Neue Spuren zu Nord Stream: Steckt vielleicht doch Russland dahinter?
Operiert Russland im ungelösten Fall der Nord-Stream-Zerstörung etwa seit Monaten nach dem Gaunerprinzip „Haltet den Dieb“? Immerhin war es die russische Vertretung im UN-Sicherheitsrat, die erst am 11. Juli erneut Druck für eine unabhängige Untersuchung machte. Tags zuvor hatten die UN-Botschafterinnen von Deutschland, Dänemark und Schweden neue Erkenntnisse ihrer nationalen Ermittlungsbehörden per Brief an den Rat in New York übermittelt.
Auch diesmal konnte sich Russland zwar nicht mit dem Wunsch nach eigenen UN-Ermittlungen durchsetzen, doch die Russische Föderation kündigte nach einem UN-Pressebericht an, das Thema weiterhin im Rat zur Sprache bringen zu wollen. Und zwar so lange, „bis die Täter identifiziert und zur Verantwortung gezogen“ seien.
Schiffsverband oder Segeljacht?
Mehreren Medienberichten zufolge führen aktuelle Recherchen aber wieder in Richtung Russland. Im Falle des kurz vor der Sprengung in Tatortnähe gesichteten russischen Schiffsverbunds sowieso. Aber auch neuere Informationen zur Story mit der Mietjacht und der pro-ukrainischen Tauchergruppe lenken den Blick nun wieder weg von der Ukraine.
Die aktuellen Zwischenergebnisse der deutschen, dänischen und schwedischen Ermittlungsbehörden werden vor der Öffentlichkeit weiter unter Verschluss gehalten – ganz zu schweigen von einem ersehnten Endergebnis. Nach einem Bericht von RTL hatte der schwedische Staatsanwalt Mats Ljungqvist schon vor Wochen im Radio seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, die Täterschaft im Herbst 2023 ermittelt zu haben.
„Ukrainische“ Reisebürobesitzerin soll in Wahrheit Russin sein
Nach einem aktuellen Bericht des Nachrichtensenders ntv hatte es bislang womöglich eine Fehleinschätzung zur Nationalität jener Frau gegeben, über deren Warschauer Reisebüro Feeria Lwowa die Segeljacht Andromeda in einem Rostocker Hafengebiet angemietet worden sein soll. Die Strohfrau hinter Feeria Lwowa, eine gewisse Diana B., soll nun doch keine Ukrainerin, sondern die Inhaberin eines russischen Passes sein, die in Usbekistan zur Welt gekommen sei. Möglicherweise sei sie auch im Besitz eines ukrainischen Passes. Doch dieser könnte nach Einschätzung der ntv-Rechercheure gefälscht sein.
Ihr Reisebüro sei wohl nur zur Tarnung eröffnet worden: Die Kundenrezensionen auf der schon lange vor den Anschlägen gelöschten Internetseite hätten sich inzwischen als Fake erwiesen.
Nach Sichtung eines russischen Ausweisdokuments und einem Blick in das polnische Handelsregister habe man einen Wohnsitz von Diana B. in Kertsch ausgemacht, einer Stadt auf der Halbinsel Krim. Dort sei sie im Jahr 2001 mit ihrer Familie hingezogen. Die ntv-Recherchen zeigten zudem, dass die Frau sich schon kurz nach der Annexion der Krim bei Wahlen vor Ort für „prorussische Politik“ engagiert habe. Heute aber werde ihr Standort in Russland vermutet: Es existierten Fotos, die die Verdächtige im Juni 2023 vor einem Fußballstadion im russischen Krasnodar abbildeten.
Kiesewetter glaubt an Russland als Täter
Diese neuen Detailberichte hätten den CDU-Bundestagsabgeordneten und Außenpolitikexperten Roderich Kiesewetter in seiner Meinung bestärkt, dass Russland selbst „an diesem Anschlag beteiligt“ gewesen sein müsse.
Gegenüber RTL habe Kiesewetter geäußert, dass die Dame, wenn sie als Ukrainerin in Sachen Pipeline-Sprengung gegen die Interessen des russischen Staats gehandelt hätte, sich heute gar nicht „in Russland aufhalten oder frei bewegen“ könne. Immerhin sei „ja ein Millionenvermögen vernichtet worden“, gab Kiesewetter zu bedenken. Er hoffe, dass der Generalbundesanwalt nun auch „in diese Richtungen ermittelt“. Auf jeden Fall müsse die Angelegenheit „rechtlich aufgearbeitet werden“. Über die Motive Moskaus, die zur Sprengung der eigenen Pipeline geführt haben könnten, sagte er nichts.
Nach Informationen von „t-online“ hätten „Generalbundesanwalt und Bundeskriminalamt“ bislang durchaus das Szenario mit der Andromeda-Segeljacht untersucht. Sie seien aber „hauptsächlich“ solchen Spuren gefolgt, die in die Ukraine geführt hätten. Davon seien seit März auch die Rechercheure der „Zeit“, der ARD und des „Spiegel“ ausgegangen.
Deutsches Verteidigungsministerium räumt Sichtung russischer Schiffe offiziell ein
Wie „t-online“ berichtet, liegt mittlerweile auch eine erste offizielle Bestätigung darüber vor, dass Soldaten der Bundeswehr am 21. und 22. September 2022, also nur vier Tage vor den Anschlägen, „russische Militärschiffe am späteren Tatort registriert“ hätten. Die Einzelheiten der Sichtung sollten aber geheim bleiben.
Um die Ermittlungen nicht zu beeinträchtigen, sei lediglich der ermittelnde Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank über Details in Kenntnis gesetzt worden. Das habe das Bundesverteidigungsministerium bestätigt.
Es bleibe damit unklar, ob die Beobachtung vom deutschen Aufklärungsschiff Oste gemacht worden war. Die Oste hatte sich nach Recherchen von „t-online“ „am 22. September auf dem Rückweg vom alljährlichen Herbstmanöver Northern Coasts für zwei Stunden im betreffenden Gebiet vor Bornholm“ aufgehalten. Im selben Zeitfenster hätten auch „dänische und schwedische Schiffe und Flugzeuge offenbar die russischen Schiffe“ verfolgt.
Erstaunlich viele Theorien zur Täterschaft
Anfang Juni 2023 hatte die „Washington Post“ berichtet, dass die Bundesregierung höchstwahrscheinlich schon im Juni 2022 von Plänen des ukrainischen Militärs wusste, die deutsch-russische Gaspipeline in der Ostsee zu sprengen. Das war bis dato auch die am heißesten gehandelte Theorie.
Laut „Washington Post“ sollten die Tatbeteiligten dem Armeechef Walerij Saluschnyj unterstanden haben. Präsident Wolodymyr Selenskyj soll angeblich nichts davon gewusst haben. Die Bundesregierung schwieg dazu – wie schon zu allen anderen Ermittlungsansätzen. Die Sache liege in der Hand des Generalbundesanwalts, des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und der Geheimdienste.
Der Ende April 2023 verbreitete Verdacht, dass militärische und zivile Forschungsschiffe aus Russland für die Nord-Stream-Sprengung verantwortlich oder zumindest beteiligt sein könnten, ließ sich bislang nicht erhärten. Bereits im Dezember 2022 hatten Beamte der Biden-Regierung nach Informationen der „Washington Post“ zumindest „insgeheim“ eingeräumt, dass es keine schlüssigen Beweise für eine Tatbeteiligung Moskaus gebe.
Auch andere Länder stehen nach dem Motto „Cui bono“ („Wem nützt es?“) im Tatverdacht: Die USA, Norwegen, Schweden, Dänemark, Polen, Großbritannien und die baltischen Länder hätten durchaus entsprechende Interessen. Für manche gehört sogar Deutschland in den Kreis der Tatverdächtigen. Ein Schuldeingeständnis fehlt bis heute.
Der 26. September 2022
Die Nord-Stream-Explosionen hatten am 26. September 2022 in der Nähe der dänischen Ostseeinsel Bornholm insgesamt vier Lecks in die beiden Doppelstrang-Pipelines Nord Stream 1 und 2 gerissen. Die ältere Linie Nord Stream 1 war zu dem Zeitpunkt abgeschaltet. Ein Strang der brandneuen Nord Stream 2 soll noch funktionsfähig sein. Zum Zeitpunkt des Attentats hatte sie noch keine Zulassung von deutschen Behörden erhalten: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Zertifizierungsverfahren zwei Tage vor Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 verhindert.
Die Sprengstoffanschläge gegen das wohl wichtigste Energie-Infrastrukturprojekt Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg hatten einen außergewöhnlich hohen wirtschaftlichen Schaden verursacht. Die Pipeline, die Russland und Deutschland unter der Ostsee verbindet, hätte bis zu 110 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren können. Mehr als die gesamten 101 Milliarden Kubikmeter russischen Gasexporte des Jahres 2022, berichtete das Wirtschaftsportal „VG.hu“.
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