Rot-lila Koalition in Brandenburg? Diese Kröten muss das BSW schlucken

Kaum Entgegenkommen in Militärfragen, kein Öl und Gas mehr aus Russland, kein Gratis-Schulessen, der Treue-Check für Beamte bleibt: Das Brandenburger BSW müsste für eine Regierungsbeteiligung manche Kröte schlucken. Dennoch scheint eine rot-lila Koalition in Potsdam nur noch Formsache.
In Brandenburg wollen die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke und das BSW von Landeschef Robert Crumbach in Koalitionsverhandlungen vorschlagen. (Archivbild)
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD, l.) und BSW-Landeschef Robert Crumbach haben mit ihren Verhandlungsteams einen Koalitionsvertrag erarbeitet (Archivbild). Nun sollen zunächst die Fraktionen, dann Landesparteitage ihren Segen geben.Foto: Soeren Stache/dpa
Von 25. November 2024

In Brandenburg wird eine rot-lila Landesregierung unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) immer wahrscheinlicher.

Ein abschließender Koalitionsvertrag von SPD und BSW könnte bereits am kommenden Mittwoch oder Donnerstag öffentlich präsentiert werden, wenn die beiden Landtagsfraktionen sich bis dahin mit dem aktuellen Kompromisspapier der Unterhändler einverstanden erklären. Das berichtete die „Bild“ am Sonntagabend unter Verweis auf „Parteikreise“.

BSW-Landeschef Robert Crumbach, ein Ex-Sozialdemokrat, bestätigte nach Informationen der „Tagesschau“ bereits diesen Zeithorizont. Der finale Beschluss des Koalitionsvertrages soll laut „Bild“ Anfang Dezember auf jeweils eigenen Parteitagen stattfinden. Wer einen Ministerposten im Landeskabinett erhalten soll, werde wahrscheinlich schon im Lauf des 25. November 2024 ausgehandelt.

Auch der SPD-Generalsekretär David Kolesnyk hatte sich laut „Tagesschau“ optimistisch ob der Verhandlungsfortschritte gezeigt: Spätestens bis Weihnachten solle alles in trockenen Tüchern sein.

BSW möchte drei Ministerien

Nach Informationen des „Rundfunks Berlin-Brandenburg“ hofft das BSW auf die Macht in drei von derzeit noch neun Ministerien. BSW-Landeschef Robert Crumbach (62) möchte, laut „BZ“ am liebsten Inneres oder Finanzminister werden. Für die Spitze des Infrastrukturministeriums wünscht sich Crumbach zudem seinen Parteikollegen Detlef Tabbert. Zudem soll wohl das Bildungsressort ans BSW gehen.

Woidke könnte nach Informationen des Boulevardblatts am 11. Dezember zum vierten Mal zum Regierungschef Brandenburgs gewählt werden. Das wäre voraussichtlich einige Tage eher als die Wahl Mario Voigts (CDU) zum thüringischen Ministerpräsidenten, obwohl Brandenburg die Wähler erst drei Wochen später zum Urnengang gebeten hatte.

BSW muss Forderungen opfern

Nach Informationen der „Bild“ hatte das Verhandlungsteam um Woidke und Crumbach Lösungen für jene Streitfragen gefunden, die seit Ende Oktober offen waren. Dafür habe insbesondere das BSW einige seiner Standpunkte aufgeben müssen.

Stichwort Militär: Die Ansiedlung von Rüstungsunternehmen, der Ausbau des Luftwaffen-Stützpunkts Holzdorf und Luftabwehr-Raketen auf brandenburgischem Territorium seien entgegen der ursprünglichen Ablehnung durch das BSW jetzt doch Bestandteil des Koalitionsvertrages.

Stichwort Kreml-Sanktionen: Nach „Bild“-Angaben soll es dabei bleiben, kein Öl und Gas mehr aus Russland zu importieren. Energieintensive Unternehmen wie Stahl- oder Zementfabriken und die PCK-Raffinerie in Schwedt sollen staatliche Hilfen erhalten.

Stichwort Verfassungstreue-Check: Die Gesinnungsprüfung für Staatsdiener solle entgegen der Forderung des BSW nicht gänzlich verschwinden. Stattdessen habe man sich geeinigt, das Verfahren „zeitnah“ zu überprüfen und vielleicht anzupassen. Nach Angaben der „Tagesschau“ gilt der Verfassungstreue-Check seit September dieses Jahres.

Stichwort Gratis-Schulessen: Auch mit diesem Wunsch habe das BSW bei der SPD auf Granit gebissen – der hohen Kosten wegen.

Einfluss im Bundesrat für Migrationseindämmung, Renten und Meisterkurse nutzen

Andere Punkte im Koalitionsvertrag tragen laut „Bild“ dagegen die Handschrift des Bündnis Sahra Wagenknecht. So wolle sich die künftige SPD/BSW-Landesregierung gegenüber der Bundesregierung für verstärkte Grenzkontrollen, beschleunigte Asylverfahren und eine Umsetzung des Dublin III-Abkommens einsetzen.

Das Gleiche gelte für den Wunsch des BSW, den Bund dazu zu bewegen, Rentenzahlungen unter 2.000 Euro steuerfrei zu stellen und die Fortbildung von Gesellen zu Meistern unentgeltlich anzubieten. Die künftige brandenburgische Regierung wolle sich im Bundesrat auch dafür starkmachen, dass der Bund mehr Geld für die Betriebskosten von Krankenhäusern locker machen solle, um ein drohendes Kliniksterben zu verhindern.

Für diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg

Nach Informationen der „Tagesschau“ bestehe Einigkeit, dass man sich im Bund und auch auf EU-Ebene für eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg starkmachen wolle.

SPD und BSW hätten sich zudem darauf geeinigt, dass Lesen, Schreiben und Rechnen in den Grundschulen wieder vermehrt in den Fokus rücken sollten. Das vom BSW geforderte Verbot von Handys und Tablets in Grundschulen sei noch keine beschlossene Sache, beiden Seiten zufolge aber kein „unüberbrückbares“ Verhandlungsthema.

Verständigt hätten sich die Verhandler auch auf neue Anstrengungen beim Bürokratieabbau und bei der Digitalisierung. Beibehalten wolle man zudem die Entlastung von Kita-Beiträgen zugunsten einkommensschwächerer Eltern.

Eine Reaktion der BSW-Parteigründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht lag bis zum Redaktionsschluss nicht vor.

Eklat wegen Gesundheitsreform des Bundes: grüne Minister vorzeitig ausgeschieden

Die seit der Landtagswahl geschäftsführend amtierende grüne Ministerin Ursula Nonnemacher (Gesundheit) war kurz vor dem Wochenende von Woidke entlassen worden. Ihr Parteikollege Axel Vogel trat daraufhin von seinem Amt als Landwirtschaftsminister zurück.

Hintergrund war der Streit um die Krankenhausreform des Bundes: Während Woidke auch im Hinblick auf den neuen Koalitionsvertrag zunächst noch den Vermittlungsausschuss im Bundestag einschalten lassen wollte, wollte Nonnemacher das verhindern.

Bei der Landtagswahl am 22. September waren die Grünen aus dem Landtag geflogen. Seitdem sind nur noch SPD, AfD, CDU und BSW im Parlament vertreten.

Schnelle Einigung im Vier-Parteien-Parlament

Dietmar Woidke und Robert Crumbach hatten sich bereits Ende September erstmals zu Sondierungsgesprächen getroffen. Rund vier Wochen später, am 28. Oktober, präsentierten sie vor der Presse ihr gemeinsames Sondierungspapier (PDF).

Bei der Landtagswahl vom 22. September hatte die SPD 30,89 Prozent der Wählerstimmen hinter sich versammelt. Damit verteidigten die Sozialdemokraten unter Woidke ihren Rang als stärkste politische Kraft Brandenburgs. Die SPD-Fraktion belegt nun 32 von insgesamt 88 Sitzen im Plenum des Potsdamer Plenarsaals – nur zwei Sitze mehr als die AfD (29,23 Prozent, 30 Sitze).

In Brandenburg will allerdings keine Partei mit der AfD koalieren – wie überall sonst in Deutschland auch. Der von Dr. Hans-Christoph Berndt geführte AfD-Landesverband wurde vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft.

Der erstmals zur Wahl angetretene Landesverband des erst Anfang 2024 gegründeten BSW gewann auf Anhieb 13,48 Prozent und 15 Sitze. Die CDU Brandenburg erhielt nur den Zuspruch von 12,10 Prozent der Wähler. Das genügte für 12 Sitze.

Für eine Mehrheit im Plenarsaal gab es angesichts der „Brandmauer“ gegen die AfD also gar keine andere Option als eine Koalition von SPD und BSW – es sei denn, Woidke hätte sich wie die angehenden Ministerpräsidenten von Sachsen und Thüringen auf eine Minderheitsregierung eingelassen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion