Königsmacher BSW wartet auf Angebote – Regierungsbildung überall schwierig
Es hatte sich schon vor der Parteigründung im Januar abgezeichnet: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) würde bei den Landtagswahlen im Osten eine gewichtige Rolle spielen.
Denn speziell für jene Wähler, die von der Ampelpolitik enttäuscht sind, bot das BSW eine Alternative zur Alternative für Deutschland (AfD). Mit teilweise ähnlichen Inhalten (Migration, Ukraine-Krieg, Corona-Aufarbeitung) – allerdings ohne den Makel, vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ gebrandmarkt zu sein. BSW-Galionsfigur und Parteigründerin Wagenknecht immer wieder in die Talkshows einzuladen war auch für die großen Fernsehsender kein Problem.
Nun also der wenig überraschende Erfolg: Sowohl in Dresden als auch in Erfurt kommen die Christdemokraten kaum an einem Bündnis mit der jeweils drittstärksten Wagenknecht-Partei vorbei, wenn sie Mehrheiten in den Landesparlamenten ohne die AfD auf die Beine stellen wollen.
In Sachsen gewann das BSW 11,8 Prozent, in Thüringen sogar 15,8 Prozent. Das reicht für 15 von 120 (Sachsen) beziehungsweise 15 von 88 Sitzen (Thüringen) – und damit zu einer starken Verhandlungsposition.
Das BSW in Thüringen
Die AfD stellte in Thüringen zwar die mit Abstand stärkste politische Kraft (32,8 Prozent/32 Sitze) und will nach den Worten von Spitzenkandidat Björn Höcke demnächst zu Gesprächen bitten. Nach den Reaktionen aller übrigen vier Landtagsparteien wird er wohl ausschließlich Absagen ernten.
Auch CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt erklärte trotz 9,2 Punkten Abstand zu Höckes Partei sogleich, dass er es sei, der den Wählerauftrag zur Bildung einer Regierung erhalten habe.
BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht bekräftigte im mdr bereits kurz nach den ersten Hochrechnungen ihr Nein zur AfD: Deren Landeschef Höcke vertrete ein völkisches Menschenbild, von dem das BSW „meilenweit entfernt“ sei. Sie hoffe, zusammen mit der CDU und der SPD eine stabile Mehrheit bilden zu können.
Laut Landeswahlleitung stehen nach dem vorläufigen Endergebnis für ein solches Dreierbündnis aber nur 44 der insgesamt 88 Sitze zur Verfügung – nicht genug. Als „Tolerierungspartner“ hatten sich laut mdr schon Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow und sein Co-Vorsitzender Christian Schaft bereit erklärt. Zur Bedingung habe Schaft allerdings gemacht, dass sich die CDU von ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss verabschieden müsse. Den früheren CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat er von der 180-Grad-Wende offenbar bereits überzeugt.
Bernhard Stengele (Grüne), der noch geschäftsführende Umweltminister Thüringens, traut BSW-Chefin Wagenknecht wenig Positives zu. Schon deren Betonung bundespolitischer Themen, auch als Bedingung für eine Zusammenarbeit auf Landesebene, sei „absurd“.
Womöglich werde Wagenknecht an der Seite ihrer Mitstreiter gar keinen Kompromiss suchen, sondern ihren Erfolg „als Eintrittskarte in den Bundestag“ nutzen, um auch dort eine Regierungsbildung scheitern zu lassen. „Ich glaube, dass für sie die Beteiligung im Bund das Wesentliche ist“, warnte Stengele. Die Grünen hatten nur 3,2 Prozent der Wählerstimmen geholt und sind nun raus aus dem Landtag in Erfurt – ebenso wie die FDP (1,1 Prozent).
Der Blick nach Sachsen
Sachsens amtierender Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte mit 31,9 Prozent und 41 Sitzen zwar den Wahlsieg vor AfD-Kandidat Jörg Urban (30,6 Prozent/40 Sitze) eingefahren. Seiner bisherigen Kenia-Koalition aus CDU, SPD (7,3/10 Sitze) und Grünen (5,1/7 Sitze) fehlen fürs unveränderte Weitermachen aber drei Sitze.
Da Kretschmer schon im März einer weiteren Zusammenarbeit mit den Grünen ohnehin eine Absage erteilt hatte, bleiben ihm als Partner noch die SPD – und eben das BSW (11,8 Prozent/15 Sitze).
Gegenüber den Linken, die dank zweier Direktmandate in sechsköpfiger Stärke in den Landtag einziehen dürfen, gilt wie gegenüber der AfD seit sechs Jahren ein Unvereinbarkeitsbeschluss. Es sei denn, Ex-CDU-Generalsekretär Mario Czaja setzt sich mit seinem Wunsch nach einer Öffnung zu den Linken durch.
Differenzen zwischen Sachsen-CDU und BSW überbrückbar?
Kretschmer bestätigte am Morgen nach dem Wahlsonntag im „Deutschlandfunk“ (DLF), dass er sich Gespräche mit dem BSW durchaus vorstellen könne. „Es wird nicht einfach sein, es wird auch seine Zeit dauern, aber es ist möglich“, so der Ministerpräsident. Von Koalitionsverhandlungen sei man allerdings noch „weit, weit, weit entfernt“. Er rechne mit „mehreren Monaten“ bis zu einer Lösung.
Für ihn führe anders als für BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann oder Sahra Wagenknecht beispielsweise „überhaupt nichts“ daran vorbei, US-Mittelstreckenraketen als einen Abwehrschirm auf deutschem Boden zu stationieren. Das BSW hatte das Gegenteil zuletzt immer wieder zur Bedingung für eine politische Partnerschaft erklärt. Falls es doch nicht zu einem Bündnis mit dem BSW kommen sollte, müsse man sich „Alternativen überlegen“, so Kretschmer.
Kretschmer zur Migrations- und Energiepolitik der Ampel
Generell müssten sich nun alle bewusst werden, dass man dem Land dienen und „mit Demut vorangehen“ müsse, erklärte Kretschmer. Parteiideologien müssten hintanstehen, denn den ersten Koalitionsvertrag schließe man immer mit den Menschen im Land:
Wir müssen die Probleme in diesem Land klären und nicht weiter ignorieren. Das ist wirklich Demokratie-zerstörend. Was die Ampel da macht bei der Migration, bei der Energiepolitik, ist ein einziges Desaster.“
Es sei auch möglich, dass es seine eigene Partei zerreiße, wenn man „falsche Inhalte“ vereinbare, räumte Kretschmer ein. Insofern müsse man sich auch bei Koalitionsgesprächen an seinen Wertekompass halten. „Danach wird sich ja zeigen, ob es eine Schnittmenge gibt, die vernünftig ist, die tragfähig ist.“
Kretschmer will „Brandmauer“ als Begriff fallen lassen – de facto aber nicht
Mit der AfD könne man zwar im Parlamentsalltag zusammenarbeiten, aber keine Koalition bilden, weil die Partei „gefährlich für das Land“ sei, so Kretschmer im DLF.
Dennoch trete er dafür ein, das Wort „Brandmauer“ nicht mehr zu verwenden. Dieser Begriff bediene nur die immer wieder von der AfD verbreitete, seiner Meinung nach falsche Sichtweise, nach der die AfD – anders als andere Parteien – um ihre demokratischen Rechte beraubt werde. „Das ist nicht der Fall“, so Kretschmer. Die AfD sei kein Märtyrer, sondern „eine Oppositionspartei wie jede andere, mit allen Rechten und mit allen Pflichten“.
Grünen-Vorsitzende Lang lehnt BSW als „populistisch“ ab
Die Grünen-Coparteivorsitzende Ricarda Lang hatte das BSW auf der Wahlparty in Dresden nach Informationen der „Welt“ als „populistisches Angebot“ bezeichnet. Dessen Erfolg sei ein Problem, zumal das BSW für die Länder „nichts zu bieten“ habe. Die Grünen dürfen mit ihren 5,1 Prozent (minus 3,5 Punkte) im sächsischen Landtag bleiben.
Mit der grünen Migrationspolitik habe das aus ihrer Sicht nichts zu tun: „Ich glaube nicht, dass das das Thema ist, dass die Menschen hier am meisten umgetrieben hat“, so Lang im „tagesschau“-Interview (Kurzvideo auf X).
Dass die AfD nun stärkste Kraft in Thüringen sei, bedeute „eine historische Zäsur für unser Land“. Auch der CDU schrieb Lang eine Mitschuld für das schwache Abschneiden ihrer eigenen Partei zu: Sowohl Regierungschef Kretschmer als auch Parteichef Merz hätten auf das „Feindbild Grüne“ gesetzt:
Wenn immer wieder ein Gegeneinander aufgemacht wird und Vorurteile gestärkt werden, dann sägen Demokraten an dem Ast, auf dem sie selbst sitzen. Und dieser Ast ist die demokratische Kultur.“
Die FDP (0,9 Prozent/minus 3,6) schaffte es auch nicht in den sächsischen Landtag.
Scholz will „stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten“
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat laut „Welt“ in seiner Funktion als Bundestagsabgeordneter an die Landesverbände der „demokratischen Parteien“ in Sachsen und Thüringen appelliert, nun „stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden“:
Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes.“
Die Wahlergebnisse der SPD seien bitter, so Scholz. Dennoch habe sich der Wahlkampf gelohnt: „Die düsteren Prognosen in Bezug auf die SPD sind nicht eingetreten.“ Jetzt gehe es darum, „stetig um mehr und neue Zustimmung zu werben“. Das sah auch sein Parteivorsitzender Lars Klingbeil im ZDF so: „Alle müssen jetzt ihren Teil dazu beitragen, damit es jetzt besser wird.“
Seine Covorsitzende Saskia Esken gab im ARD-Politikkanal „Phoenix“ zu, dass es der SPD nicht gelungen sei, den eigenen Anspruch als Volkspartei zu erfüllen. „Deswegen müssen wir noch stärker werben, erklären, nach draußen gehen“, so Esken.
Manche Umfragen vor der Wahl hatten die Frage aufgeworfen, ob die Sozialdemokraten überhaupt in die Parlamente einziehen würden. In Sachsen reichte es für die Kanzlerpartei am Ende für 7,3 Prozent, in Thüringen für 6,1 Prozent.
Kaum Zuspruch für die WerteUnion
Hatte die von Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Februar ins Leben gerufene Partei WerteUnion noch Hoffnungen insbesondere bei jenen Bürgern geweckt, die sich eine neue rechtskonservative Partei in den Parlamenten wünschten, erwies sich ihr erstes Antreten auf Landesebene als Misserfolg: In Thüringen gaben ihr lediglich 0,6 Prozent der Wähler ihre entscheidende Zweitstimme, in Sachsen sogar nur 0,3 Prozent.
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