Karriere-Booster für Generalmajor Carsten Breuer

Lesen Sie in diesem zweiten Teil des Artikels über die „Breuer-Files“, wie der Bund-Länder-Krisenstab und der Ressortkrisenstab Corona weiter Druck auf Ungeimpfte machen wollten, was für Carsten Breuer am Ende herauskam und wie der Arzt Dr. Christian Haffner die Protokolle bewertet.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (r) mit dem neuen Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer.
Mitte März 2023 wurde Carsten Breuer (l.) Generalinspekteur der Bundeswehr und damit ranghöchster Soldat der BRD. Das Archivbild zeigt ihn an der Seite von Verteidigungsminister Boris Pistorius.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 28. Mai 2024

Im ersten Teil unseres Artikels zu den „Breuer-Files“ ging es um die ersten Arbeitswochen des Corona-Krisenstabs der Bundesregierung, der ab Dezember 2021 unter der Regie des Bundeswehr-Generalmajors Carsten Breuer für eine höhere Impfquote in der deutschen Bevölkerung sorgen sollte.

Nach kaum drei Wochen, am 4. Januar 2022, wurde auf der dritten ressortgemeinsamen Krisenstabssitzung das Ziel weiterer 30 Millionen Impfungen bis Ende des Monats ausgerufen. Die dazugehörige Werbekampagne sollte laut Protokoll vom 6. Januar vorwiegend diejenigen erreichen, „die sich am schwersten mit einer Impfung tun“. Engagiert hatte man dafür die Hamburger Werbeagentur Scholz & Friends. Namentlich nicht genannte „Multiplikatoren“ sollten helfen.

Am 27. Januar 2022 zeigte sich der Bund-Länder-Krisenstab unzufrieden: Das „aktuelle Impftempo“ sei „viel zu niedrig“, die „Bestellzahlen der Länder […] stark rückläufig“. Zu viele Menschen würden Omikron verharmlosen oder auf den angepassten Impfstoff warten, hieß es zur Erklärung. Man erhoffe sich „Best Practice“-Ideen aus den Ländern, um dem entgegenzuwirken.

Ab dem 3. Februar dachte das Gremium darüber nach, wie man jene Menschen, die bereits den „Booster“ erhalten hatten, nach der entsprechenden STIKO-Empfehlung zu einer vierten Impfung überzeugen könnte. Die Nachfrage dafür würde ohnehin bestehen.

International regte sich der Widerstand

Das Auswärtige Amt hatte allerdings zu bedenken gegeben, dass im Ausland mittlerweile „Trends zu Öffnungsschritten erkennbar“ seien, die unter anderem durch „Protestbewegungen“ beeinflusst würden. Auch in Deutschland hatten die Impfskeptiker ihren Unmut über ihre gesellschaftliche Ausgrenzung längst massenhaft auf der Straße artikuliert. Wie dem entgegenzuwirken sei, ist im Protokoll geschwärzt.

Ausschnitt des Sitzungsprotokolls vom Bund-Länder-Krisenstab, 3. Februar 2022: Der Widerstand gegen die Coronamaßnahmenpolitik schien international zu wachsen. Foto: Screenshot der „BreuerFiles“

Ausschnitt des Sitzungsprotokolls vom Bund-Länder-Krisenstab, 3. Februar 2022: Der Widerstand gegen die Coronamaßnahmenpolitik schien international zu wachsen. Foto: Screenshot der „BreuerFiles“

Eine Gefahr für die Gesundheitsversorgung war laut TOP 5 aber offenbar kein großes Thema mehr: „Derzeit sind keine Verlegungen erfolgt und vorgesehen“. In den Wochen danach verlagerte sich das Hauptaugenmerk der Ampel-Krisenstäbe also zunächst auf Meldewesen und Testkapazitäten, später auf „Monitoring und Nachhaltigkeit“.

Die „Impfungsbereitschaft“ hatte laut BMG in der Tat merklich nachgelassen: Am 7. Februar sei sogar „die Zahl an Neuinfektionen höher“ gewesen als „die Zahl an durchgeführten Impfungen“. Doch man blieb der Impfkampagne treu: Noch immer sei jede „Impfinitiative zu begrüßen“. „Ausdifferenzierte Anreize“ dazu erhoffte man sich von den Einzelhandelsverbänden. Und am 16. März 2022 würde immerhin die einrichtungsbezogene Impfpflicht für das Gesundheitswesen greifen.

Schon nach zwei Monaten Blick nach vorn

Am 17. Februar 2022 räumte der Bund-Länder-Krisenstab ein, dass man bisher „gut durch die Omikron-Welle gekommen“ sei. Der TOP 3, „Handlungslinie Impfquote erhöhen“, ist fast vollständig geschwärzt.

Man näherte sich dem Termin 19. März, an dem die Rechtsvorschriften abseits der Basismaßnahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) auslaufen würden. Drei Tage später stellte der Corona-Krisenstab fest, „dass jetzt der Weg vom operativen Geschäft hin zur Vorbereitung auf den Herbst beschritten“ werde. Das „Impftempo“ sei allerdings „nach wie vor zu niedrig“.

Ausschnitt des Sitzungsprotokolls vom 25. Februar 2022: Noch immer unzufrieden mit dem „Impftempo“. Foto: Screenshot der „BreuerFiles“

Ausschnitt des Sitzungsprotokolls vom 25. Februar 2022: Noch immer unzufrieden mit dem „Impftempo“. Foto: Screenshot der „BreuerFiles“

Der Rest des Absatzes ist zwar geschwärzt, direkt im Anschluss aber lässt ein Passus aufhorchen: Demnach gab oder gibt es einen „Anspruch, Vorsorge zu treffen, 60 Millionen Einwohner innerhalb eines Monats impfen zu können“.

Ausschnitt des Sitzungsprotokolls vom 25. Februar 2022: 60 Millionen Einwohner innerhalb eines Monats impfen – das soll die Zukunft sein. Foto: Screenshot der „BreuerFiles“

Ausschnitt des Sitzungsprotokolls vom 25. Februar 2022: 60 Millionen Einwohner innerhalb eines Monats impfen – das soll die Zukunft sein. Foto: Screenshot der „BreuerFiles“

Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) empfahl in der elften Sitzung des Bund-Länder-Krisenstabs vom 3. März im Einklang mit dem Corona-Expertenrat, an der Maskenpflicht festzuhalten – im Gegensatz zu einer gut zwei Jahre alten Stellungnahme des Robert Koch-Instituts (RKI), das den Gebrauch von Masken ohne Symptome nicht für sinnvoll erachtet hatte.

Am 7. April 2022 scheiterte überraschend die Impfpflicht für Menschen über 60 Jahre im Bundestag. BMG-Chef Karl Lauterbach hatte sich nicht durchgesetzt. Einen Monat später, am 4. Mai, fand per Videoschalte die finale, gemeinsame, knapp einstündige Sitzung des Bund-Länder-Krisenstabs und des Ressortkrisenstabs statt. Der Corona-Krisenstab verwies abschließend unter anderem an die „deutliche Erhöhung der Impfquote“. Danach wurde das Gremium wieder aufgelöst.

37 Millionen Spritzen gegen COVID-19 neu verabreicht

Legt man die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zugrunde, so schaffte es Breuer während seiner Zeit als Leiter des Corona-Krisenstabs der Bundesregierung, die Quote der einmal Geimpften von 73,9 auf 77,6 Prozent zu erhöhen (plus 3,7 Prozentpunkte / plus 3,1 Millionen). Zur „Grundimmunisierung“ sahen sich im selben Zeitraum 6,4 Millionen verpflichtet, was eine Steigerung von 69,4 Prozent auf 75,8 Prozent bedeutete. Beim „Booster“ gab es den größten Sprung: Von 26,7 Prozent der Bevölkerung auf 59,4 Prozent (plus 32,70 Punkte, 27,5 Millionen). Somit wurden allein in der Zeit Breuers rund 37 Millionen Spritzen gegen COVID-19 gesetzt.

Nach Angaben des BMG-Impfdashboards waren bis zum 8. April 2023 insgesamt 192,2 Millionen Dosen verabreicht worden. Weitere Zahlen inklusive der Verteilung nach Bundesländern findet man unter Corona-in-zahlen.de.

Haffner: „Diskutiert wurde über Impfangebote, Nudging und Impfpflichten“

Nach Angaben der „Berliner Zeitung“ äußerte sich der maßnahmenkritische Arzt Dr. Christian Haffner nach der Lektüre sämtlicher 178 Protokollseiten wie folgt:

Der Bund-Länder-Krisenstab beschäftigte sich vorwiegend mit zwei Themen, nämlich Minimierung der Fallzahlen und Maximierung der Impfquote. Da während seiner Amtsdauer, Dezember 2021 bis Mai 2022, keine ‚epidemische Notlage‘ mehr ausgerufen war, stand das zweite Ziel im Vordergrund. Diskutiert wurde über Impfangebote, Nudging und Impfpflichten. Die Verhandlungen waren nicht fachlich fundiert, sondern maßnahmenbezogen.“

Haffner standen zur Sichtung der Protokolle offenbar einige Helfer zur Seite. Der X-Nutzer @_GermanPatriot, nach eigenen Angaben einer der Unterstützer, zog ebenfalls bereits ein Fazit:

Aus den Dokumenten der Protokolle ist, aus meiner Sicht, klar das Verdacht [sic] zu erkennen, dass es nur darum ging, den offenbar zu viel bestellten ‚Impfstoff‘ mittels ‚Impfen‘ & ‚Boostern‘ unter die frustrierte Bevölkerung […] zu bringen.“

Karriere-Booster für Breuer

Generalmajor Breuer übernahm im Sommer 2022 die Befehlsgewalt über das neue „Territoriale Führungskommando der Bundeswehr“ (TerrFüKdoBw), das für die operative Führung nationaler Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes zuständig ist – einschließlich der Amts- und Katastrophenhilfe sowie der zivil-militärischen Zusammenarbeit.

Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums (BMVG) löste Breuer ein gutes halbes Jahr später, Mitte März 2023, Eberhard Zorn als 17. Generalinspekteur der Bundeswehr ab. Seitdem ist er ranghöchster Soldat der Bundesrepublik Deutschland.

Hintergrund: Haffner gegen die Bundesrepublik

Der Arzt Dr. Christian Haffner hatte die Papiere auf Grundlage von Paragraf 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) angefordert.

Bei seinen Schwärzungen beruft sich das Bundeskanzleramt ebenfalls auf das IFG, nämlich auf bestimmte Abschnitte des Paragrafen 3 IFG, die auf den Schutz bzw. die Vertraulichkeit internationaler Beziehungen, auf fiskalische Interessen des Bundes und auf die mögliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abzielen. Inwiefern die umfangreichen Schwärzungen in Einklang mit dem Versprechen auf „maximale Transparenz“ von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) zu bringen sind, fragt sich unter anderem „Apollo News“.

Noch mehr Papiere warten auf vollständige Offenlegung

Christian Haffner hatte vor zwei Wochen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Berlin bereits einen Teilerfolg in einer anderen Sache zur Corona-Aufarbeitung errungen.

Im Rechtsstreit gegen das Bundeskanzleramt ordnete das Gericht an, eine neue Version der Protokolle des Corona-Expertenrats aus der Zeit vom 14. Dezember 2021 bis zum 4. April 2023 vorzulegen, in der auch die Passagen über die „Wirksamkeit bestimmter Impfstoffe und Medikamente“ lesbar sein sollen. Die Textstellen mit Bezug auf China dürfen aber verborgen bleiben. Zudem will Richter Dr. James Bews noch entscheiden, ob die Namen der Sitzungsteilnehmer entschwärzt werden müssen oder ob ihnen „eine besondere Schutzbedürftigkeit“ zusteht. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.

Streit um RKI-Files geht weiter

All das ist nicht zu verwechseln mit den sogenannten „RKI-Files“. Diese gut 2.000 Seiten waren vom Multipolar-Magazin frei geklagt und bereits am 20. März 2024 veröffentlicht worden. Sie enthalten Informationen über die Standpunkte und Empfehlungen des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts zwischen Januar 2020 und April 2021.

Eine von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angeordnete Veröffentlichung einer „weitestgehend entschwärzten Fassung“ könnte nach früheren Angaben des RKI noch im Mai 2024 erfolgen: „Der Zeitplan wird voraussichtlich eingehalten“, antwortete eine Sprecherin des RKI auf Anfrage vom 27. Mai 2024.



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