Nur FDP- und AfD-Wähler lehnen Vermögensteuer mehrheitlich ab

Eine breite Mehrheit von 62 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland hat sich einer repräsentativen forsa-Umfrage zufolge für eine Vermögensteuer zulasten reicher Privatpersonen oder Unternehmen ausgesprochen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist wie die Mehrheit der FDP- und AfD-Wähler dagegen.
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Die Vermögensteuer wird wegen der Verfassungswidrigkeit der Bewertungspraxis von Grundstücken und Immobilien seit 1997 nicht mehr erhoben. Die Debatte um ihre Wiedereinführung geht allerdings weiter.Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Von 10. Juli 2024

Mit Ausnahme der Wähler von FDP und AfD ist eine Mehrheit sämtlicher Anhänger der wichtigsten übrigen Parteien in Deutschland für das Wiederaufleben einer Vermögensteuer. Das geht aus einer aktuellen repräsentativen forsa-Telefonumfrage hervor, die das Magazin „Stern“ und der Fernsehsender RTL gemeinsam in Auftrag gegeben hatten.

Demnach würden es unter allen Wahlberechtigten gut drei von fünf, nämlich 62 Prozent, begrüßen, wenn Privatpersonen und Unternehmen mit einem Vermögen von einer Million Euro oder mehr extra vom Fiskus zur Kasse gebeten würden. 34 Prozent der 1.008 Befragten hätten sich dagegen ausgesprochen. Vier Prozent hätten ihre Meinung nicht verraten. Nach Angaben des „Stern“ gibt es eine statistische Fehlertoleranz von bis zu drei Prozentpunkten nach oben oder unten: Die Zahlen könnten in der Realität entsprechend abweichen.

Diskrepanz zwischen Wähler- und Parteiwillen nur bei der Union

Die stärksten Befürworter finden sich laut „Stern“ im Lager der Grünenwähler. Dort wären 84 Prozent für eine Steuer auf Vermögen. Beinahe ebenso viele SPD-Wähler, nämlich 79 Prozent, bejahen die Idee auch. Damit stehen sie im Einklang mit gleichlautenden Forderungen ihrer Parteien. Schon bei den Koalitionsverhandlungen der Ampelregierung hatten sich SPD und Grüne für, die FDP allerdings gegen die Wiedereinführung der Steuer ausgesprochen.

Weniger ausgeprägte Mehrheiten pro Vermögenssteuer finden sich bei den Anhängern des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW, 58 Prozent) und der Unionsparteien (55 Prozent). Während das BSW auch auf Gesamtparteiebene nichts dagegen hätte, vertreten Spitzenpolitiker von CDU und CSU laut „Stern“ allerdings eine gegenteilige Ansicht: Gerade Unternehmen wären von einer Extra-Abgabe auf Eigentum betroffen; die bereits bestehenden Steuerlasten seien im Auslandsvergleich ohnehin schon hoch.

Nur FDP- und AfD-Wähler klar gegen Vermögensteuer

Dieselbe Meinung scheint zwischen den Wählergruppen von FDP und AfD und ihren favorisierten Parteien zu bestehen. Unter den bekennenden Liberalen lehnen 78 Prozent die Wiedereinführung von Extrabelastungen für Vermögensmillionäre oder -milliardäre ab, unter den AfD-Anhängern sind es 62 Prozent.

Zwischen den Bewohnern in den westlichen und östlichen Bundesländern gibt es einen Unterschied von fünf Prozentpunkten: Während die Befragten mit Wohnsitz im Osten zu 66 Prozent Ja zu einer Vermögensabgabe sagten, waren es bei den im Westen Ansässigen nur 61 Prozent.

Lindner dagegen: „Am Ende hätte man mehr verloren als gewonnen“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte in den vergangenen Monaten trotz Haushaltskrise immer wieder versprochen, keinerlei neue Steuern einführen zu wollen. Ein Wiederaufleben der Vermögensteuer würde „immense Rückgänge bei Beschäftigung, Investitionen, Wirtschaftswachstum, Steuereinnahmen“ bedeuten, betonte Lindner am 9. Juli 2024 auf seinem X-Kanal. „Am Ende hätte man mehr verloren als gewonnen“, gab sich der Finanzminister überzeugt und untermauerte seine Argumentation mit einem Verweis auf eine Studie des ifo Instituts aus dem Jahr 2017. Schon im November 2022 hatte sich Lindner klar gegen ein Wiederaufleben positioniert: Deutschland könne sich eine Vermögensteuer „nicht leisten“.

Lindners Kabinetts- und Parteikollege Bundesjustizminister Marco Buschmann erklärte den Grund für sein Nein zu einer Vermögensteuer ebenfalls am 9. Juli auf seinem X-Kanal:

Die Vermögenssteuer ist als abstraktes Konzept eine beliebte Idee. In der Praxis frisst der komplexe Bewertungsaufwand (Was ist ein Gemälde wert? Und was die vererbte Vase?) die Erträge daraus auf. Daher haben viele Länder, die sie einmal eingeführt haben, [sie] wieder abgeschafft.“

Seit 1997 ausgesetzt – umstrittene Grundsteuerreform könnte Makel heilen

Die Vermögenssteuer wird nach Angaben der sozialdemokratisch geprägten Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Deutschland seit 1997 nicht mehr verlangt: Das Bundesverfassungsgericht habe zuvor Bedenken wegen der Bewertungspraxis von Grundstücken und Immobilien angemeldet. Daraufhin habe die schwarz-gelbe Regierungskoalition unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) die Erhebung ausgesetzt. Zuvor sei die Steuer kraft Gesetzes 74 Jahre lang eingetrieben worden.

„Mit einer Anpassung der Bemessungsgrundlage wäre die Neueinführung der Steuer also wieder denkbar und potenziell verfassungskonform“, schreibt die FES. Genau das sei mit der Grundsteuerreform des Jahres 2019 erfolgt. Diese werde 2025 in Kraft treten. „Dann wäre auch die Berechnung der Vermögensteuer wieder verfassungskonform“, betont die SPD-nahe Stiftung. Freuen könnten sich die 16 Bundesländer: Ihnen stünde das Geld gemäß Artikel 106 des Grundgesetzes vollumfänglich zu.

Der Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof hält das Grundsteuergesetz zumindest in elf Bundesländern allerdings noch immer für verfassungswidrig; viele potenziell Betroffene wehren sich per Einspruch gegen ihre Grundsteuerbescheide.

Forscher sehen Potenzial von 73 Milliarden Euro für Deutschland

Nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ vom April 2024 liegen die tatsächlichen Steuersätze von Superreichen in Deutschland und Österreich „weit unter den vorgesehenen Höchststeuersätzen“. Der Mittelstand dagegen trage „mit einem höheren Anteil seines Einkommens zum Steuer- und Abgabenaufkommen“ bei. „Lediglich in der Schweiz sorgt die Vermögensteuer dafür, dass die effektiven Steuersätze von Superreichen deutlich näher an den Höchststeuersätzen liegen“, hätten die Autoren einer Studie festgestellt.

Zu ihnen gehörten Experten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, deren Abteilung für Konjunkturforschung (KOF), das gewerkschaftsnahe Momentum Institut aus Österreich, das Netzwerk Steuergerechtigkeit und deren Mitglied Oxfam Deutschland. Die Forscher hätten eine Modellrechnung der reichsten 0,1 Prozent der Staaten aufgemacht und auch die öffentlich einsehbaren Vermögensverhältnisse von Mitgliedern der Forbes-Milliardärsliste berücksichtigt.

Nach den Berechnungen der Studienautoren könnte eine Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild Deutschland 73 Milliarden Euro einbringen.

Vollkommen frei von dem Grundkonzept einer Abgabe auf Eigentum ist das Steuerwesen der BRD allerdings schon heute nicht: Das eigene Auto, die eigene Immobilie und das Ererbte beispielsweise werden in Form von Kfz-Steuer, Grundsteuer und Erbschaftssteuer ohnehin belastet.

Nach Angaben der FES erheben derzeit unter anderem Frankreich, Luxemburg, Spanien, Norwegen und die Schweiz innerhalb der Gruppe der OECD-Staaten eine Vermögenssteuer.



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