Robert Habeck: Vom promovierten Kinderbuchautor zum Bündniskanzler?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist am 17. November 2024 auf dem Parteitag in Wiesbaden mit 96,48 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Spitzenkandidaten der Grünen gewählt worden. Um angesichts der Umfragewerte von damals 13 Prozent das Wort „Kanzlerkandidat“ zu vermeiden, wurde er zum „Kandidaten für die Menschen“ ernannt.
Fehlender Radweg begründete Politikkarriere
Nach Angaben des „Handelsblatts“ ist der heute 55-Jährige erst seit gut zwei Jahrzehnten parteipolitisch aktiv: 2002 habe er bei den Grünen angeklopft, weil er sich über einen fehlenden Radweg geärgert hatte. Innerhalb von nur zehn Jahren stieg er vom Kreisvorsitzenden zum Umwelt- und Energieminister und zum stellvertretenden Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins auf.
Im Januar 2018 – Habeck war vor gerade einem halben Jahr im ersten Kabinett von Daniel Günther (CDU) als Landesminister bestätigt worden – entschied sich der Vegetarier zu einem Wechsel auf die Bundesbühne, um zusammen mit der späteren Außenministerin Annalena Baerbock die Parteileitung zu übernehmen. Als beide nach der Wahl 2021 ins Kabinett Scholz wechselten, überließen sie die Parteigeschicke Ricarda Lang und Omid Nouripour.
Für Habeck bedeutete das Jahr 2021 übrigens nicht nur den Aufstieg zum Bundesminister: Über die Erststimmen im Wahlkreis Flensburg/Schwesig gewann er zugleich sein erstes Bundestagsmandat.
Verfechter einer „klimaneutralen“ Transformation
Obwohl die Bundesrepublik unter Habeck als Minister für Wirtschaft und Klimaschutz nun schon gut drei Jahre des wirtschaftlichen Niedergangs erlebt, zog er selbst noch im Oktober 2024 ein positives Fazit: Er habe das ganze Land „in Fahrt gebracht“ wie „kein anderer Wirtschaftsminister davor“. Sieben Monate zuvor hatte der Bundesrechnungshof ein vernichtendes Zwischenzeugnis seiner Energiepolitik abgeliefert.
Unvergessen sind seine Einlassungen zu Themen wie Insolvenz, Eigenkapital der Banken oder Pendlerpauschale.
Habeck zeigt Stehvermögen und hält trotz wachsendem Widerstand aus den Reihen der Opposition an seiner Vision einer großen Transformation Deutschlands in ein „klimaneutrales“ Land fest. Er steuert damit deutlich den Kurs der Ampelkoalition. „Es geht nicht um das Klima, das geschützt wird, sondern um menschenwürdiges und freies Leben“, stellte Habeck erst kürzlich wieder klar (Kurzvideo auf X).
Ginge es allein nach Habeck, so würde er die Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Gebühren für Energie „radikal“ senken, wie Habeck Ende November 2024 im n-tv-Gespräch versprach. Die Kosten für die Preissenkungen wolle er „vorstrecken“, „Übergewinne“ der Öl- und Gasindustrie stärker besteuern (Kurzvideo auf X).
Zudem macht sich Habeck immer wieder für mehr Windkraftanlagen, „grünen Stahl“ per Wasserstoff und die Abkehr von „alten Techniken“ durch verbesserte Anreize und Forschungsbedingungen stark. Auch dynamische Strompreise, die der Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom Rechnung tragen, kann er sich vorstellen.
Für mehr Waffen, Geld und Partnerschaften mit der Ukraine
Nach eigenen Worten hatte der frühere Zivildienstleistende im Mai 2021 bei einem Aufenthalt im Donbas auch die Notwendigkeit erkannt, Waffen an die Ukraine zu liefern. Das sei die schwerste Entscheidung seines Lebens gewesen – auch wegen des damals gegenläufigen Credos seiner Partei, „keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“ zu schicken.
Mitte Januar 2025 machte sich Habeck bei einem Wahlkampfauftritt dafür stark, auch „eine überplanmäßige Ausgabe“ von „drei Milliarden mehr“ im Bundeshaushalt für die Ukraine zu akzeptieren (Kurzvideo auf X).
Im Entwurf des vorläufigen Wahlprogramms (PDF) heißt es zudem, dass die Grünen einen Beitritt der Ukraine zur EU und zur NATO sowie ein Andauern der Sanktionen gegen Russland bis zu einem Friedensschluss unterstützen wollen.
Kriegswirtschaft als Konjunkturmotor
Für die Bundeswehr sind nach Überzeugung Habecks ebenfalls höhere Staatsschulden angesagt: In einem „Spiegel“-Gespräch Anfang des Jahres erklärte er, man müsse wohl „fast doppelt so viel für unsere Verteidigung“ ausgeben wie bisher, um einen Angriff Putins zu vermeiden.
Schon im März 2024 hatte Habeck dafür geworben, nach dem Vorbild der USA deutlich mehr Geld in die Aufrüstung Deutschlands zu stecken, um für einen „Landkrieg“ gerüstet zu sein. Auch die Produktion von militärischen Gütern bedeute schließlich Produktion und damit Wertschöpfung.
Drei Monate später warnte er die chinesische Regierung bei einem Besuch vor Ort vor wirtschaftlichen Konsequenzen, falls China weiter an der Unterstützung Russlands festhalten sollte.
Auf der Suche nach mehr Staatseinnahmen
Habecks „Impulspapier“, das eine höhere Staatsverschuldung vorsah, hatte Ende Oktober 2024 den schon länger schwelenden Konflikt mit Finanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner verschärft. Zwei Wochen später war die Ampelregierung Geschichte.
Im Januar 2025 schlug Habeck vor, private Kapitalerträge der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen – der Gerechtigkeit wegen. Nach heftiger Kritik von Opposition und Fachleuten regte der Minister an, die Einzelheiten einem Bürgerrat und einer Expertenkommission zu überlassen.
Als kurz darauf Fragen zur Causa Gelbhaar laut wurden, wich Habeck der „Bild“ ein ganzes Wochenende lang aus. Schon Mitte Dezember hatte er sich geweigert, einer Einladung zum TV-Duell mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel zu folgen. Auch den Diskurs mit hunderten aufgebrachten Bauern am Fähranleger Schüttsiel hatte er im Januar 2024 vermieden. Zuletzt musste Habeck zudem viel Kritik vom AKW-Untersuchungsausschuss des Bundestags hinnehmen.
„Piratiger“ Wahlkampf
Ziemlich selbstbewusst zeigte sich Habeck dagegen zu Beginn seines Wahlkampfs, den er am 7. November nach Jahren der Abwesenheit auf der Social-Media-Plattform X eingeläutet hatte.
Seitdem bedient er rege seine vielen Onlinekanäle, reist mit dem „Tourbus“ quer durch die Republik, joggt mit Profi-Fußballerinnen und diskutiert mit Bürgern, auch im Rahmen von „Küchengesprächen“ (Video auf YouTube).
Als das grüne Wahlkampfteam Habecks Porträt am 3. Januar in Überlebensgröße mit dem Zusatz „Bündniskanzler“ ohne Genehmigung auf das Münchner Siegestor und auf die Hamburger Kunsthalle projizieren ließ, kam schnell ein polizeiliches Verbot. Habeck bezeichnete die Aktion im „Focus“-Gespräch als „ein bisschen was Piratiges“ (Kurzvideo auf X).
Kampf gegen Rechts und Musk – mithilfe europäischer Richtlinien
Weniger Humor zeigt der Václav-Havel-Bewunderer beim Thema Meinungsfreiheit. In seiner Neujahrsansprache 2025 kritisierte er die „ungebändigte Kommunikationsmacht“, mit der der Tech-Milliardär Elon Musk zur Wahl der AfD aufgerufen hatte. Wenig später forderte er dazu auf, via Onlineaufruf ein „klares Zeichen gegen diese Einflussnahme“ zu setzen.
Bereits Mitte Oktober 2024 hatte Habeck klargestellt, dass er die „unregulierte Form“ sozialer Medien für „nicht mehr akzeptabel“ halte. „Eine scharfe Anwendung des DSA, des Digital Services Act, ist das Mindeste, was wir in Deutschland brauchen.“
Seit seinem Amtsantritt avancierte Habeck übrigens zum Spitzenreiter unter jenen Bundesministern, die regelmäßig Strafanzeigen für Verstöße im Netz beantragen.
Trotz mäßiger Kompetenz: Ein Zugpferd mit steigenden Sympathiewerten
All das tut Habecks Beliebtheit aber keinen Abbruch: Seine Wähler jubeln ihm zu, und auch viele Anhänger anderer Parteien mögen ihn, wie aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des „Stern“ von Mitte Januar hervorgeht.
Während die Grünen insgesamt „nur“ um die 14 Prozent in der Sonntagsfrage schaffen, halten 33 Prozent aller Deutschen Habeck für kompetent. 54 Prozent empfänden ihn als sympathisch, unter den Grünen-Wählern allein sogar 86 Prozent –Tendenz steigend.
Laut „Stern“ genießt Habeck auch in puncto Sprachgewandtheit, Vertrauen, Einfühlungsvermögen und Führungsstärke bei seinen Anhängern Zustimmungswerte von jeweils über 60 Prozent. Wenn er auftritt, sind die Hallen erwartungsgemäß voll – wie etwa am 12. Januar im Alten Postlager in Mainz: Nach Überzeugung der grünen Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner hätte Habeck sogar das Stadion vor Ort „voll gekriegt“.
Im Fall einer Kanzlerdirektwahl hätte Habeck jedenfalls gute Chancen: Laut „Statista“ ergab eine Umfrage von Mitte Januar, dass 23 Prozent der Deutschen Habeck ankreuzen würden, ebenso viele wie Kanzlerkonkurrent Friedrich Merz (CDU). Olaf Scholz (SPD) und Alice Weidel (AfD) würden jeweils nur 16 Prozent wählen. Überzeugung und Treue scheinen bei den Grünen- und bei den AfD-Wählern am ausgeprägtesten: Jeweils 88 Prozent würden sich jeweils für den Kandidaten ihrer Partei entscheiden – mehr als bei den Unions- (62 Prozent) und SPD-Wählern (68).
Apothekersohn, Philosoph, Literat
Robert Habeck, 1969 in Lübeck als Kind einer Apothekerfamilie zur Welt gekommen, wuchs nach Informationen der WAZ in Heikendorf bei Kiel, Schleswig-Holstein, auf. Als Schüler habe er unter einem „leichten Schlag in Richtung Legasthenie“ gelitten, wie er erst kürzlich dem „Mannheimer Morgen“ gestand.
Dennoch begeisterte er sich bald so sehr für Bücher, dass es ihn eigenen Angaben zufolge zum Studium der Philosophie, Germanistik und Philologie zunächst nach Freiburg, später ins dänische Roskilde zog. Dort lernte er die Kulturwissenschaftsstudentin Andrea Paluch kennen, die er 1996 im letzten Jahr seines Studiums heiratete.
Nach seinem Magisterabschluss promovierte er zwei Jahre lang als Stipendiat in Hamburg über die „Natur der Literatur“. 2021 zog das Schriftstellerpaar Habeck nach Flensburg um. Aus der Ehe gingen vier mittlerweile erwachsene Söhne und bislang mehr als ein Dutzend gemeinsame Bücher hervor, die meisten davon für Kinder und Jugendliche. Die ganze Familie spricht fließend Dänisch.
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