Rentenpaket II im Kabinett beschlossen – darum kann es nun im Bundestag kippen

Das Rentenpaket ist heute vom Kabinett verabschiedet worden. Ruhe kehrt damit aber vermutlich nicht in die Ampelkoalition ein. Die FDP strebt im parlamentarischen Verfahren Nachbesserungen an. Ökonomen und Verbände kritisieren das Paket scharf.
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Das Bundeskabinett hat heute das Rentenpaket II verabschiedet.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 29. Mai 2024

Das Bundeskabinett hat heute nach monatelangem koalitionsinternen Streit das sogenannte Rentenpaket II beschlossen. Eigentlich hätte das Paket von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) längst auf den Weg gebracht werden sollen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der auf einem strikten Sparkurs für den Bundeshaushalt 2025 besteht, verhinderte aber bisher eine Verabschiedung im Kabinett.

Mehrere Ministerien hatten hohe Ausgabewünsche für den sich im Moment in der Abstimmung befindlichen Haushalt für das kommende Jahr vorgelegt. Weiterhin kritisieren die Liberalen, dass das Rentenpaket nicht generationengerecht sei. 

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Torsten Herbst, sagte Anfang Mai in der Printausgabe der „Bild“-Zeitung, dass die FDP ab 2028 einen moderateren Anstieg der Rentenbeiträge sowie eine Erweiterung der sogenannten Aktienrente fordert.

Herbst betonte, dass die Schere zwischen Brutto- und Nettogehalt nicht weiter auseinanderklaffen dürfe. Die Aktienrente könnte langfristig das Rentensystem deutlich entlasten und gleichzeitig für Sicherheit sorgen. Laut dem Bericht der „Bild“ diskutiert die FDP-Bundestagsfraktion auch über die Abschaffung der Rente mit 63 und eine freiwillige Erhöhung des Renteneintrittsalters. Beide Maßnahmen könnten in die Verhandlungen zum Rentenpaket einfließen. Nun aber scheinen zumindest die FDP-Minister in der Ampel eingelenkt zu haben. 

Das Rentenpaket sieht vor, dass die Renten auch in Zukunft im Gleichklang mit den Löhnen in Deutschland steigen. Dafür soll das Rentenniveau bei 48 Prozent festgeschrieben werden. Darüber hinaus soll ein Generationenkapital eingeführt werden: Die Regierung plant, bis Mitte der 2030er-Jahre mindestens 200 Milliarden Euro, hauptsächlich durch Bundesanleihen finanziert, am Aktienmarkt zu investieren. Die Zinserträge sollen dazu beitragen, den erwarteten starken Anstieg der Rentenbeiträge abzufedern.

Generationengerechte Politik hinterfragt

Vor allem das Rentenniveau von 48 Prozent wird von Sozial- und Wirtschaftsverbänden kritisch gesehen. „Der Bundesarbeitsminister will die Kosten des demografischen Wandels komplett auf die Beitragszahler abwälzen“, sagte etwa Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger im März gegenüber dem Portal „t-online“. Den Rentnern werde das heutige Leistungsniveau garantiert, die Beiträge sollen dagegen in Zukunft „unbegrenzt steigen“ können. Das sei „das Gegenteil einer generationengerechten Politik“. Es würden Leistungen versprochen, die „langfristig nicht finanzierbar sind“, so Dulger.

Gegenüber der „Bild am Sonntag“ (mit Bezahlschranke) legte Dulger wenig später noch einmal nach. Er sei „fassungslos“, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil „jetzt noch einmal massiv die Rentenausgaben erhöhen will, obwohl wir vor dem größten Alterungsschub stehen, den es jemals in Deutschland gegeben hat.“ 

Dulger warnte, das Rentenpaket II wäre das „teuerste Sozialgesetz des Jahrhunderts“ und forderte, dass das Vorhaben „umgehend gestoppt werden“ müsse. Er betonte, es sei „unfair und ungerecht, in den nächsten 20 Jahren 500 Milliarden Euro mehr für die Rente auszugeben“. Laut dem Referentenentwurf zum „Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz“ rechnet die Bundesregierung dem Bericht zufolge im Jahr 2045 mit Rentenausgaben von 802 Milliarden Euro.

Sozialbeiträge könnten auf 50 Prozent steigen

In der Stellungnahme der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) warnt der Verband vor aus seiner Sicht unbezahlbaren Kosten. „Bereits 2035 lägen die zusätzlichen Rentenausgaben um rund 30 Milliarden Euro höher als nach geltendem Recht“, so die BDA. „Überfordert würden zum einen die Beitragszahler, weil ihre Gesamtbelastung durch Sozialbeiträge bis Ende des kommenden Jahrzehnts auf rund 50 Prozent steigen würde“, so der Verband weiter. 

Auch den durch neue Schulden zu finanzierenden Aufbau eines Kapitalstocks zur Entlastung der Rentenversicherung kritisiert der Arbeitgeberverband. „Wir brauchen mehr Kapitaldeckung in der Alterssicherung, aber bitte durch private und betriebliche Vorsorge und nicht durch einen Staatsfonds.”

Auch Veronika Grimm, eine der Wirtschaftsweisen, äußerte in der „Rheinischen Post“ Kritik am Rentenpaket: „Der Kompromiss löst keines der Probleme, aber er schafft ein weiteres: Durch die Festsetzung des Rentenniveaus auf 48 Prozent wird die Last für die Beitrags- und die Steuerzahler immer höher.“ Auch Thorsten Alsleben, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), kommentierte in einer Mitteilung

Das Festschreiben des zu hohen Rentenniveaus ist ein teures Wahlgeschenk, das vor allem die jüngeren Beitragszahler und die Arbeitgeber viel Geld kosten wird.“

Rentenniveau von 53 Prozent gefordert

Sozialverbände begrüßten das Vorhaben der Ampel, das Rentenniveau abzusichern, kritisierten jedoch die anvisierte Marke von 48 Prozent des Durchschnittslohns als zu niedrig. „Die Stabilisierung ist nur ein Anfang, schützt aber nicht vor Armut im Alter“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Sie forderte in einer Meldung Anfang Mai, dass alle Menschen mit einem Rentenniveau von 53 Prozent abgesichert werden müssten. 

Gewerkschaften sehen das „Generationenkapital“ als Risiko. Gewerkschaftsvertreter kritisierten die neue Finanzierungsquelle als zu risikoreich. „Sicher ist hier nur das Risiko“, sagte die Präsidentin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi. Gleichzeitig bezeichnete sie die Sicherung des Rentenniveaus als „wichtiges Signal“. 

Heil gibt sich zufrieden

Zufrieden äußerte sich Arbeitsminister Hubertus Heil heute nach dem Beschluss des Kabinetts:

„Mit dem Rentenpaket II stabilisieren wir das Rentenniveau dauerhaft und schaffen ein Generationenkapital, um zukünftige Beitragszahler zu entlasten.“ Damit setze die Koalition ein „klares Zeichen für Leistungsgerechtigkeit.“ In Zukunft bekämen nun „fleißige Menschen“ auch in Zukunft „nach einem Leben voller Arbeit eine stabile Rente.“ 

„Hier haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Noch nie haben so viele Menschen in Deutschland gearbeitet wie heute. Es sind mehr Frauen in Beschäftigung und deutlich mehr ältere Menschen arbeiten länger. Das ist der richtige Weg und den gehen wir weiter“, so Heil.

FDP-Vorsitzender Christian Lindner sieht auch nach dem Beschluss des aktuellen Rentenpakets weiteren Reformbedarf in der gesetzlichen Rente. „Die Beiträge in der gesetzlichen Rente werden aufgrund der Alterung der Gesellschaft voraussichtlich bis in die 30er-Jahre steigen, wenn sich nichts ändert“, erklärte der Bundesfinanzminister, laut „Tagesschau“ in Berlin. „Und deshalb ist das Rentenpaket II von heute der Vorläufer des Rentenpakets III, des Rentenpakets IV und des Rentenpakets V – jedenfalls weiterer Anstrengungen, um die Beiträge für die Bürgerinnen und Bürger in den 30er-Jahren zu begrenzen“, fügte Lindner hinzu.

„Deutliche Nachbesserungen“ gefordert

Nachdem der Gesetzentwurf heute das Kabinett passiert hat, kommt es nun in den Geschäftsablauf des Bundestages. Dieser wird über Vorhaben beraten und abstimmen müssen. Ob die FDP-Bundestagsfraktion dort ihren Ministern folgen wird, bleibt abzuwarten. Noch im Mai hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Torsten Herbst, im Hinblick auf das Rentenpaket II gegenüber „Bild“ gesagt: 

Ich sehe aktuell nicht, dass das Rentenpaket in dieser Form im Bundestag verabschiedet wird. Es bedarf deutlicher Nachbesserungen.“

FDP-Fraktionsvize Johannes Vogel sagte damals zu „Bild“: „Wir müssen die Rente für alle Generationen absichern. Wenn die Rentenbeiträge im Umlagesystem für die arbeitende Mitte einfach immer weiter steigen, gibt es immer weniger Netto vom Brutto und höhere Lohnnebenkosten.“ Daran sollten auch die Koalitionspartner kein Interesse haben.

Der Bundestagsabgeordnete Jens Teutrine machte deutlich: „Es muss allen klar sein, dass ein solches Rentenpaket im Bundestag nicht beschlossen werden kann.” Teutrine ist Chef der 30 jungen FDP-Abgeordneten im Bundestag.

Problem nicht mit immer höheren Belastungen lösen

Und FDP-Finanzexperte Maximilian Mordhorst sagte in der „Bild“ damals in Richtung SPD: „Wir können unser demografisches Problem nicht mit immer höheren Belastungen für die arbeitende Bevölkerung kompensieren. Das ist nichts wissenschaftlich Komplexes, das sind die Grundrechenarten, die auch ein Bundessozialminister beherrschen sollte.“

„Die FDP hat hinreichend klargemacht, dass für sie eine generationenübergreifend gerechte Lösung im Vordergrund steht und allein davon hängt es ab, ob ich zustimmen werde oder nicht“, so auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki in der „Bild“.



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