Rechnungshof: Es ist Zeit sich „über die ernste Lage der Bundesfinanzen bewusst zu werden“
Erst hat der Bundesrechnungshof (BRH) die deutsche Energiepolitik, dann die Vergabepraxis des Gesundheitsministeriums für eine Corona-Impfkampagne kritisiert – jetzt knöpft sich die Kontrollbehörde in einem aktuellen Bericht die Haushaltspolitik der Ampelregierung vor.
BRH-Präsident Kay Scheller ist offenbar alles andere als zufrieden damit, wie der Bund mit den Steuern seiner Bürger umgeht. Es sei aber „unerlässlich, sich über die ernste Lage der Bundesfinanzen bewusst zu werden“, so Scheller laut der „Welt“. Um der Lage Herr zu werden, bedürfe es eines „ungeschminkten, realistischen Bild[es] der tatsächlichen Situation“. Aus seiner Sicht fehle den Verantwortlichen derzeit ein Überblick, wo und wie viel gespart werden könne. Schellers Appell:
Der Bund sollte einen durchgreifenden Konsolidierungsplan vorlegen, der alle gesellschaftlichen Gruppen berücksichtigt und es ihnen gleichzeitig ermöglicht, sich rechtzeitig auf Belastungen einzustellen.“
Um die Akzeptanz für Sparmaßnahmen zu erhöhen, müsse ein Sparplan „möglichst viele“ gesellschaftliche Gruppen betreffen, habe Scheller empfohlen. Laut der „Welt“ habe er daran erinnert, dass die Einschnitte in der Agrarpolitik zuletzt massenhaft Landwirte auf die Straßen getrieben hatten, weil diese die Belastungen als zu einseitig empfunden hätten.
Problemfelder insbesondere Bundeswehr, Sozialversicherungen, Transformation
Hintergrund des Sparappells des Rechnungshofs sind die immensen Kosten, die in den nächsten Jahren auf den Bundeshaushalt zukommen werden. Nach Angaben der „Welt“ erwähnte Scheller die Bundeswehr, die Sozialversicherungen und die Ausgaben für den „klimaneutralen Umbau der Gesellschaft“. Schon 2025 werden nach Angaben des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (RND) 20 Milliarden Euro im Haushalt fehlen.
Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtete, sieht Scheller in seiner Rolle als Bundesbeauftragter für wirtschaftliche Verwaltung zudem verfassungsrechtliche Risiken im laufenden Haushalt. Sie beträfen den Umgang mit der „Allgemeinen Rücklage“ und dem Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“. Dadurch werde die eigentlich „zulässige Kreditaufnahme mehr als verdoppelt“. Scheller habe einen Betrag von „insgesamt 42,7 Milliarden“ Euro errechnet, der möglicherweise nicht den Vorgaben entspreche. „Lange bekannte und drängende haushaltspolitische Fragen sind nach wie vor ungelöst“, zitiert das „Handelsblatt“ (Bezahlschranke) die BRH-Stellungnahme „Risiken und Fluchten beenden – Rahmenbedingungen für eine durchgreifende Konsolidierung des Bundeshaushalts“ (PDF-Datei).
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hätte nach Ansicht Schellers gut daran getan, für die Etatplanungen 2025 nicht auf die veralteten Finanzplanungen des Kabinetts vom Sommer 2023 zurückzugreifen, so das RND. Besser wäre es nach Ansicht Schellers gewesen, wenn Lindner vor den aktuellen Haushaltsverhandlungen für 2025 auf das „Eckwertverfahren“ umgestiegen wäre. Dann hätte Lindner die „finanziellen Rahmendaten“ selbst neu festlegen können. Nun aber bestehe „die Gefahr, dass es wieder in einem Klein-Klein, in einem Hickhack endet“, so der BRH-Chef.
2028 als „Schlüsseljahr“
Was die weitere Zukunft angehe, sei ab 2028 allein im Verteidigungshaushalt eine zweistellige Milliardenlücke absehbar, wie die „Welt“ schreibt. Bis dahin nämlich werde das „Sondervermögen“ der Bundeswehr von 100 Milliarden Euro erschöpft sein. Statt wie aktuell nur mit 52 Milliarden Euro Jahresbudget für das Militär im Jahr 2028 zu kalkulieren, seien wahrscheinlich 75 bis 85 Milliarden aufzubringen – also zusätzlich bis zu 33 Milliarden. Vorausgesetzt, die Regierung wolle sich an ihr Ziel halten, jährlich wenigstens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Verteidigung auszugeben.
Ab 2028 müssten zudem erstmals Tilgungsraten für das Bundeswehr-Sondervermögen gezahlt werden. Auch die Rückzahlung jener Darlehen, die die Bundesregierung während der Coronakrise oder für den EU-Wiederaufbaufonds aufgenommen hatte, werde 2028 beginnen. Angesichts dessen sei das Jahr 2028 als „das Schlüsseljahr“ zu betrachten, so Scheller laut der „Welt“. Nach Informationen des RND summieren sich allein die Tilgungskosten für das Bundeswehr-Sondervermögen und die Corona-Kredite ab 2028 jährlich auf über zwölf Milliarden Euro.
BRH gegen Tilgungsstreckung, neue Schulden und Sondervermögen
Doch ebendiese zwölf Milliarden will Lindner offenbar lieber für andere Aufgaben verwenden. Laut RND hatte er dafür kürzlich auf eine gesamtstaatliche Schuldenquote von unter 60 Prozent des BIP verwiesen, die „bei disziplinierter Haushaltsführung“ bis 2028 zu erreichen sei. Sollte dies gelingen, bräuchte man nach EU-Recht auch nicht mehr so viel für die Tilgung der Notkredite aus den Jahren 2020 bis 2022 aufzuwenden, so Lindners Idee. Statt die Darlehen innerhalb von 30 Jahre zurückzahlen zu müssen, eröffne die EU-Schuldenbegrenzungsregelung damit einen „Spielraum zum Beispiel für Investitionen“ in Höhe von zwölf Milliarden Euro, so Lindner laut der „Welt“ – und zwar, ohne das Grundgesetz antasten zu müssen.
„Wir sehen […] hier diesen Spielraum nicht“, hatte dagegen der BRH-Präsident laut RND klargestellt. Sein Argument: Nicht der Bund sorge derzeit für ein Schrumpfen der gesamtstaatlichen Schuldenquote. Im Gegenteil steige dessen Anteil an der Schuldenlast mit derzeit 40,4 Prozent (FAZ) weiter an. Es seien die Länder und die Sozialversicherungen, die unterm Strich für einen Rückgang sorgten. Und falls die Schuldentilgung ab 2028 tatsächlich „gestreckt“ würde, dann würde auch „der Zinsaufwand nach hinten verschoben und vergrößert“, so Scheller.
Scheller habe sich darüber hinaus ganz allgemein gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse und gegen weitere Sondervermögen ausgesprochen, so die „Welt“: „Die drängenden Probleme dürfen nicht dazu führen, neue Fluchtwege zu beschreiten“. „Das Sondervermögen Bundeswehr sollte die absolute Ausnahme sein“, forderte der oberste Rechnungsprüfer Deutschlands laut RND. Denn ein „Ausweichen in immer neue Schulden“ sei „keine geeignete Option zur Lösung der immer drängenderen und kumulierenden Probleme“. Wenn die Bundesregierung immer weiter in die Kreide führe, müssten schließlich irgendwann Bürger, die „heute noch Kinder oder nicht geboren“ seien, dafür gerade stehen. Das sei nach RND-Informationen für den BRH „keine Lösung“:
Wir plädieren sehr dafür, dass die Belastung die gegenwärtige Generation erfasst und nicht weiter in die Zukunft verschoben wird.“
Scheller kritisiert Stillstand – und sieht Reformpotenzial
Woher das Geld für künftige Herausforderungen kommen solle, sei nach Auffassung Schellers derzeit nicht absehbar, zumal mit höheren Steuereinnahmen nicht zu rechnen sei.
Entsprechende Sparvorschläge zu machen, obliege „nicht dem Mandat des Bundesrechnungshofs“, sondern dem „Primat der Politik“, wie sich Scheller nach Informationen der „Welt“ ausgedrückt hatte. Er habe allerdings kritisiert, dass der „Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen sowie die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung“ nicht vorankämen.
Er selbst sehe einen Lösungsansatz nach Angaben des RND insbesondere im Abbau „klimaschädliche[r] Subventionen“: 18 Milliarden Euro seien allein hier einzusparen.
Außerdem habe Scheller dafür plädiert, die „vielen Förderprogramme“ und die Mehrwertsteuerregelungen unter die Lupe zu nehmen. Aus seiner Sicht existierten noch zu viele Ausnahmen, durch die nur sieben statt 19 Prozent verlangt würden.
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