Lindner beim WEF: „Deutschland ist ein müder Mann nach einer kurzen Nacht“
Deutschland, der „Kranke Mann Europas“, so karikierte 1999 das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ das Land mit der seinerzeit strauchelnden Wirtschaft. Im August 2023 war es dann erneut so weit. Es hieß auf der Titelseite: „Is Germany once again the sick man of Europe?“ Das symbolträchtige Titelbild dazu: ein Ampelmännchen am Tropf. Komplett in Grün.
Deutschlands Wirtschaft schrumpft als einzige
„The Economist“ schreibt dazu: „Europas größte Volkswirtschaft hat sich von einem Wachstumsführer zu einem Nachzügler entwickelt. Zwischen 2006 und 2017 übertraf sie ihre großen Konkurrenten und hielt mit Amerika Schritt.“ Doch heute erlebe Deutschlands Volkswirtschaft eine Stagnation mit dem Potenzial, die einzige große Volkswirtschaft zu sein, die im Jahr 2023 geschrumpft ist. Länder wie Frankreich und Spanien verzeichneten einen stärkeren Anstieg der Wirtschaftsleistung im Jahr 2023, während sie in Deutschland um 0,3 Prozent abgenommen hat.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck intervenierte beim britischen Wirtschaftsmagazin mit einem eigenen Gastbeitrag und widersprach, die deutsche Wirtschaft sei „nicht krank – nur leicht aus der Form geraten“.
Dass der Grüne Habeck, unabhängig davon, dass er das Ressort auf dem Ministerposten verantwortet, eigene Vorstellungen von Wirtschaft hat, zeigt möglicherweise auch sein Auftritt bei der Talksendung „Maischberger“ im Frühherbst 2022. Auf die Frage, ob er am Ende des Winters mit einer Insolvenzwelle rechne, sagte Habeck: „Nein, tue ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren.“
Lindner in Davos: Deutschland müsse seine „Hausaufgaben“ machen
Jetzt zeigte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei einem bemerkenswerten Auftritt Ende letzter Woche am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF), dass er die Einschätzung Habecks teilt:
„Deutschland ist nicht der kranke Mann“, sagte Lindner bei einer Podiumsdiskussion am Rande des WEF im schweizerischen Davos, angesprochen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.
Deutschland müsse seine „Hausaufgaben“ machen – wie andere „mit ähnlichen Herausforderungen auch“, fügte der Finanzminister an. Denn die schlechten Konjunkturaussichten seien auch ein „Weckruf“.
Dieser mögliche Weckruf muss sich nicht nur aufs Hier und Jetzt, sondern auch auf die kommenden Jahre beziehen. Denn nach Angaben des IWF wird Deutschland auch in den nächsten fünf Jahren langsamer wachsen als Amerika, Großbritannien, Frankreich und Spanien.
Herausforderungen nach dem „Gaslieferstopp“
Lindner verwies auf die Herausforderungen nach dem Gaslieferstopp aus Russland. „Wir mussten die deutsche Energieinfrastruktur und -versorgung in den vergangenen 18 Monaten neu erfinden.“ Deshalb gäbe es nun nicht die beste Wachstumsperspektive, aber „unsere Wirtschaft zeige Widerstandsfähigkeit.“
Den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipeline erwähnte Lindner nicht. Russland wurde dafür zwar anfangs beschuldigt, die Ermittlungen deuten allerdings auf Täter anderer Nationen hin.
Lindner erklärte, nach einer erfolgreichen Phase habe Deutschland seit 2012 eine Phase der Krise durchgemacht. Und: „Deutschland ist ein müder Mann nach einer kurzen Nacht.“ Der Finanzminister schlägt in der WEF-Talkrunde vor: „Jetzt nehmen wir eine gute Tasse Kaffee, das heißt, Strukturreformen, und dann werden wir wirtschaftlich weiter erfolgreich sein.“
Strukturreformen: Energiewende und Klimaschutz?
Welche Strukturreformen gemeint sind, benennt Lindner in dem Zusammenhang nicht. Um das zu erahnen, muss man aber nicht im Kaffeesatz lesen: Die Ampel glaubt, Wirtschaftsminister Habeck ebenso wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass staatliche Investitionen für die Energiewende oder den Klimaschutz die Volkswirtschaft wieder in Schwung und auf Erfolgs-Kurs bringen können.
„Deutschland braucht nur Kaffee“, damit beleidige Christian Lindner die Bürger, kommentiert die „Berliner Zeitung“. Er suggeriere damit, dass die vielen wirtschaftlichen Probleme in Deutschland – die extreme soziale Ungleichheit, der Fachkräftemangel, die sinkende Konkurrenzfähigkeit aufgrund der mangelnden Innovationen, – erst seit Kurzem da seien und keine jahrzehntelange Entwicklung darstellen würden.
Der Minister suggeriere auch, dass die begründeten Ängste vor der grünen Transformation und den steigenden Kosten, ob bei den Bauern oder in der Industrie, mit nur einer Tasse Kaffee zu überwinden seien – und „dann wird wieder alles gut“.
„Menschen nicht auf der Straße, weil sie Kaffee brauchen“
Die „Berliner Zeitung“ schreibt dazu weiter: „Bei allem Respekt, Herr Lindner: Die Menschen gehen nicht nach einer schlaflosen Nacht auf die Straße und wählen nicht die AfD, einfach weil sie müde sind und Koffein brauchen.“
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