Nach Lindner-Papier: Weitere Krisentreffen der Ampelgranden geplant
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in den vergangenen 14 Tagen getrennte Wege beschritten hatten, um Lösungen für die Wirtschaftsprobleme der Bundesrepublik zu finden, scheint nun der Zeitpunkt für Zugeständnisse gekommen. Zumindest hinter den Kulissen wird seit Sonntagabend wieder miteinander gesprochen.
Nach „Bild“-Informationen soll die dreistündige Aussprache zwischen Scholz und Linder am Sonntagabend im Kanzleramt nur das erste von drei oder gar vier Treffen markiert haben. Bei zwei oder drei weiteren Gesprächen wolle der Kanzler das schlingernde Schiff innerhalb von nur drei Tagen zurück auf Kurs zwingen.
Werden Dreierrunden einen Durchbruch bringen?
Ab sofort solle auch Habeck mit am Tisch sitzen, wie die „Bild“ berichtet: Bis Mittwoch, 6. November 2024, wolle der Kanzler herausfinden, ob sich weitere Verhandlungen mit Lindner überhaupt noch lohnen. Konkretere Inhalte oder gar Ergebnisse des Krisentreffens zwischen Scholz und Lindner wurden bislang nicht veröffentlicht.
Für den Finanzminister steht am Montag nun zunächst die zweite Runde seiner Mittelstandsgespräche an. Auch werde der Finanzminister am Abend vor der nordrhein-westfälischen Bauindustrie auftreten, um für seine Ideen zur Wende in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu werben.
Am Mittwoch steht eine womöglich entscheidende Konferenz des Koalitionsausschusses auf dem Terminkalender. Dieses Meeting wird zugleich unter dem frischen Eindruck der US-Präsidentschaftswahl vom 5. November stehen.
Danach wäre immer noch eine gute Woche Zeit, bis am 14. November die finale Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag für das Jahr 2025 stattfindet. Derzeit kann und will niemand sagen, was geschehen wird, falls die Haushaltspolitiker des Parlaments und die Bundesregierungsvertreter sich dann nicht zu einer gemeinsamen, verfassungskonformen Lösung durchringen sollten.
Lindners Diskussionspapier befeuert den Ampelkonflikt
Nach dem ersten Wirtschafts-„Gegengipfel“ von Lindner mit Mittelstandsvertretern in der vergangenen Woche hatte ein angeblich entgegen interner Absprachen zwischen Lindner, Habeck und Scholz durchgesickertes Diskussionspapier Lindners kurz vor dem Wochenende für erweitertes Streitpotenzial in der Ampel gesorgt.
Darin fordert Lindner auf 18 Seiten letztlich nichts weniger als eine 180-Gradumkehr der bisherigen Regierungspolitik – sehr zum Ärger der Koalitionspartner aus den Reihen der SPD und der Grünen. Lindners zentraler Satz:
Deshalb ist eine Wirtschaftswende mit einer teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen erforderlich, um Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden.“
Kein offizielles Ultimatum von Lindner
Ein Ultimatum einschließlich konkreter Bedingungen für eine weitere Zusammenarbeit hatte Lindner in seinem „Wendepapier“ (PDF) allerdings nicht ausdrücklich formuliert. Auch in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ wollte er davon nichts wissen: „Ich lass’ mich von Ihnen jetzt nicht öffentlich dazu provozieren, irgendwelche Ultimaten zu machen“, entgegnete der Finanzminister auf die Frage, wie die aktuellen Differenzen spätestens bis zur Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses am 14. November beigelegt werden sollen.
Kurz zuvor scheint der Chef der Liberalen bemüht, die Wogen zu glätten:
Diese jetzige Situation mit unterschiedlichen Konzepten, Gesprächen des Kanzlers, Papieren von Herrn Habeck, Vorschlägen von meiner Seite – da kann ich den Bürgerinnen und Bürgern versprechen, diese Situation, die werden wir schnellstmöglich klären.“
„Bei Wirtschaft und Finanzen geht es so nicht weiter“
Lindner betonte, dass Deutschland auch vor dem Hintergrund eines möglichen Wechsels in der US-Politik und der damit einhergehenden geopolitischen Veränderungen einer „Richtungsentscheidung“ und eines „klaren Kurses“ bedürfe: „Bei Wirtschaft und Finanzen geht es so nicht weiter.“
Obwohl nicht er selbst es gewesen sei, der sein Papier an die Presse durchgesteckt habe, sei er inzwischen „erleichtert“ darüber, erklärte Lindner im ZDF. Schließlich hätten sich die „Rahmenbedingungen“ verändert. Darauf sei eben zu reagieren. Seine eigenen Vorschläge seien realisierbar, finanzierbar und würden von „Wirtschaftsvertretern aus der Wissenschaft“ oder auch von Ex-Bundesminister Sigmar Gabriel (SPD) gelobt, argumentierte Lindner.
Als Kernelemente für die Misere beim Wachstum und auf dem Arbeitsmarkt nannte Lindner im ZDF-Interview die Bürokratie, die Höhe der Steuern und Energiepreise sowie den „deutschen Sonderweg auch in der Klimapolitik“, mit dem es sich Deutschland „künstlich schwer“ mache. Die Bürger erwarteten allerdings, dass sich etwas verändere, denn sie wollten „wieder stolz sein auf Deutschland“. Nun seien die Koalitionspartner am Zug:
Nicht derjenige, der Vorschläge macht, wie man das Land aus der Krise führt, muss sich rechtfertigen. Sondern andere müssten sich rechtfertigen, wenn sie keine Vorschläge machen.“
Dem bereits am 23. Oktober von seinem Kabinettskollegen Robert Habeck präsentierten Ideenpapier erteilte Lindner erneut eine Absage: Die Vorschläge des Wirtschaftsministers für einen schuldenbasierten „Deutschlandfonds“ in dreistelliger Milliardenhöhe und für eine zehnprozentige Subventionierung privatwirtschaftlicher Investitionen seien aus seiner Sicht „verfassungsrechtlich, europarechtlich nicht umsetzbar“.
Man werde nun sehen, was die SPD vorschlage, „und dann werden wir die unterschiedlichen Überlegungen nebeneinander legen“.
SPD-Coparteichef Klingbeil sieht „Woche der Entscheidungen“
Bundeskanzler Scholz hatte sich schon am frühen Sonntagabend mit seiner Parteispitze über seine „Verhandlungsstrategie“ gegenüber Lindner und Habeck abgestimmt. Dabei gewesen seien die beiden SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, außerdem Generalsekretär Matthias Miersch sowie Rolf Mützenich, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Gleich im Anschluss habe der Kanzler dann Lindner ins Gebet genommen.
Klingbeil hatte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntag keinen Zweifel daran gelassen, dass er – abgesehen vom Bürokratieabbau – keine allzu großen Kompromisse auf der Basis von Lindners „neoliberaler Ideologie“ mittragen werde:
Wenn da am Ende aber das durchschimmert, was Herr Lindner schon 500 Mal vorgeschlagen hat und was wir schon 500 Mal abgelehnt haben, nämlich dass die reichen Leute in diesem Land noch mehr Geld in der Tasche haben, dann werden wir diesen Weg nicht mitgehen.“
Der SPD gehe es nicht um ein „Kreisen um sich selbst“ oder um die Frage nach Neuwahlen im Bund, betonte Klingbeil. Die Sozialdemokraten seien vielmehr daran interessiert, auf welche Weise „viele Tausend Industriearbeitsplätze“ gerettet, die Wirtschaft stabilisiert und ein neuer „Aufschwung für die Menschen in diesem Land“ realisiert werden könnten.
Seine Covorsitzende Saskia Esken hatte zuvor die Möglichkeit offengelassen, dass es nach knapp drei Jahren in Regierungsverantwortung doch noch zu einem vorzeitigen Aus der Ampel kommen könnte:
Niemand will im Augenblick eine Prognose wagen, wann genau die nächste Bundestagswahl stattfindet. In der Koalition, das ist nicht von der Hand zu weisen, brennt gerade die Hütte.“
Grüner Banaszak vermutet Amtsmüdigkeit Lindners
Der grüne Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak, der mutmaßlich nächste Covorsitzende der Grünen, kritisierte Lindner ebenfalls im „Bericht aus Berlin“ für dessen Vorstoß zu einer vollkommen anderen Wirtschafts- und Klimapolitik: „Herr Lindner findet keine Zeit, seine Aufgabe als Finanzminister zu erfüllen“, sagte Banaszak, „dafür findet er viel Zeit, in alles andere hineinregieren zu wollen“.
Aus seiner Sicht atme Lindners Diskussionspapier „den Geist davon: Ich will eigentlich nicht mehr“.
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