Kritik an Briefwahlergebnissen – Brandenburg: Bisher keine Anzeichen für Wahlbetrug

Der Wahlsieg der SPD über die zweitplatzierte AfD war denkbar knapp. Im Laufe des gestrigen Wahlabends in Brandenburg wurden Stimmen laut, die sich über das Ergebnis der Auszählung der Briefwahlstimmen wunderten.
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Wie sicher ist eine Briefwahl gegenüber der Urnenwahl?Foto: roibu/iStock
Von 23. September 2024

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Bei knapp 2,1 Millionen Wahlberechtigten, einer Wahlbeteiligung von 72,9 Prozent und etwa einem Prozent ungültiger Stimmen liegt die SPD in Brandenburg nach vorläufigem Endergebnis der Zweitstimmenauszählung mit knapp 25.000 Stimmen vor der AfD. Zum Vergleich: Im brandenburgischen Werder an der Havel waren etwa 17.000 Bürger wahlberechtigt.

Der Wahlausgang in Brandenburg wurde maßgeblich von den Briefwahlergebnissen mitbestimmt. So berichtete etwa Brandenburg an der Havel, dass deutlich mehr Wähler am Wahlsonntag zu Hause geblieben waren, weil sie bereits im Vorfeld gewählt hatten.

Der Anteil der Wahlberechtigten, die sich für diese urnenlose vorgezogene Wahl entschieden haben, ist erneut angestiegen. Die Briefwahlbeteiligung war gegenüber der Landtagswahl von 2019 noch einmal um knapp zehn Prozent höher und lag damit bei etwas über dreißig Prozent.

Der forschungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Michael Kaufmann, bezog sich im September 2023 auf eine Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag und interpretierte die Ergebnisse dahingehend, dass „die Wahlvorstände die Wahrung von Geheimheit und Freiheit bei Briefwahlen nicht überwachen“ könnten.

Laut der Studie bestehe zudem das Risiko, so Kaufmann, dass Briefwähler von Dritten beeinflusst oder erpresst werden könnten, sowie die Möglichkeit des Stimmenkaufs. Auch das unbefugte Öffnen von Wahlbriefen sei nicht generell auszuschließen.

Sicher ist sicher

Die baden-württembergische Landeszentrale für politische Bildung sah sich vor der letzten Bundestagswahl im Rahmen einer Briefwahlkampagne samt Erklärvideo veranlasst, zu erklären, dass die Briefwahl selbstverständlich geheim und sicher sei.

Auch Marcel Luthe, ehemaliges Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus und Chef der GG-Gewerkschaft, äußerte sich gestern am späten Abend zum Einfluss der Briefwahlergebnisse: „Es ist schon kurios, wenn die AfD Brandenburg als einzige Partei – und dann auch noch um etwa 100 % mehr Urnen- als Briefwähler hat. Angesichts dessen, wie oft es in Berlin bei der Briefwahl 2021 ‚Fehler‘ gab, verdient das eine gründliche Untersuchung. Macht jemand mit?“

Luthe hatte als Beschwerdeführer im September 2021 relevante Wahlpannen in Berlin aufgedeckt und damit eine Wahlwiederholung erzwungen. Die Liste der aufgedeckten Probleme war lang und führte letztlich zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Wahl in einem knappen Viertel der Berliner Wahlbezirke wiederholen zu lassen.

Was kann theoretisch bei Briefwahlen schiefgehen oder manipuliert werden?

Ein häufiger Vorwurf betrifft die Möglichkeit, dass Stimmzettel falsch gezählt oder absichtlich als ungültig gewertet werden. Kritiker der Briefwahl meinen zudem, dass die Identität des Wählers weniger leicht überprüft werden kann, was Spielraum für Missbrauch schaffe. Theoretisch könnten sogar Stimmen im Namen anderer abgegeben werden, Stimmzettel „verloren gehen“ oder absichtlich zurückgehalten werden, um das Ergebnis zu beeinflussen.

Bei der Einführung der Briefwahl zur Bundestagswahl 1957 hatten knapp unter fünf Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme per Brief abgegeben. 2017 waren es bereits knapp dreißig Prozent. Als die Bundestagswahl 2021 auf dem Höhepunkt des Corona-Regimes stattfand, gaben bundesweit sogar knapp die Hälfte aller Wahlberechtigten ihre Stimme per Briefwahl ab.

Trump und die Briefwähler

Der prominenteste Fall eines Betrugsvorwurfs ist sicherlich die US-Präsidentschaftswahl 2020, die von scharfen Debatten zur Briefwahl begleitet wurde. Hierzu muss man wissen, dass Corona-bedingt 43 Prozent der Wählenden die Briefwahlmöglichkeit nutzen gegenüber nur 21 Prozent bei der Wahl 2016.

Schon im Vorfeld der Wahlen hatte der später unterlegene Kandidat Donald Trump die Briefwahl scharf kritisiert (X): „There is NO WAY (ZERO!) that Mail-In Ballots will be anything less than substantially fraudulent. Mail boxes will be robbed, ballots will be forged & even illegally printed out & fraudulently signed …“ („Es gibt KEINE MÖGLICHKEIT (NULL!), dass die Briefwahlstimmen nichts anderes als Betrug sein werden. Briefkästen werden ausgeraubt, Stimmzettel werden gefälscht und sogar illegal ausgedruckt und unterschrieben …“)

Nach seiner Niederlage sprachen Trump und seine Anhänger im Zusammenhang mit der Briefwahl von Wahlbetrug. Umfangreiche Nachzählungen und Gerichtsverfahren führten jedoch zu keiner offiziell bestätigten systematischen Manipulation.

Briefwähler und ihr Wahlverhalten werden seit Jahrzehnten erforscht. Die immer relevanter werdende Gruppe war bei früheren Erhebungen älter als der Durchschnitt der Bevölkerung und formal deutlich überdurchschnittlich gebildet. Aus der Wahlforschung wisse man, schreibt etwa kommunal.de, dass Briefwähler eher selten Wechselwähler seien. Sie seien sich relativ früh sicher, dass sie erstens auf jeden Fall an der anstehenden Wahl teilnehmen wollen und zweitens deutlich früher wüssten, wen sie wählen werden.

Urne versus Brief

Die sozialen und demografischen Faktoren können mit Blick auf die gestrige Landtagswahl nicht unberücksichtigt bleiben. In Brandenburg kann das ein weiterer Erklärungsansatz sein, warum die AfD bei den Urnenwählern besser abschnitt als bei den Briefwählern.

Der Fall der Wahlwiederholung in Berlin zeigt, dass gravierende Fehler bei der Wahlorganisation durchaus zu Wahlwiederholungen führen können, wenn die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl nicht gewährleistet ist. Im Fall Brandenburgs ging es im Verlauf des Wahlabends insbesondere in den sozialen Netzwerken um die Frage, ob Unterschiede bei den Briefwahlergebnissen auf natürliche oder unnatürliche Ursachen zurückzuführen sind, ohne dass bisher ein solch grober organisatorischer Fehler wie in Berlin festgestellt wurde.

Wahlbetrug ist in Deutschland streng verboten und wird schwer geahndet.

Es bleibt die hypothetische Frage, welche Gruppen ein potenzielles Interesse und auch die Möglichkeiten haben könnte, Wahlergebnisse zu manipulieren und wie ein Betrug bei der Briefwahl theoretisch aussehen könnte.

Politische Parteien, die von einem bestimmten Wahlausgang profitieren würden, könnten theoretisch Interesse daran haben, die Ergebnisse zu beeinflussen. Auch Aktivisten oder Einzelpersonen, die extremen politischen Überzeugungen folgen, könnten versuchen, Wahlergebnisse zu beeinflussen, wenn sie glauben, dass ihre bevorzugte Partei oder Gruppe dadurch einen Vorteil erhält.

In der Theorie – in der Praxis

Personen, die direkt an der Durchführung der Wahl beteiligt sind, wie Wahlhelfer oder Mitglieder von Wahlvorständen, haben theoretisch die Möglichkeit, Stimmzettel zu manipulieren, etwa bei der Auszählung oder der Erfassung von Briefwahlen.

Theoretisch könnten auch extremistische oder ausländische Akteure versuchen, durch Manipulation von Wahlen Unruhe zu stiften oder eine bestimmte politische Richtung zu stärken oder zu schwächen.

 Eine Manipulation von Briefwahlstimmen ist allerdings schon deshalb erschwert, weil jeder Stimmzettel von einer Wählererklärung begleitet wird. So wird erschwert, im großen Stil im Namen anderer Menschen Stimmen abzugeben. Es müsste eine umfassende organisierte Aktion sein, um hier wirklich messbar Einfluss nehmen zu können.

Ein weiteres Szenario könnte die gezielte Nichtzustellung oder Vernichtung von Briefwahlunterlagen sein. Hier könnten Akteure versuchen, die Zustellung von Briefwahlunterlagen zu behindern oder die abgegebenen Stimmen absichtlich zu vernichten, bevor sie ausgezählt werden.

Auch könnten Wahlhelfer, die bei der Auszählung der Stimmen beteiligt sind, theoretisch absichtlich Stimmen für eine bestimmte Partei als ungültig erklären oder fälschlicherweise einer anderen Partei zuordnen. Dies könnte jedoch nur in kleinem Rahmen erfolgen, da Auszählungen normalerweise immer durch mehrere Personen kontrolliert werden.

Doppelwähler ausgeschlossen?

Es wäre theoretisch auch möglich, dass eine Person sowohl per Briefwahl als auch an der Urne abstimmt, falls das Wählerverzeichnis nicht ordnungsgemäß aktualisiert wird. Dies erfordert jedoch organisatorische Schwächen und wäre nur schwer in großem Maßstab umzusetzen.

 Da alle Wahlergebnisse öffentlich dokumentiert und überprüft werden, lassen sich Wahlunterlagen oder Stimmzettel kaum gezielt zurückgehalten oder vernichten, ohne dass dieser Versuch auffiele.

Da die Wahl in Brandenburg denkbar knapp ausgefallen ist und kaum mehr als zwanzigtausend Stimmen den Ausschlag für den Wahlsieg der SPD gegeben haben, könnten hier rein hypothetisch auch kleine aber signifikante Manipulationen erfolgversprechend gewesen sein.

Bei knappen Wahlausgängen sind kleinste Verschiebungen relevant. Aber so ein Vorgehen setzt ein streng koordiniertes Agieren von Wahlhelfern und Wahlleitern mit direktem Zugang zum Wahlprozess voraus. Der Wahlvorgang in Deutschland unterliegt allerdings strikten Kontrollen, was solche Versuche riskant und schwer umsetzbar macht.

Wer es nicht glaubt, sollte klagen

Obwohl die Briefwahl logistisch aufwendiger ist, gibt es Mechanismen, um sicherzustellen, dass jede Stimme rechtmäßig abgegeben wird, etwa durch persönliche Identifikation bei der Beantragung der Briefwahlunterlagen.

Und zuletzt bleibt – wie auch von Marcel Luthe angeregt – immer die Möglichkeit, Wahlergebnisse anzufechten und überprüfen zu lassen. Die Wahlwiederholung in Berlin zeigt, dass das System durchaus auf Mängel reagiert.

Es gibt bisher keine Anzeichen dafür, dass in Brandenburg systematischer Wahlbetrug stattgefunden hat. Warum die AfD beim Auszählungsergebnis der Briefwahl schlechter abschnitt, liegt mutmaßlich an der Zusammensetzung der Gruppe der Briefwähler ebenso, wie an der Kritik der AfD selbst, die ihren Wählern aktiv von der Briefwahl abgeraten hat.



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