Merz hoffnungsvoll: Kanzler „wird nach meiner Einschätzung das Angebot nicht ausschlagen“
Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich zunächst auch Stunden nach seinem Treffen mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) über eine mögliche Zusammenarbeit in der Migrationspolitik in Schweigen hüllte, hat Merz bereits am Nachmittag das Ergebnis des Treffens referiert.
Scholz habe in einem „atmosphärisch sehr guten Gespräch“ zwar spontan keine Zustimmung für die Ideen der Union gegeben, sich allerdings Zeit zum Nachdenken erbeten, berichtete der CDU-Parteichef auf einer kurzfristig anberaumten Bundespressekonferenz (BPK). Er selbst sei als Vertreter von CDU, CSU und der gemeinsamen Bundestagsfraktion aufgetreten: Sie alle stünden hinter seinem Lösungsansatz. Merz zeigte sich optimistisch:
Es ist jetzt wirklich genug, es reicht, wir müssen jetzt endlich zu Entscheidungen kommen“.
Scholz reagiert am frühen Abend
In einer ersten öffentlichen Reaktion begrüßte Scholz bei einer Wahlkampfveranstaltung in Thüringen zwar das Gesprächsangebot des CDU-Chefs, machte aber auch deutlich, dass er von wechselnden Mehrheiten für einen Migrationspakt nichts hält. „Die Regierung und die Opposition sind immer gut gehalten zusammenzuarbeiten“, sagte er, fügte dann aber noch hinzu: „Nicht quer durcheinander, sondern miteinander.“
Trotzdem sei es richtig, „wenn auch der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag Zusammenarbeit anbietet“ bei der Reduzierung der irregulären Migration. Scholz verwies aber auf die rechtlichen Grenzen, die es gebe: „Es gelten unsere internationalen Verträge. Es gelten die Regeln der Europäischen Union. Es gilt das, was unser Grundgesetz uns vorschreibt. Und dann sind viele praktische Vorschläge willkommen.“
Merz und Scholz hatten das Kanzleramt am Morgen des 27. August 2024 bereits nach einer guten Stunde getrennt verlassen. Keiner der beiden hatte nach ihrer Unterredung sogleich eine Stellungnahme für die Presse abgegeben.
„Wenn etwas rechtlich nicht möglich ist, dann müssen wir die Gesetze ändern“
Bei der rund einstündigen Unterhaltung habe Merz darum gebeten, dass beide Seiten – Regierung und Union – schnellstmöglich je einen Beauftragten ernennen sollten, der die Gespräche führen solle. Der Kanzler sei allerdings nicht mit dem Namen eines möglichen Kandidaten aus seinen Reihen darauf eingegangen.
Er selbst würde den ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, mit dieser Aufgabe betrauen, sagte Merz. Frei habe „alle Themen im Überblick“ und kenne sich als Ex-Bürgermeister auch in den Kommunen aus.
Nach Merz‘ Vorstellung hätten die beiden Unterhändler von Union und Ampelregierung vorwiegend Gespräche zu führen. Insbesondere sei auszuloten, was man im Bereich des bestehenden Rechts ändern könnte, um die illegale Zuwanderung endlich in den Griff zu bekommen.
„Wenn etwas rechtlich nicht möglich ist, dann müssen wir die Gesetze ändern“, betonte Merz immer wieder. Es genüge der Blick auf Schweden und Dänemark, um erkennen zu können, dass so etwas möglich sei. „Ich lasse das nicht mehr gelten, dass das angeblich objektiv nicht geht“, betonte der Unionschef unter Anspielung auf Kritiker, die etwa Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan für verfassungswidrig halten.
Fragen schnell im Parlament klären
Um einen begrenzten Katalog von Gesetzen zu erarbeiten, die schnell geändert werden könnten, solle das Thema auch schon in der ersten Haushaltswoche im Bundestag nach der Sommerpause zur Sprache kommen. Merz sagte, er habe vorgeschlagen, dafür wenigstens einen halben Tag im Parlament einzuplanen.
Wie in seinem „MerzMail“-Newsletter vom vergangenen Sonntag habe er auch im direkten Gespräch an die Richtlinienkompetenz des Kanzlers appelliert, erklärte Merz: Ähnlich wie bei der Impfpflicht-Entscheidung am 7. April 2022 könne man ja auch dieses Mal das Parlament ohne Fraktionszwang über einen neuen Kurs in der Migrationspolitik abstimmen lassen. Die Stimmen der Fraktionen von SPD und Union würden ausreichen, um absolute Mehrheiten für eine Wende zu erreichen.
Es gehe ihm dabei ausdrücklich nicht um eine versteckte „Bitte um Aufnahme in eine Koalition“ oder gar um ein „Entern“ der Regierung, auch nicht um ein Wahlkampfmanöver vor Sachsen, Thüringen und Brandenburg:
Wir stehen gemeinsam, um eine Lösung zu finden. Danach gehen wir wieder getrennt in den Wahlkampf.“
Sorge um Vertrauensverlust – Merz mit Fehlereingeständnis
Wichtig seien ihm allein Lösungen für das konkrete Problem der illegalen Zuwanderung, betonte Merz immer wieder. Deshalb habe er seine Vorschläge „aus der tiefsten Sorge um unser Land heraus formuliert“, so Merz. Denn die Union habe mittlerweile das Gefühl, „dass den demokratischen die Basis des Vertrauens verloren“ gehe. Sorgen mache er sich auch um das politische Gesamtgefüge:
Dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land“.
Merz gestand mehrmals eigene Fehler der Union in der Migrationspolitik ein: „Wir sind an der Lage nicht unschuldig.“ Gerade wegen dieser Mitverantwortung sehe er sich nun „in der Verpflichtung“, einen Beitrag zu leisten, „damit das Problem wieder kleiner“ werde.
Die aktuellen Schwierigkeiten seien nicht erst mit dem Regierungswechsel 2021 entstanden, seitdem aber größer geworden. In der letzten Regierung Merkel habe es zwar einige Korrekturen bei der Migrationspolitik gegeben, doch diese seien von Ampel schnell wieder rückgängig gemacht worden. Als Beispiel nannte Merz unter anderem das Aufenthaltsgesetz und die einst verbotene „Werbung für Islamismus“, die die aktuelle Regierung wieder legalisiert habe. Es gehe ihm bei all dem aber nicht um Regierungsschelte:
Wir wollen das gemeinsam mit der Koalition oder den Teilen der Koalition, die guten Willens sind, lösen.“
Dublin anwenden unabdingbar: „Geht nicht ist kein Argument“
Im Aufenthaltsrecht müsse dazu wieder die Begrenzung der Zuwanderung im Mittelpunkt stehen, nicht nur deren Steuerung, bekräftigte der CDU-Parteichef. Dazu bedürfe es auch der Anwendung der geltenden Dublin-Verordnung, nach der ein Asylantrag in jenem Land zu stellen sei, welches ein Bewerber als Erstes betrete. „Davon müssen wir Gebrauch machen, wir kriegen das Problem sonst nicht unter Kontrolle.“
Falls dies nicht auf europäischer Ebene geklärt werden könne, müsse man sich eben auf Artikel 74 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (PDF) berufen und eine nationale Notlage erklären. Damit würde das nationale Recht wieder automatisch über das EU-Recht gestellt, erklärte Merz. Und weiter:
Was alles nicht geht, haben wir in den letzten Jahren genug gehört. Das will die Bevölkerung nicht mehr, auch die Floskeln nicht mehr.“
Zudem müsse speziell die Bundespolizei wieder größere Befugnisse erhalten, um beispielsweise selbst Anträge auf Abschiebegewahrsam stellen zu können. Auch IP-Adressen sollten nach Merz‘ Vorstellung schnell genutzt werden dürfen, damit der Staat wieder an Kontrolle gewinne.
„Zuzug bis auf Weiteres stoppen“
Er wolle „keine pauschale Verurteilung“ aller Zuwanderer, auch nicht jener aus Syrien oder Afghanistan. Die meisten unter ihnen machten keine Probleme, „außer dass sie in der Summe zu viele“ seien. Unter den syrischen Staatsbürgern bezögen allerdings noch immer mehr als Hälfte Bürgergeld. Auch von daher müsse Deutschland mehr Menschen abschieben. Denn noch immer kämen täglich mehr Menschen nach Deutschland, als abgeschoben würden. Die Mitarbeiter in den Ausländerbehörden seien heute „nicht mehr in der Lage, die Masse zu bewältigen“. „Das ganze Problem“ sei „insgesamt zu groß geworden, um es noch individuell lösen zu können“. Der Zuzug sei deshalb „bis auf Weiteres“ zu stoppen, verlangte Merz. „Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist klar“.
„Das Wichtigste ist, Grenzkontrollen aufrechtzuerhalten“, mahnte Merz. Dazu habe Deutschland nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht. Er gehe davon aus, dass das auch funktionieren werde: Die Bundespolizei habe „ein sehr sicheres Auge dafür“.
Friedrich Merz‘ Auftritt auf der Bundespressekonferenz am 27. August 2024 ist in voller Länge auf YouTube zu sehen.
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