Kurswechsel Migrationspolitik – Eiszeit in der Ampel? Koalitionsausschuss abgesagt

Ein für den kommenden Mittwoch geplantes Treffen des Koalitionsausschusses mit Bundesministern und Vertretern der Ampelparteien wird nicht stattfinden. Es herrscht offenbar große Uneinigkeit in der Migrationspolitik.
Der Koalitionsausschuss des Ampelbündnisses hat ein neues Entlastungspaket für Bürgerinnen und Bürger beschlossen.
Ein Bild aus älteren Tagen: Mitglieder des Koalitionsausschusses der rot-grün-gelben Ampelregierung nach erfolgreichen Gesprächen.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 8. September 2024

Ursprünglich wollten die Parteispitzen von SPD, Grünen und FDP am kommenden Mittwoch, 11. September 2024, endlich mit Vertretern der Bundesregierung zusammenkommen, um über einen Kurswechsel in der Migrationspolitik zu verhandeln. Doch hinter den Kulissen wurde der Koalitionsausschuss kurzfristig abgesagt. Das berichtet die „Welt“ unter Verweis auf „mehrere Teilnehmer“ des Ausschusses. Einen genauen Grund nannten die Spitzenpolitiker offenbar nicht.

Womöglich spielt das jüngste Positionspapier der FDP-Fraktion im Bundestag eine Rolle. Unter dem Titel „Für eine neue Realpolitik in der Migration – Maßnahmen für eine Migrationswende“ hatte die Fraktion am 5. September nach ihrer Herbstklausur in Hamburg das gut 20 Seiten starke Dokument veröffentlicht (PDF).

Zusammenarbeit mit EU-Staaten soll sich „spürbar“ verbessern

Ähnlich wie Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) drängt die FDP-Fraktion mittlerweile auf vermehrte Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen.

Geringere Sozialleistungen und Pilotprojekte für Asylverfahren in Drittstaaten sollen nach dem Willen der FDP-Fraktion außerdem dafür sorgen, dass sich weniger Menschen auf den Weg nach Deutschland machen. Jene, die sich bereits zu Unrecht hierzulande aufhalten, sollen schneller abgeschoben werden.

Zum Forderungskatalog der liberalen Bundestagsabgeordneten gehört auch der Wunsch nach mehr Druck auf die übrigen EU-Staaten: Die Zusammenarbeit im sogenannten Dublin-Verfahren müsse sich „spürbar“ verbessern. Schutzsuchende sollten „bereits an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden, wenn Deutschland für die Asylverfahren nicht zuständig ist“, meint die Fraktion.

Bislang kommt es häufig vor, dass EU-Staaten die Rücknahme von Flüchtlingen aus Deutschland verweigern, obwohl die Migranten deren Territorium als erstes Land im Schengenraum betraten. Grundsätzlich wären nach den Dublin-Regeln die Erstaufnahmeländer für die Registrierung und Abwicklung eines Asylverfahrens verantwortlich.

FDP unter Druck – auch parteiintern

Zuvor hatten sich bereits FDP-Parteichef Christian Lindner und Joachim Stamp (FDP), der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, für eine deutlich restriktivere Migrationspolitik ausgesprochen. Beide wären auch offen dafür, die Gesetze dementsprechend anzupassen – notfalls auch das Grundgesetz.

Speziell der FDP-Parteivorsitzende Lindner steht nach den Wahlschlappen in Sachsen und Thüringen und vor der Landtagswahl in Brandenburg schwer unter Druck – auch parteiintern. Die FDP ist mit 0,9 Prozent in Sachsen und 1,1 Prozent in Thüringen der Wählerstimmen nicht mehr in den jeweiligen Landtagen vertreten.

Inzwischen verlangen nicht nur Vertreter der Union und der AfD, sondern auch Teile der FDP-Basis ein sofortiges Ende der Ampelkoalition.

Nach Angaben der „Welt“ hatten sich die Koalitionspartner im Bund seit den Landtagswahlen nicht mehr getroffen. Jede Fraktion sei für sich allein in Klausur gegangen. Auch die für Anfang September geplante traditionelle Klausur des Bundeskabinetts in Schloss Meseberg war überraschend gestrichen worden, offiziell aus Termingründen.

Grüne treten auf die Bremse

Der größte Widerstand gegen eine verschärfte Migrationspolitik kommt von den Grünen. Der EU-Parlamentarier Erik Marquardt (Grüne) ermahnte den Bundeskanzler im Gespräch mit der Funke Mediengruppe zu „mehr Führung“.

Scholz müsse „aufpassen, dass er nicht den Eindruck erweckt, im Sekretariat von Friedrich Merz zu sitzen“, so Marquardt laut „Frankfurter Rundschau“.

Vor wenigen Tagen hatte auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine Kritik in Richtung Opposition gerichtet: Die CDU versuche, dem „Populismus“ hinterherzulaufen, so Habeck auf einer Wahlkampfveranstaltung in Potsdam. Unter Kanzlerin Angela Merkel habe die Partei noch gewusst, „was sich gehört“.

Irene Mihalic, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, hatte sich skeptisch zur Frage gezeigt, ob Zurückweisungen an deutschen Grenzen rechtlich durchsetzbar sein könnten. Sie schlug stattdessen gemeinsame Patrouillen von deutschen Grenzschützern mit Beamten aus den Nachbarländern vor.

Ereignisse von Solingen stießen neue Migrationsdebatte an

Unter dem Eindruck des Messerattentats von Solingen hatte CDU-Parteichef Friedrich Merz dem Bundeskanzler Ende August noch einmal die Zusammenarbeit in Migrationsfragen angeboten.

In Abstimmung mit Olaf Scholz (SPD) hatte Innenministerin Faeser einen Extragipfel einberufen, bei dem neben Kabinettsmitgliedern aus allen drei Ampelparteien auch Vertreter der Ministerpräsidentenkonferenz und aus der Union eingeladen waren. Am vergangenen Dienstag, 3. September, war die Gesprächsrunde allerdings weitgehend ergebnislos beendet worden. Es habe lediglich eine Verabredung gegeben, die Rechtslage zu Zurückweisungen überprüfen zu lassen, wie Faeser im Anschluss wissen ließ.

Bringt der zweite Gipfel den Durchbruch?

Am Dienstag, 10. September, wollen sich Mitglieder Bundeskabinetts, der Länder und der Union erneut treffen. Dann steht der zweite Migrationsgipfel innerhalb einer Woche an.

Oppositionsführer Merz hatte bereits angedroht, die Gespräche platzen zu lassen – für den Fall, dass die Bundesregierung immer noch keine verbindliche Erklärung vorlegen sollte, nach der der unkontrollierte Zuzug von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen mit Zurückweisungen gestoppt werden dürfe.

Im Bundestag endet die zweimonatige Sommerpause am Montag. Ab Dienstag haben die Abgeordneten vorwiegend mit dem Haushalt für das Jahr 2025 zu tun. Die Bundesregierung hatte sich erst vor drei Wochen nach einigem Hickhack auf einen neuen Haushaltsgesetzentwurf geeinigt.

Ob die Legislative die aktuellen Summen und ihre geplante Ressortzuteilung durchwinken wird, bleibt abzuwarten. Das Gesetz soll im November endgültig verabschiedet werden.

 



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