Kein Spielraum zum Sparen: Vier Ministerien reißen die Zielvorgabe
Eigentlich hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Ministerien für das Haushaltsjahr 2025 einen strengen Sparkurs verordnet: Womöglich 25 Milliarden weniger sollen nach Angaben der „Zeit“ fließen. Bis zum 2. Mai 2024 hatte Lindner seinen Kabinettskollegen Zeit gegeben, ihre Finanzplanungen in den Grenzen seiner Zielvorgaben vorzulegen.
Doch mehreren Medienberichten zufolge sehen sich derzeit mindestens vier Ressorts außerstande, mit weniger Geld auszukommen: Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) wollen nächstes Jahr auf nichts verzichten. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verlangen sogar einen größeren Anteil als bisher aus dem Steuertopf. Wie viel Geld der überhaupt enthalten wird, soll nach der Steuerschätzung am 16. Mai feststehen. Höhere Einnahmen sind für 2025 wegen der anhaltend schwachen Wirtschaftslage kaum zu erwarten.
Nach Angaben des ZDF werde Lindner nach eigener Aussage „erst in den nächsten Tagen“ Klarheit darüber haben, wie die Etatvorstellungen sämtlicher 15 Ministerien aussehen. Denn noch habe er nicht alle Stellungnahmen gesichtet. Geht es nach Lindners Vorstellungen, sollen die finalen Zuteilungen aus dem Finanzministerium trotzdem bis Anfang Juli ausgehandelt sein.
Baerbock verlangt fast 2,3 Milliarden Euro mehr als zugestanden
Wie der Nachrichtensender ntv unter Berufung auf den „Spiegel“ (Bezahlschranke) berichtet, überschreitet Baerbocks Außenministerium in seinem Entwurf die Vorgabe Lindners um fast 2,3 Milliarden Euro: Statt 5,1 Milliarden habe sie einen Bedarf von 7,39 Milliarden angemeldet. Zum Vergleich: Zu Beginn des laufenden Haushaltsjahrs sei die Kasse des Auswärtigen Amtes noch mit etwa 6,7 Milliarden Euro gefüllt gewesen.
Doch allein für die voraussichtlichen gesetzlichen und gebundenen Ausgaben des Außenministeriums seien für 2025 bereits 3,87 Milliarden fest verplant, an denen nicht zu rütteln sei. Dazu zählen laut ntv Kosten für das Personal und die Pflichtbeiträge an die Vereinten Nationen (UN). Sollte sich Baerbock an Lindners Ausgabenobergrenze halten müssen, so blieben ihr nur etwa 1,23 Milliarden für „humanitäre Hilfe“ – also nur rund die Hälfte der derzeitigen Mittel.
Pistorius will voraussichtlich bis zu sieben Milliarden mehr
Dass auch das Verteidigungsministerium unter Boris Pistorius voraussichtlich mehr Bedarf anmelden würde, war keine Überraschung: Andreas Schwarz, der für das Ressort zuständige Haushaltsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) nach Agenturangaben, dass das Militär wohl zusätzlich 6,5 bis 7 Milliarden benötigen werde, um 2025 auf den gewünschten Spielraum von rund 60 Milliarden Euro zu kommen. Der Etat für das laufende Jahr liege bei 52 Milliarden Euro.
Auf das bis zum Jahr 2027 veranschlagte 100-Milliarden-Sondervermögen zurückzugreifen, werde nicht funktionieren, denn dieses werde bereits „Ende 2024 vertraglich gebunden sein“, habe Schwarz erklärt.
2028 werde die Bundeswehr nach seinen Berechnungen sogar 93 Milliarden Euro benötigen. „Das sind die Summen, mit denen das Ministerium arbeitet und die unerlässlich sind, wenn wir das Zwei-Prozent-Ziel der NATO halten und weitere Anschaffungen tätigen wollen“, so Schwarz nach Agenturinformationen. Ein geringerer Etat sei „aufgrund der von Russland verursachten Bedrohungslage […] unverantwortlich“.
Eine Ministeriumssprecherin habe ihm laut RND beigepflichtet: „Ohne eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes könnten bereits ab dem kommenden Jahr keine wesentlichen neuen rüstungsintensiven Verträge mehr geschlossen werden“, betonte sie. Das würde bedeuten, „dass auf Waffensysteme, die alters- und nutzungsbedingt auslaufen, keine neuen Systeme folgen und somit der Bundeswehr Fähigkeiten verloren gingen“. Wenn man die bereits in die Wege geleiteten Beschaffungsprojekte ab 2028 nicht mehr weiter bediene, sei das „für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger, gegenüber unseren Verbündeten und gegenüber der Industrie ein fatales Signal“, so die Sprecherin.
Schulze und Faeser beharren auf Status quo
Wie der „Spiegel“ schreibt, sieht auch Svenja Schulze, die Chefin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), nach wie vor keine Möglichkeit, in ihrem Ressort jene rund zwei Milliarden Euro einzusparen, die Lindner von ihr für seinen Konsolidierungsplan verlangt hatte.
Ein Schreiben an die Haushaltsexperten der Ampelfraktionen belege, dass Schulze keine weitere Kürzung des Status quo mehr akzeptieren wolle: „Insgesamt wurden dringend notwendige Bedarfe in Höhe von 12,16 Milliarden Euro angemeldet, was dem Haushaltsansatz von 2023 entspricht und bereits unter dem krisenbedingt erhöhten Ansatz von 2022 liegt“, heiße es in dem Papier. Schulze habe betont, dass Entwicklungspolitik ein wichtiger Baustein der Sicherheitspolitik sei, der unmittelbar zur Krisenprävention und Krisenbewältigung beitrage.
Zur Gegenfinanzierung hatte Schulze bereits für eine Lockerung der Schuldenbremse plädiert. Außerdem schlug die Sozialdemokratin erst kürzlich vor, Milliardäre international zu besteuern.
Nach Informationen der „Zeit“ sieht auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) keinen Weg, ihr Budget für 2025 um 1,2 Milliarden zu kürzen, wie es Lindner vorschwebt. Auch dessen Planung müsse der „Zeitenwende“ Rechnung tragen, hieß es. Die Kosten für die innere Sicherheit forderten nun einmal „erhebliche Investitionen“.
Ihr Parteikollege, der Fraktionsvize Achim Post, hatte ihr nach Informationen der „Tagesschau“ beigepflichtet: Man dürfe die innere, die äußere und die soziale Sicherheit nicht „gegeneinander ausspielen“. Post habe zudem einen „ordentlichen Vorschlag“ angekündigt, bei dem auch eine Aufweichung der Schuldenbremse eine Rolle spielen könnte. Diese ist besonders Vertretern der Fraktionen von SPD und Grünen ein Dorn im Auge.
Lindner höchstens ausnahmsweise zu Verhandlungen bereit
Doch Finanzminister Lindner lehnt entsprechende Forderungen unter Verweis auf das Grundgesetz weiter strikt ab. Laut „Tagesschau“ will er die staatliche Schuldenlast von derzeit etwa 64 Prozent des Bruttoinlandsprodukts innerhalb von drei bis vier Jahren sogar auf nur noch 60 Prozent reduzieren. Auch der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke hält laut ntv nichts von einer Reform der Schuldenbremse: „Jede Diskussion hierüber lenkt von der eigentlichen Aufgabe der Haushaltspolitik ab.“
Ähnlich sehe das Mathias Middelberg, der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag: „Wir zahlen schon jedes Jahr als Bund 40 Milliarden Zinsen für die ganzen Schulden, die wir aufgenommen haben“, habe Middelberg zu bedenken gegeben. Weitere Zinsbelastungen nähmen dem Land „jede Handlungsmöglichkeit für die Zukunft“. Ginge es nach ihm, so solle man den Rotstift beim Bürgergeld, bei Förderprogrammen und Auslandsfinanzhilfen ansetzen.
Insgesamt will sich Lindner bei all den Begehrlichkeiten von Kabinettskollegen und Parlamentariern offenbar auf keine größeren Zugeständnisse für das Haushaltsjahr 2025 einlassen: „Kanzler, Vizekanzler und ich haben den sogenannten Finanzplan als Obergrenze der Ausgaben vorgegeben. Wer also darüber hinaus geht, muss mir schon sehr gute Argumente vortragen, dass ich die Vereinbarung, die ich mit Herrn Scholz und Herrn Habeck habe, da auflöse“, stellte der Bundesfinanzminister am 2. Mai in der ZDF-Fernsehtalkshow „Maybrit Illner“ klar.
Sparen tut Not
Schon der Bundeshaushalt 2024 hatte die Ampelregierung vor eine Zerreißprobe gestellt. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 hatte eine Lücke von 60 Milliarden Euro in die ursprünglichen Pläne gerissen. Bis Anfang Februar 2024 brauchten Regierung und Parlament, um die Neuverteilung von fast 477 Milliarden für das laufende Haushaltsjahr festzuzurren. Zugleich war klar, dass die Gelder für die Koalitionsvorhaben der kommenden Jahre knapp würden.
Zu Beginn der Verhandlungen für das Jahr 2025 hatte Haushaltsstaatssekretär Wolf Reuter im Februar klargestellt, dass sich konjunkturbedingt vorerst wohl keine „Entlastungseffekte“ einstellen würden. Vielmehr würden „nunmehr die strukturellen Probleme“ für den Bundeshaushalt und das Wirtschaftswachstum zutage treten. Deshalb bedürfe es „einer Konsolidierung, die gleichzeitig den Wirtschaftsstandort Deutschland und das Wachstumspotenzial“ stärke.
Im April verlangte auch der Bundesrechnungshof angesichts der Kassenlage einen „durchgreifenden Konsolidierungsplan“ vom Finanzministerium für die Haushaltspläne der kommenden Jahre. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen sei noch mehr Sparen angesagt. 2028 werde zum „Schlüsseljahr“.
Mit Informationen von Agenturen
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