Lindner auf „re:publica“: Pfiffe und Zwischenrufe beim Nein zur Vermögenssteuer
Der Wind wird offensichtlich rauer für die Spitzenpolitiker der Ampel. Nachdem am Wochenende ein emotionaler Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beinahe unter den lautstarken Unmutsbekundungen unzufriedener Bürger untergegangen war, hat nun Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Die Finanzierung unserer Zukunft“ Schelte einstecken müssen.
Auf der Digitalkonferenz „re:publica“ („rp23“) in Berlin waren es am 5. Juni aber nicht die friedensbewegten Verfechter von Diplomatie, sondern hauptsächlich Bürger aus dem grünen oder linken Milieu, die Lindners Standpunkte missbilligten. Das berichtet unter anderem das ZDF.
Marlene Engelhorn, Moderatoren und Publikum gemeinsam gegen Lindner
Hintergrund war eine Streitfrage um höhere Steuern für Reiche, insbesondere für jene, die ein Familienunternehmen erbten. Lindner erteilte einer Forderung von Marlene Engelhorn, Erbin, Autorin und Gründerin der Initiative „TaxMeNow“, nach der „steinreiche“ Menschen wie sie selbst stärker zur Kasse gebeten werden sollten, eine Absage: Betroffene Unternehmen müssten das als Erbschaftssteuer abzuführende Kapital ja durch Kredite ersetzen, um weiter – auch im Interesse ihrer Mitarbeiter – Investitionen tätigen zu können.
Außerdem würde es für „börsennotierte Unternehmen“ wie Google oder BMW einen Vorteil bedeuten, wenn die mittelständischen Familienunternehmen per „Substanzbesteuerung“ noch stärker belastet würden. Denn bei Aktiengesellschaften fielen ja nur Gewinnsteuern an. Damit würden „die Kleinen“ geschädigt, meinte Lindner, und das sei mit ihm „auf gar keinen Fall“ zu machen. Auch eine Vermögenssteuer lehne er ab. Engelhorns Anliegen halte er deshalb „für keinen guten Rat“, meinte Lindner, „da sind wir uns überhaupt nicht einig.“
Während Engelhorn, Moderatorin Geraldine de Bastion und ihr Co-Moderator Andreas Gebhard, ein früherer Geschäftspartner Lindners, für ihre Pro-Reichensteuer-Position noch viel Beifall aus dem zumeist jungen Publikum erhalten hatten, erntete Lindner vereinzelt Pfiffe und Zwischenrufe (ab ca. 20:30 Min. auf „bundesfinanzministerium.de“).
Lindner versuchte daraufhin, beim Publikum zu punkten, indem er ankündigte, zum 1. Januar 2024 eine „internationale Steuer […] für die großen Konzerne à la Apple“ einzuführen.
Lindner: „Dieses Jahr wird’s ’ne Rentenreform geben“
Außerdem versprach der FDP-Chef, als Finanzminister demnächst eine „kapitalgedeckte Säule in der gesetzlichen Rentenversicherung“ zu etablieren (auch auf Twitter). Mithilfe jener Renditen, die man dann mit einem Teil der Rentenversicherungsbeiträge „an den internationalen Kapitalmärkten“ erwirtschaften werde, sollen die Beiträge in den 2030er-Jahren gedämpft werden. Ansonsten würden sie „durch die Decke gehen“.
Auch die Säule der individuellen privaten Altersvorsorge solle „steuerlich attraktiver“ gestaltet werden, „vermutlich“ noch in diesem Jahr, so Lindner auf der „re:publica“.
Twitter-Statements
„Ich bin kein Finanzexperte aber wenn die Ampel-Koalition weiterhin maßlos Steuermilliarden verschleudert, dann wird es für uns keine ,Finanzierung unserer Zukunft‘ mehr geben. Sie beschenken die ganze Welt und haben kein Geld für das eigene Volk“, twitterte der Nutzer „Bailey“ und brachte damit den Tenor der meisten Twitter-Kommentare zu Lindner auf den Punkt.
„Finger weg von unserer #Rente. Die #Aktienrente darf nur freiwillig sein“, fordert Gabi Ley.
„Als echter Finanzminister sollten Sie eine klimaneutrale Zukunft der Bürger mitfinanzieren, so dass jeder zur Investition in eine Wärmepumpe in der Lage ist“, meint dagegen Werner Heimann.
Christian Gießler sieht das wiederum anders: „Eines ist klar CL. Wenn Sie umfallen beim Heizungsgesetz und diesen Wahnsinnigen Habeck nicht stoppen, dann ist die FDP unwählbar für alle Zeit, gleichzeitig ist die ganze Energiepolitik eh unfinanzierbar.“
„Dann sprechen Sie doch bitte auch mal darüber, wieso sie uns an den drecks Verein WHO ausgeliefert haben mit ihrer Zustimmung!?“, verlangt „Sabine“ in Anspielung auf die Tatsache, dass der Bundestag der Weltgesundheitsorganisation mit den Stimmen der FDP mehr Befugnisse erteilt hatte – auch über nationales Recht hinweg.
Helmut Lehmeyer sieht in Lindners Argumentation kontra Erbschaftssteuer für Familienunternehmen einen gewieften rhetorischen Schachzug: „Er projiziert den kleinen Handwerksbetrieb auf die Milliardenerben wie Springer – sehr geschickt! Und viele Menschen gehen ihm auf den Leim – immer.“
Große Skepsis beim „digitalen Bargeld“
Dass Lindner sich erneut für „ein anonymes, digitales Zahlungsmittel“ neben Bargeld stark machte, kam ebenfalls nicht gut an: „Gibt’s schon. Heißt Bitcoin. Und hat kein Finanzminister seine gierigen Finger dran“, schreibt etwa Sven W. Tritschler, der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen.
„Reklov“ bringt die Befürchtungen der meisten Kommentatoren auf den Punkt, nachdem es beim CBDC („Central Bank Digital Currency“, zu deutsch „Digitales Zentralbankgeld“) in Wahrheit um den gläsernen Bürger und um noch mehr Überwachung geht: „Wie lange gelten ‚neben dem Bargeld‘ und ‚anonym‘, wenn es erstmal da ist?“ Denn „Nur Bares ist Wahres“, ist auch Iris Gleichen überzeugt.
Ähnlich sieht die Sache mit dem „digitalen Bargeld“ der Twitterer „RJ“ und macht eine Ansage in Richtung Bundesfinanzministerium: „Für die Einführung der CBDCs, sowie für die Abschaffung des Bargeldes, wird es keine mehrheitliche Unterstützung vom deutschen Volk geben!“.
Ampel unter Druck
Zuletzt hatte Kanzler Olaf Scholz am 2. Juni so etwas wie einen „Live-Shitstorm“ über sich ergehen lassen müssen. Beim Europafest der SPD in Falkensee hatten knapp 100 Menschen Sprechchöre wie „Kriegstreiber“, „Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „Wir sind das Volk!“ angestimmt, als Scholz die Milliardenhilfen an Geld und Kriegsmaterial für die Ukraine verteidigte.
Der Kanzler kanzelte wiederum seine Gegner ab: „Kriegstreiber ist Putin“, rief Scholz sichtlich erregt, „Er sollte hier von euch ausgeschrien werden, wenn ihr irgendeinen Verstand in euren Hirnen hättet.“ (Video auf YouTube)
ARD-DeutschlandTrend
Nach dem aktuellen „ARD-DeutschlandTrend“ zum Juni-Beginn hätten 18 Prozent der Deutschen am 4. Juni die AfD gewählt, wenn Bundestagswahl gewesen wäre. Damit genießt die AfD augenblicklich ebenso viel Zustimmung wie die Kanzlerpartei SPD. Die Grünen liegen bei 15 Prozent, die FDP bei sieben Prozent. Die CDU wäre mit 29 Prozent stärkste Kraft.
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