Oberbürgermeister Palmer für Rückkehr zur 40-Stunden-Woche
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) hat in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) ein düsteres Bild über die monetäre Lage in den deutschen Städten und Kommunen gezeichnet. Für die Misere macht Palmer in erster Linie den Gesetzgeber verantwortlich.
Speziell die Bundespolitik treibe die Städte in ein „finanzielles Desaster“, welches „die ohnehin taumelnde Republik vollends aus der Bahn werfen könnte“. Trotzdem schafften der Bund und auch die Länder immer wieder „neue Ansprüche“, deren Kosten sie zumindest teilweise an die Kommunen weiterreichen würden.
Als Beispiele nannte Palmer in der FAZ (Bezahlschranke) den „neuen Rechtsanspruch auf Ganztagsplätze in Grundschulen“ und den „neuesten Kabinettsbeschluss für ein Jugend- und Kinderinklusionsgesetz“.
Tübingens gute Jahre vorbei?
Schon seit drei Jahren, also mit Beginn der Ampelregierungsgeschäfte, habe sich die finanzielle Lage der Kommunen und Städte rapide verschlechtert. So sei beispielsweise Tübingen mit 20 Millionen Euro auf der Habenseite noch Ende des Jahres 2022 schuldenfrei gewesen. Der Jahresabschluss 2024 werde nun voraussichtlich ein Minus in derselben Höhe aufweisen. Für Ende 2025 rechne er trotz einer Einnahmeerwartung von rund 400 Millionen Euro sogar mit 40 Millionen Schulden.
Allein für die Sozialleistungen werde seine Stadt 25 Millionen Euro mehr aufbringen müssen, kritisierte der 52-Jährige. Der „überhöhte Tarifabschluss“ habe bereits 20 Millionen Euro mehr verschlungen. Dennoch fordere die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di weitere 8,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, kritisierte Palmer. Die allgemeine Inflation sei bei all dem noch nicht eingerechnet.
„Rasant steigende Ausgaben“ infolge der Bundesgesetzgebung
Nach Ansicht Palmers sind nicht die Einnahmen der Stadtkämmerer das Problem, sondern „rasant steigende Ausgaben“. Die drei großen Kostentreiber sieht der Ex-Grüne offenbar im Bundesteilhabegesetz, in der Jugendhilfe und in der Versorgung der Flüchtlinge. Im ersten Fall mangele es am Nutzen für die betroffenen Behinderten, während alle drei Fälle zum Teil „gewaltige Lasten“ für die Kommunen bedeuteten.
Manche Landkreise hätten darüber hinaus noch das „explodierende Defizit“ ihrer Krankenhäuser aufzufangen. Das Geld dafür müssten sie „mangels eigener Einnahmen über die sogenannte Kreisumlage von ihren Kommunen einsammeln“, kritisierte Palmer. Im Fall Tübingens koste allein diese Umlage 36 Prozent der „Steuerkraft der Gemeinden“. Bei all dem seien die Defizite noch nicht berücksichtigt, die durch die „Verrentung der Babyboomer“ in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zu erwarten seien.
Die Kommunen hätten aktuell im Prinzip nur zwei Möglichkeiten, ihre Steuereinnahmen zu erhöhen, nämlich über die Grundsteuer und über die Gewerbesteuer. Beide Optionen gingen allerdings zulasten der Standortattraktivität.
Ein „unbezahlbarer Sozialstaat“
Als Ausweg bleibe momentan also nur noch das Mittel der Ausgabenreduzierung: „Vom Schwimmbad bis zu Kita, vom Busverkehr bis zur Straßenunterhaltung, vom Theater bis zum Museum, alles wird für die Bürger teurer und schlechter oder ganz gestrichen.“ Und weiter:
Weil einfach nicht mehr Geld für immer mehr Leistungen da ist, müssen die Standards auf breiter Front runter. Einen unbezahlbaren Sozialstaat können sich nur Leute wünschen, die unser Staatswesen von innen aushöhlen wollen. Und schon in wirtschaftlich guten Zeiten hat die AfD bekanntlich Rekordergebnisse erzielt.“
40-Stunden-Woche für die Wirtschaft
Der Wirtschaft könne bereits mit einer Rückkehr zur 40-Stunden-Woche geholfen werden, meinte Palmer. Diese könne „die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stabilisieren und das Fachkräfteproblem verringern“.
Immerhin hätten die Bürger das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg einst bei einer 48-Stunden-Woche erschaffen, „und wer kriegsversehrt oder traumatisiert war, packte trotzdem mit an“. Die Arbeitnehmer in der Schweiz würden noch heute jedes Jahr im Schnitt 200 Stunden mehr arbeiten als die Deutschen. Palmer schlug noch eine Reihe weiterer Lösungsansätze vor:
Wir könnten das Gestrüpp von Vorschriften mit der Axt abschlagen. Wir könnten bei Bürgergeld und Rente mit 63 die Anreize zum Arbeiten vergrößern, statt Untätigkeit zu fördern. Wir könnten das Steuerrecht reformieren und Einwanderung auf den Arbeitsmarkt statt auf die Sozialhilfe ausrichten. Wir könnten die Digitalisierung endlich machen und die Infrastruktur in Ordnung bringen, wir könnten das Bildungswesen wieder auf Leistung trimmen.“
Dem Wohlstandsverlust in Deutschland weiter tatenlos zuzusehen, berge die Gefahr, in den 2030er-Jahren „noch ganz andere Zumutungen diskutieren“ zu müssen, gab Palmer zu bedenken. Die Zeit werde allmählich knapp.
Ein Mann der klaren Worte
Palmer gilt seit Jahrzehnten als Mann der klaren Worte und unpopulärer Meinungen – ein Umstand, der ihm schon manchen Ärger speziell mit seinen früheren Parteikollegen von den Grünen eingebracht hatte. Erst vor einem Monat erregte er Aufsehen, als er dem CDU-Landesverband in Thüringen dazu geraten hatte, es doch einmal mit einer Koalition mit der AfD zu versuchen.
Im Dezember 2021 schloss sich Palmer jenen Stimmen an, die sich für eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus für Menschen über 60 Jahren ausgesprochen hatten. Auch von einer Beugehaft und einem Stopp für Lohn- und Rentenzahlung redete er nach Informationen der „Welt“ damals. Vier Monate zuvor war er nicht bereit gewesen, seine eigenen Kinder gegen COVID-19 impfen zu lassen.
Im Januar 2024 räumte Palmer gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ein, sich mit seiner Forderung nach einer Impfpflicht geirrt zu haben.
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