Mit Habeck als Kanzlerkandidat und noch mehr Klimapolitik zum Erfolg?

Wird Robert Habeck am Sonntag zum Kanzlerkandidaten der Grünen gewählt? Wer wird Ricarda Lang und Omid Nouripour im Bundesvorstand ersetzen? Werden die Grünen mit Klima, Sicherheit und Sozialem bei der Bundestagswahl punkten können? Ein Ausblick auf die Bundesdelegiertenkonferenz.
Habeck will am Mittwoch Vorschläge zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft vorlegen.
Robert Habeck.Foto: Andreas Arnold/dpa
Von 16. November 2024

Ab Freitagnachmittag, 16:30 Uhr, wollen die Grünen auf ihrem 50. Bundesparteitag im RheinMain CongressCenter (RMCC) in Wiesbaden personell und inhaltlich eine neue Linie festlegen. Die 1980 gegründete „Ökopartei“ will wieder zurück in die Erfolgsspur finden.

Wenn die „Bundesdelegiertenkonferenz“ am Sonntag ausklingt, soll auch ein weitgehend neuer Bundesvorstand in Amt und Würden gewählt sein. Die besten Karten für die Nachfolge der freiwillig ausscheidenden Parteivorstände Ricarda Lang und Omid Nouripour haben wohl Franziska Brantner und Felix Banaszak. Beide hatten ihre Ambitionen bereits zwei Tage nach der Rücktrittsankündigung der beiden Bundessprecher vom 25. September 2024 öffentlich gemacht.

Die bisherige Vizevorsitzende Pegah Edalatian soll Politische Geschäftsführerin werden, eine Art Generalsekretärin. Der amtierende Vize Dr. Heiko Knopf will in Funktion bleiben.

Das neue Personaltableau könnte nach dem grünen Quoten- und Flügelproporz wie folgt aussehen:

  • Bundessprecherin: Franziska Brantner (für Ricarda Lang)
  • Bundessprecher: Felix Banaszak (für Omid Nouripour)
  • Vizevorsitzender: Sven Giegold (für Pegah Edalatian)
  • Vizevorsitzender: Dr. Heiko Knopf (für Dr. Heiko Knopf)
  • Politische Geschäftsführerin: Pegah Edalatian (für Emily Büning)
  • Bundesschatzmeisterin: Dr. Manuela Rottmann (für Frederic Carpenter)

Auf die Bewerberliste für die sechs Vorstandsämter hatten sich auch Claudia Laux, Klemens Griesehop, Ralf Löffler, Karl-Wilhelm Koch, Tabitha Elkins, Dr. Philipp Schmagold, Mathias Ilka, Susanne Bauer und Dan Timmerberg eintragen lassen.

Audretsch als Wahlkampfmanager

Der Vizefraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, soll Wahlkampfmanager ohne eigenen Sitz im Vorstand werden. Unterstützung soll der frühere Hörfunkjournalist dabei vom Noch-Schatzmeister Frederic Carpenter erhalten.

Der designierte Wahlkämpfer erwartet bis zur Bundestagswahl „immer wieder Angriffe“ aus Moskau oder auch aus München, „die unter der Gürtellinie sein werden“, wie Audretsch im Gespräch mit dem TV-Sender „Phoenix“ betonte.

Drei Männer und eine Frau sollen Habeck im Kanzler-Wahlkampf unterstützen

Die vielleicht größte Herausforderung für eine neue Parteiführung wird es sein, den „Realo“ Robert Habeck als Kanzlerkandidaten zum Erfolg zu führen, sofern die Delegierten ihn wählen. 2021 war Annalena Baerbock in dieser Rolle aufgetreten. Dieses Mal ließ sie dem promovierten Philosophen Habeck den Vortritt.

Nach Informationen des „Münchner Merkur“ soll die Entscheidung am Sonntag fallen. Habeck hatte am vergangenen Freitag seinen Wunsch öffentlich gemacht, nicht nur als Spitzen-, sondern als Kanzlerkandidat auftreten zu wollen.

Mit Blick auf die Bundestagsneuwahl am 23. Februar 2025 will Habeck dem „Merkur“ zufolge ein eigenes „5er-Gremium Wahlkampf“ einrichten. Nach einem Organigramm der Parteizentrale sollen dieser Gruppe angeblich Brantner, Banaszak, Audretsch, Carpenter und Habeck selbst angehören.

Das künftige Wahlkampfteam würde demnach nicht nur auf die Unterstützung von Lang und Nouripour verzichten, sondern auch auf die Dienste der beiden Bundestagsfraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann. Außerdem außen vor: Annalena Baerbock. Sie alle hatten sich laut „Merkur“ bislang gemeinsam mit Habeck in einer „6er-Runde“ um den Wahlkampf gekümmert.

Baerbock und Habeck hatten zwischen Januar 2018 und Januar 2022 selbst die Partei als Bundessprecher angeführt. Als beide ins Kabinett von Olaf Scholz wechselten, überließen sie die Aufgabe Lang und Nouripour.

Klima, Soziales und Sicherheit im Fokus

Inhaltlich will sich die Partei im Wahlkampf mit einem noch deutlicheren Akzent auf der Klimapolitik präsentieren. Brantner und Banaszak sehen das vor dem Hintergrund der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten als besonders dringlich an.

Nachdem mit Trumps Ausfall als Partner im Kampf gegen den „Klimawandel“ zu rechnen sei, werde es „auf Deutschland ankommen“, sagte Brantner in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ, Bezahlschranke). „Und wir Grüne sind die einzigen mit einem seriösen Angebot.“

Sie wolle dafür aber „die soziale Ausgestaltung immer an den Anfang setzen“, räumte Brandner in der SZ ein. „Wir haben den Strom sauberer gemacht – jetzt machen wir ihn dauerhaft billig“, versprach der ehemalige EU-Abgeordnete.

„Eine Welt im Wandel ist nicht frei von Zumutungen, auch wenn Olaf Scholz gerne so tut“, gab allerdings ihr designierter Co-Vorsitzender Banaszak zu bedenken.

Brantner: „Frieden, Freiheit und Sicherheit nicht aus der Portokasse“ zu finanzieren

Nach den Vorstellungen Brantners dürfte es zudem nicht länger angehen, dass „immer mehr Menschen Angst vorm Dispokredit haben – und zwar nicht am 29., sondern schon am 23. des Monats“, während manche Vermögen in den vergangenen Jahren überproportional gewachsen seien: „Das muss sich ändern“, so Brantner in der SZ.

Ändern müsste sich aus ihrer Sicht auch die Ausgabebereitschaft einer neuen Regierung. „Wir waren zu lange zwischen sozialdemokratischer Moskau-Connection und neoliberaler Kaputtspar-Ideologie gefangen“, so Brantner. „Frieden, Freiheit und Sicherheit“ gebe es aber „nicht aus der Portokasse. Vor allem dann nicht, wenn die Substanz des Landes gleichzeitig bröckelt“.

Koalition mit Union denkbar, wenn auch schwierig

Als künftigen Koalitionspartner im Bund kann sich das wahrscheinliche neue Führungsduo der Grünen auch die Union vorstellen. Die schwarz-grünen Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg belegten, „dass man gemeinsam viel erreichen“ könne, „wenn man sich wirklich dazu verpflichtet, diesem Land zu dienen“, meinte Brantner. Das Beispiel Baden-Württemberg zeige aber auch, wie schwierig es sein könne, als Grüne zusammen mit der CDU zu regieren.

Angesprochen auf Habeck, erklärte Banaszak, er halte es „für absolut richtig, den Wählern eine Option anzubieten, die weder Friedrich Merz noch Olaf Scholz heißt“. Bei diesen Kanzlerkandidaten handele es sich um „zwei Männer, die nicht in diese Zeit passen“. Für den CSU-Chef Markus Söder fand wiederum Brantner kritische Worte. Dieser liefere „populistische Sprüche“.

Söder hatte in den vergangenen Monaten immer wieder seiner Abneigung gegen die Grünen Ausdruck verliehen. Anlässlich der Rückzugsankündigung des bisherigen Parteivorstands durch die Grünen-Doppelspitze und dem Austritt des Vorstands der Grünen Jugend aus der Partei hatte Söder auch Habeck den Rücktritt nahegelegt: Der Wirtschaftsminister sei persönlich für den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands verantwortlich.

Zuletzt hatte Söder seine Haltung allerdings leicht relativiert. In der ARD-Talkshow „Maischberger“ vom 7. November erklärte Söder, dass eine schwarz-grüne Koalition möglich sei – aber höchstens dann, „wenn zum Beispiel Robert Habeck seinen sofortigen Rücktritt erklären würde, gar nicht mehr mitmachen würde“ (Kurzvideo auf YouTube).

Die vier Neuen in Kürze

Die gebürtige Lörracherin Franziska Brantner (45) gilt parteiintern wie Habeck als Teil des „Realo“-Flügels. Die Außenpolitikexpertin arbeitet derzeit als Staatssekretärin und enge Vertraute Habecks im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Sollte sie die Nachfolge von Ricarda Lang als Bundessprecherin der Grünen antreten, wird sie ihren Posten im BMWK aufgeben müssen.

Felix Banaszak (35), der Sprecher der NRW-Landesgruppe der Grünen im Bundestag, zählt eher zum linken Flügel der Partei. Der Duisburger hatte sich seine Sporen unter anderem als ehemaliger Vorsitzender des Landesverbands Nordrhein-Westfalen verdient. Als Leiter des Düsseldorfer NRW-Büros der Europaabgeordneten Terry Reintke und Sven Giegold sammelte auch er außenpolitische Erfahrungen. Er möchte Omid Nouripour als Co-Bundessprecher beerben.

Sven Giegold, der noch bis Freitag als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium arbeitet, war mehreren Medienberichten zufolge ursprünglich am Posten des politischen Geschäftsführers im Vorstand interessiert. Nach parteiinternen Bedenken zu seiner Eignung soll er nun lediglich als neuer Vizevorsitzender und „europapolitischer Sprecher“ kandidieren. Am Sonntag feiert er zum Abschluss des Parteitags seinen 55. Geburtstag. Er blickt auf eine lange Karriere als linker Umweltaktivist zurück, war unter anderem Mitbegründer der NGO Attac.

Die Juristin Dr. Manuela Rottmann (52) trat nach eigenen Angaben schon 1991 als Schülerin den Grünen bei. Im Dezember 2021 trat die Würzburgerin den Posten einer Parlamentarischen Staatssekretärin ins Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir an. Nach Informationen des Onlineportals „Politik-Kommunikation.de“ legte sie ihr Amt aber schon nach einem Jahr nieder, um – erfolglos – für die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main zu kandidieren. Im Bundestag sitzt sie unter anderem im Rechtsausschuss. Nun will sie parteiintern die Nachfolgerin von Bundesschatzmeister Frederic Carpenter werden.

Neues Personal soll‛s nach Niedergang richten

Die beiden bisherigen Parteivorsitzenden Lang und Nouripour hatten am Vormittag des 25. September 2024 unter dem Eindruck vier verlorener Wahlen und schlechter Umfragewerte bekannt gegeben, den Weg für einen Neustart vorzeitig freimachen zu wollen.

„Es braucht neue Gesichter, um diese Partei aus der Krise zu führen“, erklärte Lang damals. Seitdem ist der gesamte Parteivorstand nur noch geschäftsführend im Amt. Ursprünglich hätten Lang und Nouripour noch ein volles Jahr im Amt bleiben sollen.

Noch am Tag der Rückzugsankündigung des Parteivorstands hatte auch der zehnköpfige Vorstand der Grünen Jugend hingeworfen. Der Nachwuchs kündigte an, der Partei den Rücken zu kehren und lieber „einen neuen, dezidiert linken Jugendverband zu gründen“.



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