Mittelstandsgipfel: Mahnungen, Forderungen und viel Optimismus – aber keine konkreten Ergebnisse
Der von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr einberufene Mittelstandsgipfel ist am Dienstag, 29. Oktober 2024, ohne konkrete Beschlüsse ausgeklungen.
„Wir haben heute nicht an einem gemeinsamen Papier beraten, sondern wir haben Vorschläge aufgenommen und bewertet und haben auch unsere eigenen Perspektiven vorgestellt und Feedback erhalten“, erklärte Lindner nach dem 90-minütigen Treffen mit Interessenvertretern des deutschen Mittelstands, das im Klubraum des Reichstagsgebäudes stattgefunden hatte.
Lindner hofft auf schnellen Kompromiss
Die Standpunkte und Erkenntnisse würden nun in einen gemeinsamen Beratungsprozess mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einfließen, versprach Lindner. Innerhalb der Koalition werde man in den nächsten Wochen ohnehin „zu einer gemeinsamen Position finden müssen“, betonte der Bundesfinanzminister. Das sei schon allein der Zeitplanung für den Bundeshaushalt 2025 geschuldet.
Zuvor hatten drei der insgesamt fünf geladenen Vertreter vor der Presse ihre Forderungen an die Ampelregierung klargemacht.
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— Epoch Times Deutsch (@EpochTimesDE) October 29, 2024
Arbeitgeberverbandspräsident sieht Regierung als Wachstumstreiber in der Pflicht
„Wir brauchen eine Strategie, die sich an allen Bereichen der Wirtschaft orientiert und nicht nur an einzelnen Sektoren“, verlangte Rainer Dulger, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Er erwarte von der Ampel, dass sie mit ihren Möglichkeiten klarkomme:
Die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland muss wieder in den Mittelpunkt des politischen Handelns dieser Koalition rücken. Und die Form der Zusammenarbeit der Koalition muss ein Wachstumstreiber werden, muss ein Wachstumstreiber sein, und darf sich nicht zum Investitionshemmnis entwickeln.“
„In einem ersten Schritt müssen die wachstumsförderlichen Teile der Wachstumsinitiative der Bundesregierung umgesetzt werden“, mahnte Dulger weiter. Um schnell zu Ergebnissen zu kommen, seien auch der Bundestag und die Länder gefragt.
Notwendig seien auch Lösungen für die Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme. Um dazu „weitreichende Reformen“ einleiten zu können, würden „große Mehrheiten“ gebraucht. Deshalb solle die Koalition auch auf die Opposition zugehen. Ohne Reformen laufe das Land auf „Mehrbelastungen für Bürger und für Betriebe“ zu.
Dulger zeigte sich optimistisch: „Deutschland kann das.“ Er erwarte allerdings, „jetzt nach dem politischen Schaulauf ins Handeln“ zu kommen. Es müsse „geliefert werden, denn Regierungsverantwortung heißt aus unserer Sicht auch Regierungsverpflichtung“.
Vertreter der Freien Berufe fordert Entbürokratisierung und politische Zuverlässigkeit
Dr. Stephan Hofmeister, der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, bezeichnete die Situation als „sehr ernst“. Das Land stehe vor „enormen Herausforderungen“. Seine Verbandsmitglieder seien bereit, die Leistung dafür zu erbringen. Das gehe aber nicht, ohne dass sich die regierenden Parteien schnell für Lösungen zusammenfänden:
Was wir brauchen, ist, von der Kette gelassen zu werden. Wir brauchen eine Entbürokratisierung, wir brauchen Zuverlässigkeit in der politischen Orientierung, in der Gesetzgebung. Und das hat alles nicht Zeit bis nächstes Jahr, bis zu irgendeiner neuen Wahl. Das muss jetzt beginnen.“
Vertreter der Familienunternehmen möchte „Rucksack“ von hohen Lasten befreien
Reinhold von Eben-Worlée, der die Familienunternehmen vertrat, nutzte eine Metapher, um seiner Forderung nach Deregulierung und nach einer Verschiebung des Rentenpaketes Nachdruck zu verleihen: Die Unternehmer in Deutschland müssten bei ihrem „Marathonlauf gegen die vielen internationalen Konkurrenten“ einen „Rucksack“ tragen, der mit extrem hohen Steuern und Sozialabgaben sowie bürokratiebedingt mit „strukturellen Hindernissen“ gefüllt sei.
„Dieser Rucksack ist zu schwer für uns, für die deutsche Wirtschaft“, so von Eben-Worlée. Sein Verband sei aber „sehr optimistisch“, da er bei dem Gipfeltreffen „in vielerlei Hinsicht offene Ohren vernommen“ habe.
Aus terminlichen Gründen hatten die beiden übrigen geladenen Mittelstandsvertreter nicht mehr an der Pressekonferenz teilgenommen, nämlich Jörg Dittrich, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), und Martin Wansleben, der Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Dürr will Deutschlands Wirtschaft wieder in der „Champions League“ sehen
Mitgastgeber Christian Dürr hatte zu bedenken gegeben, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in den 2010er-Jahren immer weiter gesunken sei. Seit 2017 sei besonders der „industrielle Kern“ betroffen. Das sei zuletzt aber durch eine „gute Binnennachfrage überdeckt“ worden. „Wir brauchen jetzt Richtungsentscheidungen auch wirtschaftspolitischer Natur, um den Anschluss an die großen Industrienationen nicht zu verlieren“, forderte Dürr. Und weiter:
Deutschland sollte wieder in der Champions League spielen, das sollte unser Anspruch sein.“
Bei den Themen Arbeitsmarkt, Energiepolitik und bürokratische Rahmenbedingungen habe die Runde immer wieder „sorgenvoll“ auf „die europäische Hauptstadt“ geblickt, setzte Dürr eine Spitze in Richtung Brüssel.
Es sei aber nicht der Staat, der mit Subventionen „an die Stelle treten“ könne, sondern „unser Herzensanliegen ist, dass die Unternehmen selbst von sich aus wieder investieren, weil Deutschland ein guter Standort ist“.
Das Video von der Pressekonferenz ist auf YouTube zu sehen.
Am Nachmittag empfängt der Kanzler die Großindustrie
Linder hatte den Gipfel erst vor wenigen Tagen zusammen mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr einberufen. Er reagierte damit auf die Tatsache, dass er von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht zu dessen Nachmittagsveranstaltung am selben Tag eingeladen worden war.
Auch die Kräfte aus der Mittelstandswirtschaft hatte der Kanzler zu deren Unmut außen vor gelassen. Sie fanden nun in Lindner und Dürr ihre Ansprechpartner.
Scholz will „neue industriepolitische Agenda“ aufsetzen
Scholz hatte für 16:00 Uhr Vertreter von Industrieverbänden, Gewerkschaften und großen Unternehmen ins Kanzleramt eingeladen, um mit ihnen über seine Pläne für eine „neue industriepolitische Agenda“ zu sprechen, die zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Sicherung von Arbeitsplätzen führen soll.
Auf Scholz’ Gästeliste finden sich nach Angaben der „Deutschen Presse-Agentur“ lediglich Spitzenvertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), der IG Metall und die IG Bergbau, Chemie, Energie sowie der Autohersteller VW, BMW und Mercedes.
Sein Gipfeltreffen hatte der Kanzler bereits am 16. Oktober während seiner Regierungserklärung angekündigt. Weder Lindner noch Bundeswirtschaftsminister Habeck sollten nach dem Willen des Regierungschefs dabei sein. Außerdem wollte Scholz, dass dieses erste einer Reihe von geplanten Gesprächen mit den Industrievertretern hinter verschlossenen Türen und ohne anschließende Pressekonferenz über die Bühne gehen sollte: „Wir müssen wegkommen von den Theaterbühnen“, gab Scholz als Begründung an.
Weitere Herausforderungen der kommenden Wochen
Die Suche nach möglichst kostengünstigen Lösungen für den Kampf gegen die deutsche Wirtschaftsmisere fällt mitten in die finale Phase der Haushaltsberatungen für das Jahr 2025. Ob es die Parlamentarier während ihrer traditionellen Bereinigungssitzung am 14. November schaffen werden, sich auch dieses Mal auf einen tragfähigen Kompromiss zu einigen, steht in den Sternen.
Womöglich aber stellt auch die finale Abstimmung über Lindners Haushaltszahlenwerk im Bundestag am 29. November die Koalition vor eine Zerreißprobe.
Sollte das Bundesverfassungsgericht zudem demnächst entscheiden, dass der Solidaritätszuschlag rückwirkend für verfassungswidrig erklärt wird, droht der Ampelregierung neues Unheil – und womöglich doch noch das vorzeitige Aus.
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