Scholz zögert, Lindner nickt: So reagieren Ampelpolitiker auf Merz‘ Migrationsvorschlag

Während Kanzler Scholz eher reserviert auf das Angebot von CDU-Chef Merz reagiert hat, gemeinsam eine strengere Migrationspolitik zu fahren, kam von Finanzminister und FDP-Chef Lindner Zustimmung für den Merz-Ansatz. Die Grünen warfen Merz dagegen vor, zu „zündeln“.
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Das Archivbild zeigt Wirtschaftsminister Christian Lindner (l., FDP) und CDU-Chef Friedrich Merz bei einem früheren Gespräch im Bundestag.Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images
Von 28. August 2024

Der FDP-Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Vorschläge von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) begrüßt, die seit Jahren andauernde Migrationskrise mit vereinten Kräften zu bekämpfen.

Lindner erklärte am Dienstagabend gegenüber der „Bild“.

Die FDP steht zu überparteilichen Anstrengungen bereit, neuen Realismus in der Migration von Bund und Ländern konsequent durchzusetzen. Die Vorschläge von Herrn Merz zur Migration decken sich stark mit denen der FDP.“

Die FDP habe sich bereits für mehr Migrationskontrolle eingesetzt, „als die CDU noch auf Merkel-Kurs“ gewesen sei.

Lindner will Sozialleistungen für „Dublin-Flüchtlinge“ streichen

Ginge es nach ihm, so würde er überhaupt keine Sozialleistungen mehr gegenüber „Dublin-Flüchtlingen“ gewähren. Das könne jene über einen Drittstaat eingereisten Asylbewerber motivieren, wieder „in das zuständige EU-Land“ zurückzukehren, meinte Lindner laut „Bild“.

Beim mutmaßlichen Messerattentäter von Solingen hatte es sich um einen Syrer gehandelt, der zwar gemäß Dublin-Regeln einen Erstantrag auf Asyl in Bulgarien gestellt hatte, später aber nach Deutschland weiter gereist war. Trotz abgelehntem Asylantrag und anschließender Ausreisepflicht war es ihm offensichtlich gelungen, sich dem Zugriff der Behörden so lange zu entziehen, bis er schließlich doch einen Duldungsstatus erhielt. Seitdem er sich am vergangenen Samstagabend der Polizei gestellt und die dreifach tödliche Messerattacke auf dem Solinger „Festival der Vielfalt“ gestanden hatte, sitzt er in Untersuchungshaft.

Merz appellierte an Richtlinienkompetenz des Kanzlers

Merz hatte am Vormittag des 27. August 2024 eine gute Stunde lang mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über seine Ideen gesprochen, wie die illegale Massenzuwanderung in den Griff zu bekommen sei. Dabei hatte der CDU-Chef den Kanzler gebeten, notfalls ohne die Zustimmung von FDP und Grünen zu handeln und den Fraktionszwang im Bundestag per Richtlinienkompetenz aufzuheben. Immerhin würden die Stimmen der SPD- und CDU-Fraktion ja zu einer Wende in der Asylpolitik ausreichen.

Am Nachmittag hatte Merz bei seinem Soloauftritt auf der Bundespressekonferenz immer wieder betont, keine Hintergedanken zu verfolgen, den Ampelkoalitionsfrieden zu gefährden. Es gehe ihm keineswegs um eine versteckte „Bitte um Aufnahme in eine Koalition“ oder gar um ein „Entern“ der Regierung, erklärte Merz, auch nicht um ein Wahlkampfmanöver vor Sachsen, Thüringen und Brandenburg:

Wir stehen gemeinsam, um eine Lösung zu finden. Danach gehen wir wieder getrennt in den Wahlkampf.“

Scholz hatte sich nach Darstellung von Merz zunächst Bedenkzeit erbeten. Erst am Abend meldete sich der Regierungschef persönlich zu Wort.

Regierungschef garantiert Fortbestehen des Individualrechts auf Asyl

Im Interview mit ZDF-Moderatorin Dunja Hayali erklärte Scholz im „heute journal“, dass Deutschland die internationalen Verträge, das EU-Recht und auch das Grundgesetz nicht brechen werde.

„Das Individualrecht auf Asyl bleibt erhalten, das steht in unserem Grundgesetz“, betonte Scholz, ohne näher auf Absatz 2 des Artikels 16a einzugehen, der das Asylrecht für politisch Verfolgte ausschließt, die aus einem Drittstaat einreisen. Merz hatte sich bei seiner Argumentation immer wieder darauf berufen und auch darüber hinaus zum Umdenken herausgefordert: „Wenn etwas rechtlich nicht möglich ist, dann müssen wir die Gesetze ändern“, so Merz, „ich lasse das nicht mehr gelten, dass das angeblich objektiv nicht geht“.

Scholz versprach im Gespräch mit Hayali lediglich, Grenzkontrollen „so lange wie möglich“ fortzuführen. Das habe seine Regierung „anders als viele, viele, viele Jahre vorher“ entschieden. Er könne versichern, dass dies auch gelingen werde. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vertrete die gleiche Meinung, betonte Scholz. Die Grenzkontrollen hätten „sich auch als sehr effizient erwiesen“. Überhaupt habe seine Regierung „viele Gesetze durchgesetzt, gegen sehr viel Widerstand“. Der Rückgang der Zahl der irregulären Migranten und die gestiegenen Abschiebezahlen seien „das Ergebnis von Handeln und Gesetzen“.

Parallel arbeite die Bundesregierung „hart“ daran, Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien zu ermöglichen: „Schwere Straftäter haben ihr Schutzrecht hier verwirkt und haben auch keinen Anlass, hier bleiben zu wollen“, sagte Scholz. „Ich will, dass die Zahl der Rückführungen steigt. Wer hier nicht bleiben kann, muss auch gehen.“ Das gehöre auch im Interesse derjenigen, „die Schutz in diesem Land brauchen“, zum Schutz des Asylrechts dazu.

Trotz wenig Aussicht auf Erfolg: Scholz hält schärferes Waffenrecht für angebracht

Er glaube zwar nicht daran, dass das geplante Verbot von Messerklingen über sechs Zentimeter Länge einen Attentäter davon abhalten werde, zur Tat zu schreiten. „Es ist trotzdem richtig, dass wir das Waffenrecht verschärfen und anpacken, weil es da auch Missbrauch gibt“, urteilte der Kanzler.

Zuvor hatte Scholz den Umstand, dass Merz ihm einen Vorschlag zur Zusammenarbeit unterbreitet hatte, grundsätzlich als „eine gute Sache“ begrüßt. Er sei zu Diskussionen bereit. Alle müssten sich „unterhaken“, um die irreguläre Migration weiter zu reduzieren. Andererseits könne Deutschland die „eigene Zukunft“ aber nur dann gewährleisten, „wenn wir viele Leute, Männer und Frauen haben, die anpacken“.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Thüringen wenige Stunden zuvor hatte Scholz mitgeteilt, dass er von wechselnden Mehrheiten für einen Migrationspakt nichts halte: „Die Regierung und die Opposition sind immer gut gehalten, zusammenzuarbeiten.“ Dies müsse aber „nicht quer durcheinander, sondern miteinander“ geschehen.

Grüne Mihalic wirft Merz „Zündeln“ vor

Irene Mihalic, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, gab sich anders als Scholz und Lindner weit weniger offen für den Merz-Vorstoß zur Zusammenarbeit in der Migrationspolitik. „Der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion zündelt“, gab die Ex-Polizistin Mihalic gegenüber der „Bild“ zu bedenken. Merz operiere „mit dem Begriff ‚Notlage‘“ und stelle „damit gewissermaßen ein Misstrauensvotum gegen unseren demokratischen Rechtsstaat, statt ihn gegen seine Feinde zu verteidigen“.

Ihre Partei sei zwar „gesprächsbereit“, aber nur über jene „konstruktiven Vorschläge, die mit Verfassung, Grund- und Menschenrechten vereinbar“ seien, so Mihalic.

AfD fordert Taten statt Worte

Die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel forderte in einer Pressemitteilung konkrete Handlungen: „Statt einen völlig bedeutungslosen Gipfel abzuhalten, der wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen lediglich Aktivität simuliert, müsste die CDU ihren Worten in den von ihr regierten Ländern bereits Taten folgen lassen“, schrieb Weidel.

Der Fall des syrischen Islamisten Issa al H. belege allerdings vielmehr „die Verweigerungshaltung der CDU gegenüber der Durchsetzung geltenden Rechts“. Immerhin sei al H. „im von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst geführten Nordrhein-Westfalen nicht etwa in Abschiebegewahrsam genommen“ worden, obwohl er ausreisepflichtig gewesen sei, erklärte Weidel: „Hätte man die Ausreisepflicht durchgesetzt, wäre der Syrer zum Tatzeitpunkt längst wieder in seinem Heimatland gewesen.“ Das Bundesland Nordrhein-Westfalen stehe „beispielhaft für den Zustand aller von der CDU regierten Bundesländer und einem Deutschland, das von der Union regiert würde“.

Weidel forderte nicht nur einen „sofortigen Einwanderungs-, Aufnahme- und Einbürgerungsstopp“ und „die sofortige Ausweisung aller sich illegal in Deutschland aufhaltenden Afghanen, Syrer und Iraker“, sondern auch „eine Beendigung der Duldungspolitik gegenüber Ausreisepflichtigen“.



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