archivbild: Lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle, heterosexuelle und queere Menschen präsentieren beim Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart eine große Regenbogenflagge.Foto: Christoph Schmidt/dpa
Von 4. April 2023

Frauen gegen Männer – auf diese einfache Formel konnte man jahrzehntelang den Geschlechterstreit zuspitzen. Längst aber hat eine andere Interessengruppe den Feministinnen das Wasser der Aufmerksamkeit abgegraben: Die „gendergerechte“ Identitätspolitik wird in Deutschland seit einiger Zeit von den Theorien der hiesigen rund 200 Genderprofessuren beherrscht.

Wer sich den Forderungen der LGBTQ+-, „Queer“- oder „Trans“-Aktivisten nicht unterwerfen will, riskiert schon heute in den sozialen Medien einen Shitstorm – und nach dem Gesetzentwurf des „SelbstBestG“ ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro. Und schon jetzt kann selbstverständlich wegen Beleidigung (Paragraph 185 StGB) ermittelt werden – Gefängnis droht.

Neuer Entwurf soll „sehr bald“ öffentlich vorliegen

Eine überarbeitete Entwurfsfassung soll nach Angaben von Justizminister Marco Buschmann (FDP) „sehr bald“ vorliegen, berichtet die „Tagesschau“. Zurzeit ist öffentlich nur eine ältere Fassung (Drucksache 19/19755, Artikel 3, Paragraph 7 [PDF]) einsehbar. Die Ressortabstimmung für das „SelbstBestG“ soll laut „Tagesschau“ noch vor Ostern beginnen. Im Anschluss sollen die Verbände gehört werden, bevor es zur ersten Lesung in den Bundestag geht.

Wenn das geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ also in einigen Monaten das „Transsexuellengesetz“ aus dem Jahr 1980 ablösen sollte, wie es Sven Lehmann (Grüne), der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, laut „Tagesschau“  angekündigt hatte, dürfte noch mehr Ärger programmiert sein. Denn nach Inkrafttreten soll eine bloße Willenserklärung über das eigene geschlechtliche Selbstverständnis und den Vornamen beim Standesamt genügen, um sich der gewünschten Gruppe rechtswirksam zuordnen zu können.

Deutliche Erleichterung für Betroffene

Auch wenn man gerade 14 Jahre alt ist, soll die bislang obligatorische Hürde zweier psychologischer Gutachten für trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen nach Informationen der Zeitung „Welt“ ersatzlos fallen. Nur die Eltern oder ein Familiengericht müssten im Zweifelsfall zustimmen, solange der 18. Geburtstag noch nicht gefeiert wurde.

Eine geschlechtsspezifische Operation soll ebenfalls keine Rolle mehr spielen. Vom Antrag bis zur Rechtskraft sollen nach Informationen der „Tagesschau“ allerdings drei Monate „Bedenkzeit“ gelten, eine weitere Umorientierung soll erst nach einem Jahr erlaubt sein.

Feministinnen fürchten Aus für Schutzräume

Dass ein amtliches Selbstbekenntnis genügen soll, um juristisch beispielsweise die Rechte einer Frau nutzen zu können, schmeckt vor allem Anhängerinnen des Feminismus nicht. Wie die „Welt“ berichtet, befürchten vor allem heterosexuelle biologische Frauen, dass ihre „Schutzräume“ dann gar keinen Schutz mehr bieten könnten. Denn sogenannte „Transfrauen“ – also Menschen, die biologisch männlich zur Welt kamen, sich selbst aber als Frau identifizieren – hätten dann das Recht, auch Frauenhäuser, Frauenbäder, Frauensaunas oder Frauenfitnessstudios ungehindert besuchen zu dürfen. Unabhängig von ihrer biologischen Ausstattung.

Hilde Schwathe, eine Sprecherin der Initiative „Geschlecht zählt“, argumentierte im Einklang mit der feministischen Zeitschrift „Emma“, dass das Geschlecht „eine biologische Tatsache“ sei und deshalb „nicht einfach durch eine Erklärung geändert werden“ könne. Das berichtet die „Welt“ (Bezahlschranke).

Transfrauen seien „Personen männlichen Geschlechts“, betonte Schwathe, „sie werden weder durch Perücken und Pronomen noch durch Operationen zu Frauen.“ Sie befürchte, dass jene „geschlechtsbedingten Frauenrechte, die wir über Jahrzehnte hart erkämpft haben, praktisch ausgehebelt werden können“.

Buschmann reagiert mit Hausrecht-Kompromiss

Angesichts solcher Bedenken ließ Justizminister Buschmann für den gemeinsamen Gesetzentwurf von Justiz- und Familienministerium einen Kompromiss ausarbeiten.

Demnach sollen die Betreiber von „Nur für Frauen“-Einrichtungen selbst entscheiden dürfen, wer ihre Schwelle übertreten darf. Denn auch das neue Selbstbestimmungsgesetz solle „die legitimen Interessen der gesamten Gesellschaft“ berücksichtigen, wie Buschmann betonte: „Hausrecht und Vertragsfreiheit müssen deshalb gewahrt bleiben; Möglichkeiten des Missbrauchs – und seien sie noch so fernliegend – müssen ausgeschlossen sein“, zitiert ihn die „Welt“.

Schwathe: Bei Hausrecht-Option droht Fördergeldverlust

Doch das genügt Schwathe nicht. Sie vermutet, dass zu viele Einrichtungen sich der „queeren Politik beugen“ würden, um keine Fördergelder zu riskieren – ganz zu schweigen von Frauengefängnissen, in denen ja kein privater Betreiber existiere, der Nein zu einer nicht operierten, verurteilten Transfrau sagen könnte.

Verfechter der „Transfrauen sind Frauen“-These wie etwa die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, die Politologin und Journalistin Ferda Ataman, sehen das völlig anders.

Paus und Ataman gegen feministischen Standpunkt

„Es muss sichergestellt werden, dass der gesetzlich verbriefte Schutz vor Diskriminierung wegen des Geschlechts auch für Trans-Personen gewährleistet bleibt“, sagte Ataman nach Informationen der „Welt“ unter Verweis auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Auch Transfrauen dürften keine Benachteiligung erfahren, selbst wenn ihr Erscheinungsbild den „Erwartungen anderer Personen, wie eine Frau auszusehen hat“, widerspreche, heiße es zudem in einem Aktenvermerk der Antidiskriminierungsstelle.

Auch Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sehe keinerlei Grund für eine rechtliche Unterscheidung von Transfrauen und Frauen.

Interessenverbände gegen Hausrecht-Regel

Gabriel_Nox Koenig vom „Bundesverband Trans“ glaubt laut „Welt“ nicht daran, dass „männliche Gewalttäter ihren Geschlechtseintrag ändern“ könnten, nur „um sich Zugang zu Frauenräumen zu verschaffen“. Wer so argumentiere, wolle nur Angst machen und „eine Diskussion gegen Menschenrechte“ führen, anstatt über Gewalt gegen Transfrauen zu sprechen, die ohnehin „überproportional“ unter „geschlechtsbezogener Gewalt“ litten. Außerdem gebe es schon heute „Frauensaunen, die transfreundlich sind und in denen TransFrauen sich wohlfühlen“.

Auch Petra Weitzel, die Vorsitzende der „Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität“, lehne Buschmanns Hausrecht-Kompromiss für das neue Gesetz „als offensichtliches Appeasement radikaler Stimmen“ ab, wie die „Welt“ schreibt.

Guter Rat noch nicht in Sicht

Was eine biologische Frau tun kann, falls sie sich in der Frauensauna von einer Transfrau mit männlichem Geschlechtsteil belästigt oder gar bedroht sieht, darüber können zurzeit noch keine Empfehlungen abgegeben werden. Es bleibt abzuwarten, mit welchen exakten Formulierungen das „Selbstbestimmungsgesetz“ Rechtskraft erlangen wird.

Dass es den Segen des Parlaments bekommen wird, daran dürfte angesichts der Machtverhältnisse im Plenum kein Zweifel bestehen. „Die Ampelkoalition zeigt sich zufrieden“, vermeldete jüngst auch die „Tagesschau“.



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