Müllers moderater Meinungswandel: Erst Hardliner, nun Amnestiebefürworter
Vor wenigen Tagen hat sich auch der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), in die Debatte um eine Aufarbeitung der Corona-Krise eingeschaltet. Im Gespräch mit dem „Tagesspiegel“ setzte sich der Bundestagsabgeordnete grundsätzlich für eine „Amnestie“ jener Menschen ein, die behördlicherseits wegen Verstößen gegen die Auflagen mit Strafen belegt worden waren. Zu einer Entschuldigung bei der Bevölkerung für die gesamte Maßnahmenpolitik konnte er sich allerdings nicht durchringen. Denn immerhin seien „sehr viele Menschenleben“ gerettet worden.
Dass die Maßnahmen – von der Maskenpflicht über Kontakt- und Berufsverbote bis hin zu Schulschließungen und dem seit 2021 allgegenwärtigen Impfdruck – einen positiven Effekt auf das Sterbegeschehen hatten, darf nach den Enthüllungen der sogenannten „RKI-Files“ zumindest als umstritten gelten. Vielmehr drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass die Gängelung der Bürger auf politischen Entscheidungen beruhte, die sich über den wissenschaftlichen Erkenntnisstand des RKI-Krisenstabs hinweg setzten. Dass es sich um politische Entscheidungen handelte, hatte der freie Journalist Boris Reitschuster der Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zudem bereits im Januar 2021 entlockt (Video auf YouTube).
Ihren strengen Kurs behielten Merkel, ihr Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und ihre Nachfolger Scholz und Lauterbach (beide SPD) ungeachtet mahnender Stimmen insgesamt rund drei Jahre lang bei.
Müller überzeugter Maßnahmenverfechter
Auch Müller selbst hatte sich während seiner Zeit als Landesregierungschef Berlins sogleich als Gegner der Maßnahmenkritiker zu erkennen gegeben. Schon am 26. März 2020, eine gute Woche nach Verkündigung der Hochskalierung des Risikos durch Prof. Lothar Wieler, den Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), schwor Müller seine Mitbürger zur Opferbereitschaft und zur Selbstvereinzelung ein. Jeder sei „aufgerufen, eine unsichtbare Mauer um sich selbst zu ziehen“.
Als „traurige Ausnahme“ schmähte Müller „die Dummen und die Uneinsichtigen“, die angesichts der vorliegenden Datenbasis nicht mitmachen wollten (Video auf ntv). Zu diesem Zeitpunkt hatte es in der 3,8-Millionen-Stadt laut Statista acht Fälle von „in Zusammenhang mit dem Coronavirus“ Verstorbenen und 2.029 positive PCR-Tests gegeben.
Gute Demos – böse Demos
Als im Herzen Berlins im Juni 2020 mehrfach Tausende Menschen unter der Parole „Black Lives Matter“ (BLM) auf der Straße des 17. Juni gegen Rassismus demonstrierten, hatte Müller nichts dagegen. Sie hatten sich weitgehend an die Auflagen der Stadt gehalten: Abstand und Maske.
Als sich am 1. August desselben Jahres Corona-Maßnahmengegner zum vermeintlichen „Tag der Freiheit“ an gleicher Stelle wie die BLM-Kämpfer versammelt hatten, löste die Polizei die Demo frühzeitig auf. Müller unterstellte den Demo-Teilnehmern später im rbb, auf „Randale“ aus gewesen zu sein (Video auf YouTube). Zur Auflösung des Protestgeschehens war es allerdings gekommen, weil sich kaum ein Teilnehmer an das Abstandsgebot und die Maskenpflicht gehalten hatte.
Der Statista-Sterbefallzähler hatte seit dem 25. Juli konstant 223 Todesfälle „mit oder an Corona“ Verstorbener für Berlin ausgewiesen. In den sechs Tagen bis zum 31. Juli waren lediglich 283 positive PCR-Tests registriert worden – seit Jahresbeginn nun insgesamt knapp 9.300.
Betrachtet man nur die im Zusammenhang mit Corona gemeldeten Todesfälle, so wurden seit Müllers Ansprache vom 26. März bis zur Demo vom 1. August 2020 im Durchschnitt nicht einmal zwei „Corona-Tote“ pro Tag in Berlin gezählt. Von denen mangels Obduktionen bis heute niemand weiß, ob die Betroffenen nur mit oder tatsächlich an Corona verstorben waren.
Müller für Verbot der zweiten Querdenker-Großdemo
Kurz vor dem 29. August 2020 hatte die Berliner Polizei in Absprache mit Innensenator Andreas Geisel (SPD) die nächste große Querdenker-Demo am Großen Stern verboten. Der Regierende Bürgermeister Müller hatte das zuvor ausgesprochene Verbot nach Angaben der „Zeit“ ausdrücklich begrüßt. Am Ende konnten die Anmelder ihr Grundrecht doch noch kurzfristig vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht durchsetzen.
Innerhalb der vier Wochen seit der ersten Anti-Maßnahmen-Großdemo waren laut Statista genau drei Todesfälle in Berlin „im Zusammenhang mit“ Corona hinzugekommen. Außerdem weitere 1.851 positive Tests. Wie bereits erwähnt: in einer Weltstadt mit 3,8 Millionen Einwohnern.
Nach Informationen des Onlineportals „Watson“ übernahm Müller ab Oktober 2020 den Vorsitz jener Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), die die Maßnahmenpolitik auf Bundes- und Landesebene koordinierte. Kurz vor Weihnachten 2021 erklärte Müller im „Watson“-Interview, dass ihm „nicht viel“ einfalle, was er in dieser Funktion hätte anders machen können: „Ich finde, dass wir das gemeinsam gut bewältigt haben“. Seiner Meinung nach müssten bestimmte „Meinungen“ oder auch „Netzwerke“ wie der Messenger „Telegram“ eingeschränkt werden. Der „übergreifende Rechtsextremismus“ sei auch für ihn „die größte innenpolitische Gefahr“. Kinderimpfungen sehe er positiv.
November 2020: Müller gegen IfSG-Demo
Als am 18. November 2020 abermals Tausende Menschen gegen die Ausweitung der Regierungsbefugnisse per IfSG-Novelle am Brandenburger Tor protestierten, hatte sich Müller im RBB-Abendprogramm erneut auf die Seite der Staatsgewalt gestellt: „Es sollte ungemütlich auf dem Platz werden und das ist es auch geworden.“
Müller meinte damit nicht die teilweise aggressiv agierenden Demonstranten, sondern die Polizei, die mit Wasserwerfern gegen die Menge vorgegangen war. Seit der Demo vom 29. August waren laut Statista in ganz Berlin inzwischen 168 neue Todesfälle „im Zusammenhang mit Corona“ registriert worden – fast genau zwei pro Tag.
Als zum Jahresende, nämlich am 27. Dezember 2020, die erste freiwillige Person in Deutschland gegen COVID-19 geimpft wurde, blickte das Land Berlin auf 1.149 Tote mit positivem PCR-Test zurück. Insgesamt hatten laut Statista rund 37.600 Menschen im Jahresverlauf das Zeitliche gesegnet. Etwa drei Prozent aller Verstorbenen waren also auf Grundlage eines PCR-Tests zu „Mit oder an“-Corona-Toten erklärt worden.
Noch einmal ein Blick auf Abstands- und Maskengebote: Am 9. Februar 2023 hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der ZDF-Talkrunde „Markus Lanz“ „diese Regelungen draußen“ als „Schwachsinn“ bezeichnet, noch bevor Moderator Lanz ihm relativierend mit den Worten „Joggen mit Maske“ ins Wort fallen konnte (Video ab ca. 33:00 min. auf „ZDF.de“).
Ein Verfechter der 2G-Regel – auch privat
Noch Mitte November 2021, auf dem Höhepunkt der deutschen Debatte um die Einführung einer allgemeinen COVID-19-Impfpflicht und kurz vor seinem Wechsel in den Bundestag, bezichtigte Michael Müller die Maßnahmenskeptiker noch immer des „Egoismus“ und der „Gleichgültigkeit“. „T-online“ zitiert ihn mit den Worten:
Wer weder bereit ist, die Aha-Regeln zu beachten oder sich impfen zu lassen […] stellt sich außerhalb der Solidarität und einer Gesellschaft, die seit fast zwei Jahren gemeinsam diese Pandemie erträgt und versucht, sich ihr entgegenzustellen.“
Obwohl Müller sich in der Frage einer gesetzlichen Impfpflicht nicht ausdrücklich auf die Seite ihrer Verfechter stellte, erklärte er am 13. Dezember 2021 in der ARD-Talkrunde „hart aber fair“, dass er ungeimpfte Menschen in seiner Privatwohnung nicht mehr toleriere: Wer nicht geimpft sei, werde zu einem „Kaffeetrinken“ jedenfalls „nicht kommen können“. „Bei uns ist es ganz klar, bei uns gilt die 2G-Regel“, so Müller laut „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND).
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