Mögliche Grünen-Parteispitze genannt – „starke Abneigung“ bei fast 70 Prozent der Wähler
Drei Tage nach der Wahlschlappe in Brandenburg haben die beiden Bundessprecher der Grünen, Ricarda Lang und Omid Nouripour, mit ihrem Rücktritt die Konsequenzen gezogen. In Thüringen und Brandenburg war die Partei aus dem Landtag geflogen, in Sachsen schaffte sie nur hauchdünn den Wiedereinzug. Am Montag, 23. September, publizierte INSA die erste Umfrage seit sieben Jahren, in der die Grünen bundesweit nur noch im einstelligen Bereich ausgewiesen wurden.
Grüne werden als bevormundend und elitär wahrgenommen
Aus der Hype-Partei, die im August 2022 noch bei 26 Prozent gehandelt wurde, ist ein Buhmann geworden. Nouripour hatte noch nach dem Wahlsonntag bezweifelt, dass die Grünen ein grundsätzliches Problem hätten. Die Wahlschlappen wurden mit taktischem Wählen gegen die AfD begründet. Der Parteisprecher sah keinen Anlass, substanzielle Änderungen an der Politik vorzunehmen und gab sich vor der Presse trotzig:
„Wenn es Blockieren ist, was uns ja permanent nachgesagt wird, dass wir einfach Dinge nicht mitmachen wollen, die den Binnenmarkt zerstören, die Europäische Union zersägen und unseren Wohlstand gefährden, dann sei es so.“
Der BR weist hingegen auf Analysen nach der Brandenburg-Wahl hin, wonach fast 70 Prozent der Wähler eine „starke Abneigung“ gegen die Grünen verspürten. Die Partei ignoriere die Arbeiterschaft, bevormunde die Menschen und übertreibe beim Klimaschutz. 66 Prozent der Befragten sehen in den Grünen eine Partei, die den Menschen vorschreiben wolle, wie sie zu leben hätten. Bei jungen Wählern verlor die Zeitgeist-Partei von 2019 ganze 20 Prozentpunkte – stärkste Kraft war stattdessen die AfD.
Habeck fordert „maximale Autorität“
Mittlerweile fallen die ersten Namen möglicher Kandidaten für Sprecherposten. Bereits zeitnah nach der Rücktrittserklärung von Lang und Nouripour klang gegenüber Medien durch, dass die Partei ihren Bundestagswahlkampf zielgerichtet auf die Person des designierten Kanzlerkandidaten Robert Habeck ausrichten werde. Dieser forderte dazu weitreichende Vollmachten und „maximale Autorität“ für seine designierte Wahlkampfchefin Franziska Brantner. Das bisherige Sprecherduo sei dazu nicht vorbehaltlos bereit gewesen, schreibt „table.media“.
Brantner als rechte Hand von Habeck – und außenpolitische Konfrontationspolitikerin
Nun soll Brantner selbst Verantwortung übernehmen – als Bundessprecherin. Die aus Lörrach stammende Politikwissenschaftlerin war von 2009 an Abgeordnete im Europäischen Parlament, dort war sie außenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Im Jahr 2013 wechselte sie in den Bundestag. Seit 2021 ist sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Auf UNO-Ebene war sie unter anderem Beraterin für den Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen (UNIFEM). In Brüssel arbeitete sie unter anderem dem European Council on Foreign Relations und der Bertelsmann Stiftung zu. Schwerpunktthemen waren dabei unter anderem europäische Außenpolitik und mögliche Antworten auf die Finanz- und Wirtschaftskrise.
Im Europäischen Parlament war sie eine von vier Vizevorsitzenden der European Parliament Platform for Secularism in Politics (EPPSP), die sich gegen einen behaupteten zu großen Einfluss religiöser Akteure auf die Politik wandte. Nach der Rückeroberung eines Teils der Region Idlib 2018 durch Regierungstruppen im syrischen Bürgerkrieg, bei dem angeblich Chemiewaffen eingesetzt worden sein sollen, wollte sie „alle Optionen überprüft“ wissen. Damals forderten Union und FDP eine deutsche Beteiligung an einem möglichen „Vergeltungsschlag“.
Audretsch könnte als „soziales Gewissen“ der Grünen auftreten
Als außenpolitisch ähnlich konfrontativ gilt der Duisburger Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak, der ebenfalls als möglicher Sprecher gehandelt wird. Er war mehrere Jahre lang Leiter des NRW-Büros der Europaabgeordneten Terry Reintke und Sven Giegold in Düsseldorf. Von 2014 bis 2016 gehörte er auch dem Vorstand des Instituts Solidarische Moderne an.
Im Bundestag griff er die Linkspartei für Kritik aus ihren Reihen an den Russland-Sanktionen an. Zum damaligen Zeitpunkt hatten sich die späteren BSW-Gründer noch nicht abgespalten. Im Juni 2016 wurde Banaszak in Istanbul am Rande eines „Pride“-Marsches festgenommen.
Ein weiterer Name, der genannt wird, ist jener des stellvertretenden Fraktionschefs im Bundestag, Andreas Audretsch. Der in Berlin-Neukölln wohnhafte frühere Hörfunkjournalist legt seinen politischen Schwerpunkt auf den Bereich Arbeit und Soziales. Innerhalb der Ampel hatte er sich mehrfach deutlich gegen Vorstöße der Koalitionspartner zur Verschärfung der Bezugsregeln für Bürgergeld ausgesprochen.
Ausgetretene Jungfunktionäre wollen neue linke Partei gründen
Definitiv nicht für den Parteisprecherposten zur Verfügung stehen werden Jungpolitikerinnen wie Svenja Appuhn oder Sarah Lee Heinrich. Sie haben am Mittwoch zusammen mit weiteren aktuellen und früheren Vorstandsmitgliedern der Grünen Jugend ihren Austritt aus der Partei verkündet.
In Erklärungen dazu war die Rede von einem „Entfremdungsprozess“. Man sehe sich immer mehr außerstande, bestimmte Kompromisse mitzutragen, die vonseiten der Partei innerhalb der Ampel akzeptiert würden. Genannt wurde unter anderem die Asylpolitik. Außerdem wolle man diejenigen ansprechen, die „in Armut und Abstiegsangst leben, schon lange nicht mehr wählen gehen oder sich den Rechten zugewandt haben“.
Zu diesem Zweck wolle man nun eine neue linke Formation gründen. In Österreich hatte die politisch lange Zeit bedeutungslose KPÖ von einer Abspaltung der Grünen Jugend von ihrer Mutterpartei profitiert. Mehrere frühere Führungskader nahmen einflussreiche Positionen bei den Kommunisten wahr. Bei den Landtags- und Kommunalwahlen in Salzburg gelangen ihnen zuletzt Überraschungserfolge. Möglicherweise rechnen sich die ausgetretenen Jung-Grünen aus, perspektivisch von der Krise der Linkspartei profitieren zu können.
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