Scholz will mehr: Jetzt sollen Regierung, Opposition und Landesvertreter an einen Tisch
Nach seiner eher reservierten ersten Reaktion auf den Vorschlag von CDU-Chef Friedrich Merz, gemeinsam gegen irreguläre Migration zu kämpfen, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun doch vor, mehr Stimmen anzuhören – auch außerhalb des Ampellagers.
„Wer legale Zuwanderung möchte, muss irreguläre Migration begrenzen, damit das Land nicht überfordert wird. Das sind wir den Opfern von Solingen schuldig“, zitiert das ZDF den Kanzler.
Faeser soll „sehr zügig“ Konferenz einberufen
Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, soll Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „sehr zügig“ ein Treffen einberufen, um über Konsequenzen aus der dreifach tödlichen Messerattacke von Solingen zu sprechen. Der genaue Termin wurde bislang nicht bekannt gegeben.
Aus welchen Teilnehmern die Runde bestehen soll, teilte Scholz allerdings bereits am Mittag des 28. August 2024 nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer in Berlin mit. Eingeladen werden sollen Vertreter der involvierten Bundesressorts, zwei Abgesandte der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) und ein oder zwei Vertreter der Unionsparteien. Sie alle sollen sich im Beisein des Kanzlers „zu vertraulichen und zielgerichteten Gesprächen“ versammeln.
Kernfragen: Abschiebungen, Islamismus und Waffenrecht
„Wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir werden Lehren ziehen“, versprach Scholz nach Angaben des „Spiegel“.
Der Kanzler habe insbesondere drei Themen zur Klärung festgelegt: „die Verschärfung des Waffenrechts, Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus und aufenthaltsrechtliche Maßnahmen, vor allem, um Rückführungen noch weiter zu erleichtern“. Die Bundesregierung sei bereits seit dem Wochenende damit beschäftigt, entsprechende gesetzliche Maßnahmen abzustimmen. Ideen vonseiten der Länder oder aus den Reihen von CDU und CSU seien willkommen.
Oppositionsvorschlag befeuerte die Debatte
Dass wieder Bewegung in der Debatte zur Migrationskrise zu spüren ist, dürfte nicht nur mit dem Solinger Messerattentat, sondern auch mit der Reaktion des Oppositionsführers Friedrich Merz (CDU) zusammenhängen.
Merz hatte am Dienstagvormittag eine gute Stunde lang mit Scholz über eine mögliche Zusammenarbeit von SPD und Union in der Migrationspolitik gesprochen, die notfalls auch über die Köpfe von FDP und Grünen hinweg gestaltet werden sollte. Am Nachmittag desselben Tages erklärte Merz, dass er die Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen als die wichtigste Aufgabe betrachte. Trotz seiner Oppositionsrolle mache er sich Sorgen um einen Vertrauens- und Kontrollverlust der gesamten Regierung: „Dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land.“
Seine Idee, für die Regierung und die Union, jeweils einen Unterhändler zu benennen, verfing offenbar nicht ganz beim Kanzler, wie dessen Einberufung einer weit größeren Runde nun belegt.
Kanzler wertet Merz-Vorstoß als „gutes Signal“
Scholz hatte erst am Dienstagabend erklärt, dass das „Individualrecht auf Asyl“ für ihn nicht zur Debatte stünde. Die grundsätzliche Bereitschaft der Union, mit der Ampel zusammenzuarbeiten, würdigte Scholz nach Angaben des ZDF aber als „willkommen“ und als „ein gutes Signal“.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte kurz nach Merz‘ Kooperationsangebot seine Zustimmung signalisiert und darüber hinaus das Aus für Sozialleistungen für sogenannte „Dublin-Flüchtlinge“ ins Spiel gebracht.
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken hatte im rbb-Inforadio ihre Bereitschaft bekräftigt, auch mit der Union zu kooperieren. Das gehe aber nicht ohne ihre Koalitionspartner: „Natürlich werden wir nicht an Grünen und FDP, unseren Koalitionspartnern, vorbei so eine Zusammenarbeit machen.“
Irene Mihalic, die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, warf Merz wegen seines Vorstoßes vor, zu „zündeln“. Die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge hatte Merz im ZDF-Interview für seinen Soloauftritt auf der Bundespressekonferenz kritisiert: Dieser sei „nicht klug“ und „sehr hektisch“ gewesen.
Union will Grundgesetz nicht antasten
Nach ZDF-Informationen hatte Merz nach seinem Tête-à-Tête mit Scholz ein Positionspapier an den CDU-Bundesvorstand ausgehändigt, in dem stehe, dass die Union keine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz verlange. Artikel 16a gewährt politisch Verfolgten zwar Asyl. Nach Absatz 2 aber kann sich niemand darauf berufen, der die Bundesrepublik über ein sicheres Drittland erreicht. Auch darauf hatte Merz zuletzt immer wieder hingewiesen, so wie seit Jahren die AfD.
In der MPK bekleiden noch bis zum 30. September der hessische Landesvater Boris Rhein (CDU) und sein niedersächsisches Pendant Stephan Weil (SPD) die Rollen des Vorsitzenden beziehungsweise seines Stellvertreters. Dach rückt Rhein ins zweite Glied: Den Vorsitz wird ab dem 1. Oktober turnusgemäß der sächsische Ministerpräsident übernehmen.
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