Politikerbeleidigungen: Vorsitzende der Justizministerkonferenz will sie leichter bestrafen lassen
Beleidigungsdelikte, die gegen Politiker gerichtet sind, sollen nach Vorstellung der niedersächsischen Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) künftig noch leichter bestraft werden können.
Nach Informationen der „Legal Tribune Online“ (LTO) beabsichtigt Wahlmann, die noch bis Jahresende den Vorsitz der Justizministerkonferenz der Länder (JuMiKo) innehat, während der Sitzung des Gremiums am 28. November 2024 einen Antrag zu stellen, um die Voraussetzungen für eine Verurteilung noch weiter abzusenken. Dazu müsste der einschlägige Paragraf 188 des Strafgesetzbuches (StGB) entsprechend verschärft werden. Genau das solle Bundesjustizminister Volker Wissing (parteilos, Ex-FDP) nach dem Willen Wahlmanns auf den Weg bringen.
Wahlmanns Vorschlag sieht nach LTO-Angaben vor, einen Passus des Paragrafen 188 StGB zu streichen: Jene Passage, nach der ein Beleidigungsdelikt geeignet sein muss, das „öffentliche Wirken [eines Politikers] erheblich zu erschweren“, um härter als sonst üblich bestrafen zu können, ist Wahlmann ein Dorn im Auge. Die besonders strengen Maßstäbe des 188er-Paragrafen sollen also auch dann gelten, wenn eine Beleidigung keinerlei Auswirkungen auf das „öffentliche Wirken“ einer „im politischen Leben des Volkes stehende Person“ hat.
Beleidigungen speziell gegen Politiker werden strenger geahndet
Im Fall einer Beleidigung gegen eine politisch tätige Person drohen Geldstrafen oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Das Strafmaß ist damit maximal ein Jahr länger als bei mutmaßlich ehrverletzenden Werturteilen gegen sonstige Bürger. Deren Verunglimpfung wird nicht über Paragraf 188, sondern mit dem Paragrafen 185 StGB geregelt.
Bei übler Nachrede gegen einen Politiker riskiert man gemäß Paragraf 188 StGB übrigens sogar einen Gefängnisaufenthalt zwischen drei Monaten und fünf Jahren Dauer. Eine Verurteilung wegen Verleumdung eines Politikers zieht automatisch mindestens sechs Monate, höchstens fünf Jahre Haft nach sich.
Bei übler Nachrede oder Verleumdung handelt es sich anders als bei Beleidigungen laut LTO nicht um persönliche Werturteile, sondern um (unwahre) Tatsachenbehauptungen. Diese werden nach Darstellung des LTO-Autors Lukas de Koster als schwerwiegender betrachtet, weil ihnen „die erhöhte Gefahr“ innewohne, „dass Dritte sich die behauptete Tatsache zur Grundlage eines eigenen Werturteils machen“:
Wer nur beleidigt, überzeugt weniger, als derjenige, der seine Beleidigung mit Tatsachen untermauert.“
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz?
Wie laut LTO aus dem JuMiKo-Antrag der niedersächsischen Justizministerin hervorgeht, hat Wahlmann kein Problem damit, die verletzte Ehre eines Politikers grundsätzlich härter sanktionieren zu lassen als die beschädigte Ehre eines Normalbürgers. Das sei „durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt“, wie es Wahlmann in ihrem Antrag ausdrücke.
Nach Informationen der „Welt“ (Bezahlschranke) vertritt die Ministerin damit eine andere Rechtsauffassung als etwa der Verfassungsjurist Prof. Dr. Josef Franz Lindner. Dieser sehe „Probleme mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und vor allem mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz“. Sollte das „Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Wirkens“ als zwingende Voraussetzung für eine härtere Bestrafung wegfallen, liefe es letztlich darauf hinaus, dass „die Ehre
Ein verfassungsrechtlicher Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG dürfte mit einer Streichung oder Anpassung des genannten Kriteriums nicht einhergehen“.
Wahlmann berufe sich dabei auf die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts, nach der das „öffentliche Wirken von im politischen Leben stehenden Personen vor unsachlichen Beeinträchtigungen zu schützen und einer erhöhten Gefährdung der Ehre dieser Personen Rechnung zu tragen“ sei.
Gegenüber der „Welt“ erklärte Wahlmann: „Unsere Demokratie lebt von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich in herausgehobener Weise – und oft in ihrer Freizeit – für unsere Gesellschaft einsetzen. Beleidigungen gegen solche Bürgerinnen und Bürger zielen daher nicht nur auf die jeweilige Einzelperson, sondern treffen unser demokratisches Gemeinwesen als Ganzes“. Und weiter: „Welch widerlichen Hasskommentaren sich auch ehrenamtlich tätige Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in unserem Land inzwischen regelmäßig ausgesetzt sehen“, sei für sie „unerträglich“.
Wahlmann wollte „Catcalling“ ins Strafgesetzbuch aufnehmen
Wahlmann hatte sich bereits im Januar für diverse Verschärfungen des Strafrechts starkgemacht. Nach einem Bericht des NDR hatte die Ministerin im Januar 2024 vorgeschlagen, sexuell aufgeladene Bemerkungen auf offener Straße („Catcalling“) unter Strafe stellen zu lassen, um den Angesprochenen Ekel, Abscheu und Angst zu ersparen.
Einem weiteren NDR-Artikel zufolge strebe Wahlmann zudem an, härtere Strafen bei Körperverletzungen und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu etablieren. Die Sanktionen für Drogendelikte halte sie allerdings für zu hoch. Um die Strafmaße zu ändern, habe Wahlmann eine „Kommission auf Bundesebene“ gefordert.
Politikerbeleidigungsparagraf im April 2021 erweitert
Die jüngste Verschärfung des Paragrafen 188 StGB war am 3. April 2021 in Kraft getreten. Unter Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte der Bundestag den Paragrafen mittels eines „Gesetzespakets gegen Hass und Hetze“ um den Schutz vor Beleidigungen erweitert und bis hinunter zur Kommunalebene ausgedehnt. Zuvor waren darin lediglich üble Nachrede und Verleumdung mit härteren Strafen als gewöhnlich abgedeckt.
Bei der Gesetzesanpassung hatte nach Informationen der LTO auch der politisch motivierte Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) eine Rolle gespielt.
Das System dahinter
Wie in den vergangenen Wochen bekannt wurde, geht insbesondere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck systematisch und im großen Stil gegen Beleidigungen und Bedrohungen vor, gefolgt von seiner Parteikollegin Annalena Baerbock (beide Grüne).
Im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz müssen Politiker das Netz nicht mehr eigenhändig nach unflätigen Beschimpfungen durchsuchen. Im Falle Robert Habecks und anderer Personen des öffentlichen Lebens aus Politik, Wissenschaft oder Journalismus übernimmt das die private Rechtsanwaltsgesellschaft „So Done“ der FDP-Politikerin Franziska Brandmann, wie das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) kürzlich auf Anfrage der Epoch Times mitteilte.
Bei „Hassmails, Beleidigungen oder Mails mit Todesdrohungen“ schalte Habeck routinemäßig die „gemeinnützige Organisation Hate Aid“ ein. Um Strafanzeigen und Strafanträge kümmert sich laut BMWK grundsätzlich das Bundestagsbüro des Ministers. Etwaige Geldentschädigungen spende Habeck „vollständig an eine gemeinnützige Organisation, die sich für Zivilcourage im Netz“ engagiere.
Auch das Bundeskriminalamt greift über seine „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ (ZMI BKA) auf die Vorarbeit externer Kooperationspartner zurück. Sofern diese ein „Hassdelikt“ melden, schaltet die ZMI BKA nach Prüfung des Vorfalls die Strafverfolgungsbehörden der zuständigen Länder ein. Diese schlagen den mutmaßlich Geschädigten dann vor, Strafanzeige und -antrag zu stellen, um weiter ermitteln zu dürfen.
Nur für den Fall, dass speziell Politiker verbal angegriffen wurden, können die Strafverfolgungsbehörden nach „Welt“-Informationen selbst anzeigen und Strafanträge stellen.
Falls man auf einer sozialen Plattform also eine unbedachte Äußerung hinterlässt, die sich gegen eine „im politischen Leben des Volkes stehende Person“ richtet, kann es vorkommen, dass die Kriminalpolizei in aller Herrgottsfrühe an der Tür klingelt. So geschehen beispielsweise in dem mittlerweile bundesweit bekannt gewordenen Fall eines Frührentners, der ein despektierliches Meme über den Bundeswirtschaftsminister auf seinem X-Kanal geteilt hatte.
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