Nach Aschaffenburg: Union will radikalen Kurswechsel in der Asylpolitik – Faeser warnt vor Populismus

Nach dem Messerattentat von Aschaffenburg will die Union die Migrationspolitik weit schärfer gestalten als bisher. Der bayerische Ministerpräsident Söder sprach von einer „Zeitenwende“ um 180 Grad. CDU-Kanzlerkandidat Merz präsentierte ein nicht verhandelbares Fünf-Punkte-Programm. Für BMI-Chefin Faeser sind die Länder und der Bundestag am Zug.
Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder (r, CSU) und Bayerns spricht Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sehen die Schuld vor allem beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und verweisen zudem auf die von ihnen schon länger kritisierte Migrationspolitik der Bundesregierung.
Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder (r, CSU) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sehen die Verantwortung für die Mordtat von Aschaffenburg vor allem beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).Foto: Lukas Barth/dpa
Von 23. Januar 2025

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Seit den Messermorden im fränkischen Aschaffenburg vom 22. Januar 2025 ist erneut eine Debatte um gewalttätige Asylbewerber, die Schutzpflichten der Regierung und Behördenversagen entbrannt.

„Es ist bitter, dass alle, die lange gewarnt haben, Recht behalten. Aber meiner Überzeugung nach deutet sich jetzt hier das erste Mal eine Zeitenwende an, so richtig, seit vielen Jahren“, erklärte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder am Mittag des 23. Januar 2025 auf einer Pressekonferenz in München.

Söder: „Null Toleranz und null Kompromiss“

Bisher habe es in der deutschen Migrationspolitik „immer kleine Trippelschritte“ gegeben: „Zu spät, zu wenig, zu halbherzig, zu ideologisch“, so Söder. Jetzt sei es an der Zeit, „neben Besonnenheit endlich mehr Entschlossenheit zu zeigen. Zudem sei „überfällig, dass sich in Deutschland etwas ändert“:

Es reicht. Es reicht. Es reicht.“

Gemeinsam mit CDU-Parteichef Friedrich Merz habe er sich darauf verständigt, dass die „Leitlinie“ für eine künftige Migrationspolitik „Null Toleranz und null Kompromiss“ lauten solle. Es werde eine „180-Grad-Wende in der Migrationspolitik“ geben.

„Unser Motto muss sein: ‚Sicherheit first‘“, betonte Söder. Denn die Migration überfordere „unser Land, und nicht nur beim Finanziellen“. Bei den Attentaten der vergangenen Jahre – Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg – handele es sich nicht um Zufälle, sondern um „die Folgen einer Kette falscher, jahrelanger Migrationspolitik“. Wer das nicht kapiere, der kapituliere. „Und der überlässt das Land im Schongang den Radikalen“, mahnte Söder.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder wünscht sich eine Zeitenwende in der bundesdeutschen Migrationspolitik. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/WELT

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder wünscht sich eine Zeitenwende in der bundesdeutschen Migrationspolitik. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/WELT

Aufnahmestopp, Grenzschließung, neues Bundesrecht

Seiner Einschätzung nach gebe es „kein Versagen einzelner Länder oder einzelner Behörden“, sondern vielmehr „ein Kernversagen, dass das Recht fehlt, um es anzuwenden“. Deshalb werde eine Umkehr ohne Änderung des Bundesrechts auch nicht funktionieren. Kein einziges der zahlreichen Vorschläge aus Bayern der vergangenen Jahre sei auf Bundesebene umgesetzt worden, gab Söder zu bedenken.

Speziell bei der illegalen Migration müsse das Motto nun lauten: „Weniger ins Land und viele raus aus dem Land“. Das bedeute „faktisch“ einen Aufnahmestopp und eine Grenzschließung „für illegale Migration“. Konkret stellte Söder folgenden Forderungskatalog auf:

  • Eigenes Entscheidungsrecht Deutschlands über die Anzahl der Aufzunehmenden
  • Überarbeitung des Asylgrundrechts – weg von einem subjektiven, hin zu einem objektiven Recht
  • Rücknahme des zu schnellen und zu frühen Erwerbs der deutschen Staatsbürgerschaft
  • Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft bei Straftaten
  • Rückabwicklung des Cannabisgesetzes
  • Mehr Zurückweisungen an den deutschen Grenzen
  • Stärkung der Bundespolizei
  • Das Recht der bayerischen Grenzpolizei, selbstständig zurückzuweisen
  • Visa-Stopp, insbesondere für Länder wie Afghanistan
  • Ende der Entscheidungshoheit von NGOs über die Frage, „wer zu uns ins Land kommt“.
  • Mehr Kontrollrechte für BKA und BND
  • Aussetzung des subsidiären Schutzes
  • Aussetzung des Familiennachzugs
  • Länderverträge zur Rücknahme ausländischer Staatsbürger, auch mit Afghanistan und Syrien
  • Konsequenzen für aufnahmeunwillige Heimatländer, zum Beispiel durch Streichung der Entwicklungshilfe
  • Arrest schon bei der ersten Straftat
  • Ausreisepflichtige nach Hause schicken, „freiwillig oder mit Druck“
  • Ausbau und Vereinfachung des Abschiebearrestes
  • Zeitnahe Abschiebungen aus dem Abschiebearrest
  • Errichtung nationaler Ausreisezentren an den Flughäfen, organisiert vom Bund und der Bundespolizei, Zuführung durch die Länder
  • Wöchentliche oder tägliche Abschiebeflüge

Speziell für sein eigenes Bundesland versprach Söder, die Rechtsvorgaben des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (BayPsychKHG) zu überprüfen, zu härten und zu verschärfen. Er werde auch den „Opferbeistand“ verbessern und den Opferfonds für Familien, die von Straftaten betroffen seien, finanziell stärker unterlegen lassen als bisher.

Dem 41-jährigen Mann, der sein Einschreiten in Aschaffenburg mit dem Leben bezahlt habe, werde er posthum die bayerische Rettungsmedaille verleihen – als Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung für dessen Mut (Video auf YouTube).

Merz: Fünf-Punkte-Programm als Wahlversprechen

Auch der CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz war in Berlin vor die Presse getreten. Er weigere sich, „anzuerkennen, dass die Taten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und jetzt Aschaffenburg die neue Normalität in Deutschland sein sollen“, erklärte der Sauerländer. Und weiter:

Das Maß ist endgültig voll. Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer in Deutschland seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik.”

Die Menschen in Deutschland müssten sich wieder sicher fühlen. Falls der Staat dazu nicht mehr in der Lage sei, „legen wir die Axt an die Grundfesten unserer Demokratie“, so Merz.

Ähnlich wie Söder nannte der Unionskanzlerkandidat eine Reihe von Maßnahmen und Zielen, die er im Fall seiner Wahl umzusetzen gedenke, und zwar unabhängig von den Wünschen eines etwaigen Koalitionspartners. Merz präsentierte seine Vorstellungen als Fünf-Punkte-Programm:

  1. Dauerhafte Grenzkontrollen: Einreiseverbot für Menschen ohne gültige Papiere – auch für Personen mit Schutzanspruch, Vorrang des nationalen Rechts vor EU-Regeln
  2. Haftbefehlsantragsrecht für die Bundespolizei
  3. Ausreisegewahrsam oder -haft für Ausreisepflichtige, Erhöhung der Kapazitäten in Liegenschaften des Bundes
  4. Stärkere Beteiligung der Bundespolizei an täglichen Abschiebungen
  5. Zeitlich unbefristeter Ausreise-Arrest für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder

Faeser lehnt „populistische Vorschläge“ ab

Nancy Faeser, die Chefin des Bundesinnenministeriums (BMI), schickte angesichts der Aschaffenburger Mordtat Kritik nach Bayern: „Die bayerischen Behörden müssen erklären, warum der Täter trotz mehrfacher Gewaltdelikte noch auf freiem Fuß war“, sagte Faeser am Donnerstag in Berlin. Offenbar seien auch vor Ort „einige Dinge schiefgelaufen“. Die Reaktion aus Bayern finde sie „befremdlich“.

Es gehe jetzt darum, die bestehenden Gesetze konsequent umzusetzen, sagte die Ministerin. Dies sei sinnvoller, als jetzt neue „populistische Vorschläge“ zu machen, fügte sie mit Blick auf die Pläne von Merz und Söder hinzu. Immerhin habe die Regierung „die Gesetze massiv verschärft“, um mehr Ausweisungen von Gewalttätern, mehr Abschiebungen sowie mehr Sicherheit im öffentlichen Raum durch Waffenverbote und Kontrollen zu schaffen.

„Vor allen Dingen haben wir auch den Abschiebegewahrsam verlängert und die Abschiebehaft von drei auf immerhin sechs Monate“, ergänzte Faeser. Es sei an den Ländern, Abschiebehaftplätze und auch „Dublin-Center“ vorzuhalten. Momentan arbeite man „intensiv daran, weitere Straftäter nach Afghanistan abzuschieben“. Zudem werde das gemeinsame europäische Migrationsrecht (GEAS) das bisherige Dublin-System ersetzen. Der Bundestag solle den Gesetzentwurf zur Umsetzung „schnellstmöglich“ beschließen, empfahl Faeser.

Scholz: „Es reicht nicht zu reden“

Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich am Vorabend mit Faeser sowie mit den Chefs des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei im Kanzleramt getroffen. „Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen“, schrieb er auf seinem X-Kanal. „Falsch verstandene Toleranz“ sei „völlig unangebracht“. Deshalb habe er von den Behörden gefordert, aufzuklären, warum sich der Täter von Aschaffenburg noch immer in Deutschland aufgehalten habe:

Aus den gewonnenen Erkenntnissen müssen sofort Konsequenzen folgen – c.“

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte Scholz (SPD) dafür, dass es trotz anderslautender Versprechungen seinerseits bisher nur einen einzigen Abschiebeflug nach Afghanistan gegeben habe: „Den Erklärungen und Zielvorstellungen des Bundes sind keine Taten gefolgt.“ Dabei gebe es allein in Bayern 187 Afghanen, die „erhebliche Straftaten“ begangen hätten. Sie alle seien dem Bundesinnenministerium bekannt. „Der Bund muss dringend jetzt die Möglichkeiten schaffen, dass abgeschoben werden kann“, verlangte Herrmann.

Zwei Tote, drei teilweise Schwerverletzte

Die tödliche Gewalttat von Enamullah O. hatte sich am Mittwoch, 22. Januar, gegen 11:45 Uhr im Aschaffenburger Schöntalpark ereignet. Nach Schilderung von Innenminister Herrmann soll O. „unvermittelt und gezielt“ mit einem Küchenmesser auf einen zweijährigen Jungen marokkanischer Abstammung eingestochen haben, der mit einer Kindergartengruppe unterwegs war. Der Junge erlag den Verletzungen. Als ein 41-jähriger Fußgänger dazwischengehen wollte, sei auch er tödlich verletzt worden. Sein Einschreiten habe wahrscheinlich weitere tote Kinder verhindert.

Nach Angaben der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) seien zudem drei weitere Menschen teils schwer verletzt worden: Ein zweijähriges syrisches Mädchen habe drei Messerstiche am Hals erlitten, ein 61-jähriger Mann sei im „Thoraxbereich“ verletzt worden. Außerdem habe sich eine 59-jährige Erzieherin einen Armbruch zugezogen, als sie fliehen wollte.

Gerlach zufolge wurden alle drei überlebenden Opfer im Klinikum Aschaffenburg versorgt. Sie seien außer Lebensgefahr. Unter der Nummer 0800 / 655 3000 könnten weitere Betroffene ein Krisennetzwerk kontaktieren.

Die Polizei hatte den flüchtigen Tatverdächtigen nach Angaben von Herrmann bereits zwölf Minuten nach der Tat festgenommen, nachdem ihn weitere Passanten nicht mehr aus den Augen gelassen hätten (Video auf YouTube).



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