Musterklagen gegen Grundsteuer in Vorbereitung
Bis zum 31. Oktober 2022 hätten Grund- und Immobilienbesitzer in Deutschland erstmals eine eigene Erklärung zur Berechnung der künftigen Grundsteuer beim Finanzamt einreichen müssen. So will es das „Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts“, kurz Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) vom 2. Dezember 2019.
Weniger als 44 Prozent Feststellungserklärungen eingegangen
Doch längst nicht alle der rund 36 Millionen Betroffenen folgten dem Aufruf. Nach Angaben des Onlineportals „agrarheute“ hatten bis Mitte September 2022 lediglich 18 Prozent ihre Pflicht erfüllt, bis Anfang Oktober 2022 war es ein knappes Drittel. Bis zum 4. Dezember 2022 waren es nach Angaben des Bundesfinanzministeriums etwa 43,52 Prozent.
Der Anteil elektronisch übermittelter Feststellungserklärungen habe zu diesem Zeitpunkt ungefähr 39,09 Prozent betragen, in Papierform hätten etwa 4,43 Prozent ihre Daten bei den zuständigen Landesfinanzbehörden eingereicht. Bei Nichtabgabe drohen immer noch Säumniszuschläge, Bußgelder oder Strafzahlungen in Höhe von bis zu 25.000 Euro.
Frist verlängert
Dass so viele Immobilieneigentümer sich weigern würden, den ursprünglich geplanten Abgabetermin einzuhalten, war für den dem Gesetzgeber wohl überraschend, gleichwohl schon Anfang Oktober nicht mehr von der Hand zu weisen.
Die Finanzministerkonferenz reagierte und beschloss am 13. Oktober 2022 in Berlin, die Frist bis zum 31. Januar 2023 zu verlängern. „Damit entlasten wir unsere Bürger, die Wirtschaft sowie die Steuerberater deutlich. Wir müssen die Menschen mitnehmen“, stellte der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU) laut „agrarheute“ damals klar.
Doch damit sind sowohl der Bund der Steuerzahler (BdSt) als auch der Verband Haus und Grund nicht einverstanden. Beide Interessenvertretungen wollen Musterklagen auf den Weg bringen.
Steuerzahlerbund sieht Gerechtigkeitslücken
Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. wehrt sich generell gegen die vorgeschriebene Praxis und bereitet seine Musterklage wegen „Gerechtigkeitslücken“ vor.
Beim aktuellen Stand der Dinge benötigten die Betroffenen „Zeit, Aufwand und starke Nerven“, um die geforderten Daten in Erfahrung zu bringen und korrekt zu erfassen, gab Daniela Karbe-Geßler, Leiterin der Steuerabteilung beim Bund der Steuerzahler, laut „agrarheute“ zu bedenken.
Denn manche der obligatorischen Angaben lägen vielen Immobilienbesitzern gar nicht vor – wohl aber den Grundbuch-, Bau- oder Katasterämtern.
Viel Papierkram für Eigentümer
Karbe-Geßlers Vorschlag, dass die Finanzverwaltung jene Daten, die den Behörden bereits vorlägen, selbst in die Datensätze eintragen oder zumindest für die Betroffenen abrufbar machen solle, wurde allerdings nicht umgesetzt.
Stand jetzt müssen sich die Immobilienbesitzer selbst um die Recherche kümmern – und sich danach in der Regel mit den Tücken von „ELSTER“ auseinandersetzen, der via Internet erreichbaren Steuerdaten-Erfassungsplattform des Fiskus. Sofern ihnen kein Steuerberater die Arbeit abnimmt. Denn welcher Laie kennt sich schon mit dem Unterschied von Wohn- und Nutzfläche oder Begriffen wie Bodenrichtwert, Grundsteuerwert oder Ertragswertverfahren aus?
Verband Haus und Grund bitte um Hilfe
Auch der Verband Haus und Grund plant eine Musterklage gegen die Grundsteuer, will notfalls womöglich bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Dazu bedürfe es aber der Mithilfe von Immobilieneigentümern: Wer bereits einen Grundsteuerbescheid erhalten habe, der möglicherweise fehlerhaft sei, möge sich deshalb beim Verband melden.
„Wenn Eigentümer, egal ob im selbst genutzten Häuschen oder im vermieteten Eigentum, bei der Überprüfung ihres Bescheides der Auffassung sind, ‚das kommt mir komisch vor‘, kommen Sie gern auf uns als Verbände zu. Wir entscheiden dann, mit welchen Fallgestaltungen wir am Ende so eine Musterklage anstreben“, erklärte der sächsische Haus- und Grund-Verbandsdirektor René Hobusch im Mitteldeutschen Rundfunk.
Knackpunkt für den Verband Haus und Grund ist vor allem die Berechnung der sogenannte „Bodenrichtwerte“: Die Gemeinden würden diese viel zu allgemein festlegen, ohne dabei auf individuelle Besonderheiten einzugehen, so die Kritik.
Sollte eine oder mehrere Musterklagen gegen den Status quo erfolgreich sein, könnte die gesamte Grundsteuerreform doch noch kippen. Da die neuen Steuerbescheide nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bereits ab 2025 ausgestellt werden müssen, hofft der Verband Haus und Grund, dass die Angelegenheit bis dahin verhandelt und entsprechend positiv im Sinne seiner Mandanten beschieden wird.
Kompliziertes Berechnungsverfahren
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2018 entschieden, dass der Bund das Berechnungsmodell für die Grundsteuer anhand von „Einheitswerten“, „Steuermesszahlen“ und „Hebesätzen“ ändern muss.
Der Grund: Das seit Jahrzehnten unverändert angewendete Prinzip könne nicht mehr als vereinbar mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes angesehen werden, da der bisher zugrunde liegende „Einheitswert“ die Lage einer Immobilie nicht exakt genug berücksichtige – und damit einen der Hauptfaktoren für den Wert der Wohnung, des Hauses oder Grundstücks.
Grundsätzlich gehe es allerdings immer noch darum, „die Grundsteuer als verlässliche Einnahmequelle der Kommunen zu erhalten“, betonte das (BVerfG). Die bisherige Berechnungspraxis dürfe nur noch bis zum 31. Dezember 2024 genutzt werden.
Bund und Länder waren daraufhin gezwungen, ein neues Modell zur Festsetzung der Grundsteuerhöhe zu erarbeiten. Das neue Gesetz berücksichtigt nun Faktoren wie den jeweiligen Wert des Bodens (Bodenrichtwert), die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete laut Mietniveaustufe der jeweiligen Gemeinde, die Grundstücksfläche, die Grundstücksart und das Alter des Gebäudes. Faustformel: Je größer das Grundstück, je besser die Lage und je neuer die Immobilie, desto höher ist wahrscheinlich die Grundsteuerforderung an den oder die Eigentümer.
Effekt auf künftige Steuerlast unklar
Das Bundesfinanzministerium betont zwar seit Einführung des neuen Gesetzes, dass die gesamte Steuerlast für alle Immobilienbesitzer nicht nennenswert steigen soll – räumt aber ein, dass einige mehr, andere weniger Grundsteuer werden zahlen müssen.
Dies sei „die zwingende Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und – angesichts der aktuellen Ungerechtigkeiten aufgrund der großen Bewertungsunterschiede durch das Abstellen auf veraltete Werte – unvermeidbar“.
(Mit Informationen des mdr und agrarheute)
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