Nach Teilerfolg für „Correctiv“: Vosgerau will nächste Instanz anrufen
Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hat dem Antrag des Staatsrechtlers Dr. Ulrich Vosgerau auf einstweilige Unterlassungsverfügung gegen das Recherchenetzwerk „Correctiv“ am 26. Februar 2024 nur in einem einzigen Punkt stattgegeben: Nach Angaben der Gerichtspressestelle müssen die Autoren nur eine bestimmte Passage aus ihrem Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ abändern (Az: 324 O 61/24). Die wichtigsten Klarstellungswünsche Vosgeraus sieht das Landgericht (LG) dagegen als unbegründet an.
In dem Artikel war es um eine Zusammenkunft in Potsdam vom 25. November 2023 gegangen, bei der sich Parteimitglieder der AfD, der CDU und Privatpersonen mit dem vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ eingestuften Aktivisten Martin Sellner über das Thema „Remigration“ ausgetauscht hatten. Der Text hatte massenhafte Demonstrationen „gegen rechts“ verursacht.
Wie die „Berliner Zeitung“ berichtete, hatte der Artikel auch Reaktionen hochrangiger Politiker provoziert: Bundeskanzler Scholz (SPD) habe gegen „Fanatiker mit Assimilationsfantasien“ protestiert, Bundesinnenministerin Faeser (SPD) habe von „NS-Ideologien“ gesprochen.
Thema Remigration nicht Gegenstand des Beschlusses
Die seit Wochen besonders umstrittenen Textstellen zum Thema Abschiebung standen laut Gericht im Fall Vosgerau keineswegs zur Debatte. In der Presseerklärung liest sich das wie folgt:
Alle weiteren Inhalte der Correctiv-Berichterstattung, insbesondere ob, durch wen und in welchem Umfang die in dem Artikel thematisierte ‚Remigration‘ von Menschen mit Migrationshintergrund, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft haben, auf der Veranstaltung in Potsdam diskutiert wurde, sind nicht Gegenstand der Entscheidung. Für keinen der äußerungsrechtlichen Angriffe des Antragstellers kam es darauf an.“
Vosgerau will den Beschluss nicht akzeptieren. Auf seinem X-Kanal kündigte er „eine Fortsetzung vor dem Oberlandesgericht“ an.
Nur Nebenaspekt soll korrigiert werden
Die einzige vom Gericht als unterlassungswürdig eingestufte Stelle hatte bisher in der Öffentlichkeit relativ wenig Aufmerksamkeit erfahren. Es ging darin um angebliche Äußerungen Vosgeraus zu den Erfolgsaussichten von Wahlprüfungsbeschwerden, die der Jurist laut „Correctiv“ in Potsdam gemacht haben soll. Nach Auffassung des Gerichts darf „Correctiv“ folgende Passage nicht mehr verbreiten: „Den Vorschlag, man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, hält Vosgerau für denkbar: Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.“
Zur Begründung gab das Landgericht an, dass diese Passage so verstanden werden könnte, dass Vosgerau in Potsdam behauptet hätte, „die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlprüfungsbeschwerden Erfolg hätten, sei umso größer, je mehr Beschwerden eingelegt würden“. In seinem Antrag auf einstweilige Verfügung habe Vosgerau dagegen dargelegt, „ein massenhaftes Vorgehen gerade nicht befürwortet und darauf hingewiesen zu haben, der Erfolg einer Wahlprüfungsbeschwerde hänge nicht davon ab, wie oft sie eingereicht werde, sondern davon, wie gut sie begründet sei“.
Das Team „Correctiv“ habe seinerseits versäumt, in seiner Widerrede vor Gericht „die Richtigkeit des Zitats darzulegen und glaubhaft zu machen“, so das LG. Das habe den Ausschlag zur Bewertung der strittigen Textpassage gegeben:
Das Gericht hatte deshalb von der Unrichtigkeit des Zitats auszugehen, sodass dem Antragsteller insoweit ein Unterlassungsanspruch zusteht.“
Die bemängelte Stelle taucht zum Stand 27. Februar 2024, 15:15 Uhr, allerdings noch immer im Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ auf. Was legal ist: „Correctiv“ ist nach Angaben des Gerichts berechtigt, Widerspruch einzulegen. In diesem Fall käme es zu einer mündlichen Verhandlung, bei der der Fall erneut zu entscheiden sei. Nach der Ankündigung Vosgeraus, in die nächste Instanz zu gehen, kann sich „Correctiv“ die Mühe des Widerspruchs wohl sparen.
Verkürzte Darstellung laut LG Hamburg zulässig
Für alle weiteren Beanstandungen Vosgeraus über die spezielle Darstellung jener Antworten, die er dem „Correctiv“ auf dessen schriftlich gestellte Nachfrage gegeben hatte, ordnete die Pressekammer des Landgerichts Hamburg keine Unterlassungsverfügung an.
Dafür nur ein Beispiel: Laut Landgericht hatte „Correctiv“ nach dem Potsdamer Treffen bei Vosgerau nachgefragt, „wie er im Nachhinein zu der auf der Versammlung getroffenen Aussage stehe, bei der es um eine ‚Remigration‘ von Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sei, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft hätten“.
Vosgerau habe daraufhin geantwortet, „dass nach seiner Erinnerung von niemandem gesagt worden sei, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert werden“. Correctiv hatte diese Antwort im Text wie folgt verarbeitet: „An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können.“
Diese verkürzte Darstellung halte das Landgericht für „zutreffend“ und damit nicht zu beanstanden. Dass „Correctiv“ den Rest von Vosgeraus Antwort nicht erwähnt habe, „berühre die Richtigkeit der Wiedergabe mit der konkret angegriffenen Formulierung nicht“. Ähnlich argumentierte das Landgericht in den übrigen strittigen Punkten: Jedes Mal habe das „Correctiv“-Team Vosgeraus ausführlichere schriftliche Antworten „in zulässiger Weise zusammengefasst“.
Antragsteller widerspricht: „nicht identisch, sondern sehr unterschiedlich“
Aus Sicht Vosgeraus ist der Beschluss „erkennbar rechtsfehlerhaft“: Er selbst werte seine eigenen schriftlichen Erklärungen und deren Paraphrasierung durch das „Correctiv“ als „nicht identisch, sondern sehr unterschiedlich“. Zudem habe „‚Correctiv‘ […] inzwischen selber eingeräumt, daß niemand auf dem Treffen die Ausbürgerung Deutscher verlangt oder in Vorschlag gebracht“ habe. „Vor diesem Hintergrund ist es schwer verständlich, warum dann nicht wenigstens meine – inzwischen als richtig erwiesene – Stellungnahme auch richtig abgedruckt werden muß“, so der Jurist weiter.
Auch sein Anwalt Carsten Brennecke will weiter kämpfen, damit zumindest die übrige „Correctiv“-Darstellung der Einlassungen seines Mandanten richtiggestellt werden. Auf seinem X-Kanal wiederholte Brennecke seine Überzeugung, dass es dem „Correctiv“-Team in Wahrheit darum gegangen sei, „durch überspitzt inszenierte Wertungen den falschen tatsächlichen Eindruck“ hervorzurufen, dass das „Thema des Potsdam-Treffens […] die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien gewesen“ sei. Derartige Pläne aber habe es nie gegeben. Das „große prozessuale Problem“ sehe er im deutschen Medienrecht:
Bloße Meinungsäußerungen sind aufgrund des Grundrechts der Meinungs- und Pressefreiheit auch dann nicht angreifbar, wenn die Öffentlichkeit sie als falsche Tatsachenbehauptungen missversteht. […] Correctiv äußerte sich also zwar in manipulativ fragwürdiger Art und Weise aber in Form einer juristisch gerade noch zulässigen Meinungsäußerung.“
Dennoch, so Brennecke im Einklang mit Vosgerau, habe die gegnerische Seite „in einem Schriftsatz an das Gericht ausdrücklich bestätigt […], dass Correctiv gar nicht behauptet habe, in Potsdam sei die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien besprochen worden“.
Wie die „Legal Tribune Online“ bestätigt hatte, räumte das Journalistenteam bereits ein, dass es sich um „Überzeugungen“, „unsere Auffassung“ oder „wertende Schlussfolgerungen“ handelte, als es über Vertreibungspläne zum Nachteil von „Millionen Menschen“ mit „falscher Hautfarbe oder Herkunft“ geschrieben hatte. In seinen FAQs zum Artikel beharrt das „Correctiv“-Team dennoch auf seiner Neutralität: „Es gehört […] nicht zu unserer Rolle als Investigativjournalisten, Rechercheergebnisse mit Meinungen aufzuladen“.
Vosgerau: Text voller Wertungen, Vermutungen und Spekulationen – aber keine Tatsachenbehauptungen
Ungeachtet dessen, was im Fall „Vosgerau gegen Correctiv“ am Ende herauskommen wird, feierte der Jurist die Situation auf X schon jetzt als einen „viel größere[n] Erfolg, als die Prozeßparteien und auch Fachleute jemals vorhergesagt hätten“.
Das habe aber nichts mit dem Landgerichtsbeschluss zu tun. Vielmehr sei inzwischen klar, dass es sich bei der Darstellung von „Correctiv“ „lediglich um Wertungen, Vermutungen oder ‚journalistische Einordnungen‘ von ‚Corretiv‘ selber“ gehandelt habe. Das Rechercheteam habe selbst zugegeben, „daß alle Kernbestandteile der sogenannten ‚Recherche‘ – Vertreibungen, Deportationen, Ausbürgerung von Staatsbürgern womöglich in millionenfacher Anzahl, nach ethnischen oder Hautfarbekriterien – niemals Tatsachenbehauptungen gewesen“ seien.
Er selbst sehe von daher in dem gesamten „Geheimplan“-Text nicht mehr als „Spekulationen über vermeintliche heimliche Gedanken von Menschen, die im Verdacht stehen, nicht die Grünen gewählt zu haben“.
Zwei weitere „Potsdamer“ Fälle noch nicht entschieden
Wie das LG Hamburg weiter klarstellte, liegt noch keine Entscheidung im Fall jenes Unternehmers vor, der ebenfalls in Potsdam mit dabei war und ebenfalls auf Unterlassung gegen „Correctiv“ geklagt hatte (Az: 324 O 53/24).
In dem bereits Mitte Januar 2024 von der AfD-Bundestagsabgeordneten Gerrit Huy angestrebten Strafverfahren gegen 15 Mitarbeiter von „Correctiv“ gibt es keine Neuigkeiten: Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam auf Nachfrage der Epoch Times mitteilte, war „die Prüfung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt oder nicht“, am Morgen des 27. Februar 2024 noch „nicht abgeschlossen“. Huy hatte eine Strafanzeige nebst Strafantrag wegen des Verdachts auf Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (Paragraf 201 StGB) und Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen (Paragraf 201a StGB) eingereicht.
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